Podcast "Welcome to Night Vale" als Buch

Die schwebende Katze aus der Herrentoilette

Schlachtermarkt in Schwerin: Ein Schild weist auf eine öffentliche Toilette hin.
Schlachtermarkt in Schwerin: Ein Schild weist auf eine öffentliche Toilette hin. © picture alliance / dpa
Von Hendrik Efert · 12.05.2016
Ein Podcast als Massenphänomen? Das gab es auch schon vor "Serial": "Welcome to Night Vale", eine gruselig-literarische Podcast-Serie, seit 2012 auf Sendung - bis heute. Das Buch zum erfolgreichen Podcast ist nun auf Deutsch erschienen.
"A friendly desert community where the sun is hot, the moon is beautiful, and mysterious lights pass overhead while we all pretend to sleep. Welcome to Night Vale."
"Willkommen in Night Vale", begrüßt uns Cecil, Moderator bei der lokalen Radiostation. Er ist unser Auge, das Medium, das uns in der Podcast-Serie "Welcome to Night Vale" fortan all die Geschichten aus dieser Kleinstadt irgendwo im Südwesten der USA erzählt. Alles in diesem trockenen, monotonen Stil.
"Hello listeners. To start things off I’ve been asked to read this brief notice: the city council announces the opening of a new dog park at the corner of Earl and Summerset near the Ralph’s. They would like to remind everyone that dogs are not allowed in the dog park."
Skurrille Anrisse, Ausschnitte, Bruchstücke bekommen wir erzählt, von den surrealen Vorkommnissen in Night Vale. Und das schon bereits über 80 Folgen lang. Über die Zeit lernen wir nicht nur den anfänglich so fleischlosen Cecil immer ein Stück mehr kennen. Sondern zum Beispiel auch Old Woman Josie, oder die schwebende Katze aus der Herrentoilette und vor allem: Carlos, den Wissenschaftler, der in Folge eins zum ersten Mal Night Vale betritt:
"Who is he? What does he want from us? Why his perfect and beautiful haircut? Why his perfect and beautiful coat? Why here?"

Night Vale schoss die Podcast-Charts hinauf

Ja, warum hier? Antworten darauf und auf die vielen anderen Fragen, die beim Hören des so erfolgreichen Podcasts entstehen, tröpfeln nur langsam auf uns ein. Wer Night Vale hört, der will kein einfaches "Who-When-Where?", der will schöne Sprache, abstrakte Bilder. Alles im Kopf. Würden H.P. Lovecraft und David Lynch einen kollaborativen Podcast machen - er würde so klingen.
"I hope all of you out there have someone to sleep through it with."
Seit 2012 produzieren Joseph Fink und Jeffrey Cranor "Welcome to Night Vale". Sofort schossen sie die iTunes-Podcast-Charts hinauf, verdrängten die Platzhirsche Radiolab und This American Life. Und das, erstens ohne Sponsoring oder bezahlten Produktionsauftrag und zweitens mit einer fiktionalen Geschichte, gesprochen von einem Sprecher. Und passend komponierten Musikbetten. Zwei mal pro Monat erscheint seitdem eine neue Folge.
Rasend schnell bildete sich nicht nur eine treue Hörerschaft, sondern eine aktive Community, die jede Folge im Netz analysiert, seziert und weiterverarbeitet: meistens in Form von grafischer Fan-Art. Heißt: Es wabern hunderte oft hochprofessionell gezeichnete Illustrationen durchs Netz, die die Bewohner von Night Vale zeigen. Fink und Cranor zeichnen in ihrem Podcast ein vages Bild von den Äußerlichkeiten ihrer Protagonisten: so sind sich die Fans bei Attributen wie Hautfarbe oder sexueller Orientierung durchaus uneinig. Und auch das zeigt die Genialität dieser ja dennoch so bildhaft gemachten Audioerzählung.

Buch beinhaltet eine ganz neue Geschichte

Bisher verdienten die beiden Macher und der Sprecher Cecil Baldwin mit Spenden, Merchandise und Live-Shows Geld. Neu ist nun der Welcome-to-Night-Vale-Roman, der kürzlich auch in deutscher Übersetzung erschienen ist. Joseph Fink:
"Das Buch beinhaltet eine ganz neue Geschichte. Allerdings ist sie eng verknüpft mit den Stories die wir über die Jahre in unserem Podcast erzählt haben."
Dass sie nun ein Buch geschrieben haben, statt die Ideen darin auch in den Podcast zu gießen, entspringt wohl der Tatsache, dass die beiden begnadete Autoren sind und sie unbedingt noch ihren Roman schreiben wollten. Zurecht bekam auch das Buch hervorragende Kritiken. Fans des Podcasts stoßen auf alte Bekannte und auch auf die so vertraute Sprache der beiden Autoren. Jeffrey Cranor:
"Nachdem wir nun gut drei Jahre lang einen seriellen Podcast produziert haben, war es für uns irgendwie logisch, das auch mal in einem neuen Medium auszuprobieren."
Und dass die beiden Podcastmacher ein Buch als neues Medium beschreiben – sie dürfen das.
"Welcome back, listeners. The sun didn’t set at the correct time today, Carlos and his team of scientists report..."
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