Das geisterhafte Überleben der Contessa di Castiglione

Die Selbstbespiegelung war schon lange vor dem Selfie angesagt, wie ein Stück rund um die Diva Virginia Oldoini Contessa di Castiglione zeigt. Der Philosoph Andreas L. Hofbauer erzählt von der Frau, die sich als Schönste ihres Jahrhunderts sah.
Virginia Oldoini Contessa di Castiglione wäre heute wahrscheinlich eine Instagram-Selfie-Queen – ihre Fotosammlung aus dem 19. Jahrhundert betitelte sie selbst mit "La plus belle femme du siècle" – die schönste Frau des Jahrhunderts. Immer wieder setzte sie der Fotograf Pierre-Louis Pierson in Szene - als Diva, Spionin oder Mätresse, was sie tatsächlich war, von Napoleon dem Dritten.
Die Ausstellung all ihrer Porträts auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 erlebt sie nicht mehr – doch einige Bilder wurden posthum Ikonen. Leben und Wirken der Contessa di Castiglione haben Regisseur Ivan Stanev und der Philosoph Andreas L. Hofbauer zu einer Theater-Performance namens "Place Fantôme" inspiriert, die in Berlin am Samstag uraufgeführt wird. In der Hauptrolle ist die Schauspielerin Jeannette Spassova zu sehen.
Bizarre Bilder
In den Fotografien habe sie sich als erste Frau selbst in Szene gesetzt, sagte Hofbauer im Deutschlandfunk Kultur. Er spricht von einer "Bizarrheit der Bilder." Es sei nicht etwa der Fotograf der Künstler gewesen, sondern die Contessa habe den Fotograf in einer merkwürdigen Paarbeziehung benutzt, um sich selbst zur Schau zu stellen. "Sie stellt sich selbst zur Schau als das, was sie ist – auch als Prostituierte, auch als Kokotte."

La Marquise, die Contessa di Castiglione liebte solche Posen © Oleg Farynyuk
Insofern passe sie in das heutige Zeitalter der Selbstbespiegelung hinein, breche es aber auch auf, sagte Hofbauer. Sie tauche eher als Gespenst auf. "Die Idee damals und das vielleicht auch eine, die in der Zukunft kommt, bedeutet, dass zu viel Bildlichkeit natürlich auch dazu führt, dass man schon im Leben tot ist und sie führt eben ein geisterhaftes Überleben."
Tragisches Ende
Das letzte Drittel ihres Lebens verbrachte die Contessa in ihrer Wohnung am Place Vendôme 26, bis zum Schluss waren alle Räume abgedunkelt, die Spiegel verhängt. Die von ihr geplante Ausstellung ihrer Porträts für die Pariser Weltausstellung 1900 konnte nicht mehr stattfinden. Sie stirbt überraschend am 28. November 1899.
Das Metropolitan Museum of Art in New York kaufte 1975 ein Konvolut der rund tausend Fotografien aus dem Nachlass ihres Verehrers Robert de Montesquiou an. Spätestens seit diesem Zeitpunkt sind einige dieser Lichtbilder ikonisch geworden – und versichern der Contessa zeitloses Überleben.