Elektronische Kunst mit leuchtenden Kissen
Objekte, Projekte, Spiele: Viele Kunstwerke beim Festival Platine in Köln laden das Publikum zum Mitmachen ein. Bei der Installation "Spacial Interaction" liegen in einem Raum Plastikkissen, die mit Sensoren und LEDs ausgestattet sind – und vielseitig verwendbar sind.
"Wenn ich diesen Ton höre, würde das Kissen aufleuchten."
Dann dreht Sascha Haus das Kissen. Es ist aus Plastik, mit Luft und Technik gefüllt.
"Wenn ich mich auf eins draufsetze, dann könnte die Kick angehen."
14 dieser großen, leuchtenden Plastikkissen verteilen sich in einem langen, schlauchartigen Raum. Die Decke ist so niedrig, dass sie den Besucher fast schon auf die Kissen drückt. "Spacial Interaction" heißt diese Rauminstallation vom Kollektiv Marienstraße. Oder soll es eher ein Musikinstrument sein, mit dem der Besucher remixen kann, wenn er die Kissen dreht, wendet, sich drauflegt?
"Das Schöne dabei ist, neue Instrumente zu schaffen, bei der ein Kissen eine Taste ist. Nicht unbedingt von mir gesteuert, sondern von allen gemacht."
Elektronische Kunst, die ganz analog als Kissen und ohne Bildschirme daher kommt. Wie viele der ausgestellten Objekte, Projekte, Spiele auf dem Festival Platine.
"Generell ist es so, dass mehr Soundinstallationen zustande gekommen sind, was wir halt auch als alternative Spielform fassen."
Lukas Höh, Kurator des Festivals:
"Wir stellen uns jedes Jahr die Frage: Ab wann ist ein Spiel so konzeptionell, dass es schon fast wieder künstlerisch ist, und ab wann ist eine künstlerische Installation so interaktiv, dass sie schon wieder so viele spielerische Charakterzüge hat, dass es schon wieder ein Spiel ist."
Ein künstlerischer Kommentar zur Gamescom
Also ein künstlerischer Kommentar zur Gamescom, der kommerziellen Großveranstaltung für die Games-Branche. Installationen, die nur durch den Besucher aktiv werden. Kunst, die Games reflektiert.
"Wir wollen zeigen, dass Computerspiele mehr sind als nur ein Konsumprodukt, oder auch eben anders genutzt wird von Entwicklern und Künstlern."
Zum Beispiel von Regina Reusch und Lisa Baumgarten. Für ihr Projekt "Hannah" nutzen sie eine Tiefenbildkamera, die Bewegungen erkennt. Die ist nur dank der Spielkonsole Xbox seit ein paar Jahren so günstig auf dem Markt erhältlich:
"Da oben ist eine Kinect befestigt, sobald man in den Sichtbereich der Kamera tritt, wird man getrackt, der Kopf wird getrackt, und man erscheint als Objekt in der Welt."
In der Computerspielwelt. Simpel mit blauem Hintergrund. Pinke, gelbe, dunkelblaue Schreibtischstühle, Bürolampen, Bildschirmen fliegen in 3D über die großflächige Projektion. Aber wer soll ich darin sein?
"Es ist so gedacht, dass man nicht direkt merkt, wer man selber ist. Du bist ein Objekt in dieser Welt."
Vielleicht die Frau, die schemenhaft in pink oben rechts erscheint, aber nur manchmal darauf reagiert, wenn ich vor der Wand hin und her gehe?
Du bist gefangen in dieser Welt, du kannst dich nur so bewegen, wie wir es programmiert haben. Das heißt, Du hast so eine Scheineinfluss darauf, was passiert.
Ein Spiel ohne Level, ohne Gewinnen, mit abstraktem Inhalt. Sie geben als Künstler und Designer aus der Hand, was mit "Hannah" passiert. Programmieren den Zufall.
"Man kann sagen: Wir sind die Schöpfer davon, haben aber keine Ahnung, was damit passiert."
"Wir wollen was Interaktives machen, womit sich die Leute auch direkt auseinandersetzen können, das ist nicht nur eine einfache Betrachtung."
Im Zwischenraum zwischen Freiheit und Zufall spielen
Für sie ist das elektronische Kunst, die sich mit etwas Analogem auseinandersetzt:
"Es ist ein bisschen so: Du musst morgens um neun zur Arbeit gehen, musst dann dort sein, aber auf dem Weg kann ganz viel passieren, weil viel von außen reinkommt, was man nicht selber beeinflussen kann. Es geht um den Zwischenraum zwischen Freiheit und Zufall."
Wie auf der gesamten Platine: Wie frei ist ein Kunstwerk, das der Besucher beeinflussen muss? Wie viel Interaktion ist überhaupt möglich und wie viel Kontrolle gibt der Künstler, Designer, Entwickler ab? Fragen, die Games, aber auch unser digitales Leben bestimmen.
All zu oft scheint dabei die Freiheit - wie bei dem Spiel Hannah - nur vermeintlich da zu sein. Egal wie unmusikalisch die Kissenlieger bei Sascha Haus' Installation "Spacial Interaction" sein mögen. Es klingt immer irgendwie gut.
"Weil es ein harmonisches Stück ist. Alle Spuren sollten funktionieren. Es ist alles im Takt und kann auch nicht auseinanderlaufen."