"Pinker Pudel"-Preis für Reklame ohne Stereotype

Die Werbung gendert sich

05:54 Minuten
Ein Königspudel mit schwarzem Fell trägt pinke Hasenoren vor einem Hintergrund mit rosa farbenen Verlauf.
In Deutschland nennt man emanzipierte Männer bisweilen lila Pudel. Der Preis "Pinke Pudel" wertet die ursprünglich abwertig gemeinte Bezeichnung positiv. © imago images / imagebroker
Von Julia Eikmann · 11.05.2020
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Es gibt sie noch: Werbung, in der Frauen als Deko, Männer als Machos daherkommen. Immer mehr Werbeagenturen legen aber Wert auf Geschlechtergerechtigkeit. Der "Pinke Pudel" zeichnet solche Beispiele aus. Dieses Jahr wird er zum dritten Mal verliehen.
"Eine Hexe kommt, eine Hexe kommt!", schreit ein Mädchen. Es ist nicht das finstere Mittelalter. Es ist das Jahr 1888, irgendwo kurz vor Pforzheim. Bertha Benz unternimmt eine Reise mit der Erfindung ihres Mannes, dem ersten Automobil. In einem hinterwäldlerischen Dorf trifft sie auf reichlich Ablehnung. Und hinterlässt einen Hauch Benzin und Moderne.
Der Mercedesspot ist ein geradezu kitschig inszeniertes Historiendrama. Und natürlich repariert Bertha Benz das Automobil mit einem Strumpfband, das sie unter ihrem üppigen Kostüm hervorzaubert. Trotzdem hat er die Jury des "Pinken Pudel" überzeugt. Darunter Stevie Schmiedel, Genderforscherin und Gründerin von Pinkstinks, dem Verein, der den Positivpreis für geschlechtergerechte Werbung ins Leben gerufen hat.
"Da ist eine Frau, die in eine Stadt kommt und als Hexe gesehen wird, weil sie Autofahren kann oder dieses Auto überhaupt noch nicht bekannt ist. Und es gibt ein kleines Mädchen, das ihr hilft, eine Apotheke zu finden, in der sie Stoff für das Auto finden kann. Und schon da ist eben angesetzt, was in unserer Welt fehlt, dass Frauen sich zusammenschließen, auch gerade in Unternehmen, in der Technik, und sagen: Wir können das auch."

Wie sozialkritisch kann Werbung sein?

Eine Welt zeigen, die es so nicht gibt, klar, das hat Werbung schon immer gemacht. Aber kann sie auch ein Korrektiv für die Gesellschaft sein? Wieviel Sozialkritik in einen Werbespot passt, zeigte im vergangenen Jahr das DFB-Nationalteam der Frauen.
"Wir spielen für eine Nation, die sich unsere Namen nicht merken kann. Aber dass wir drei Mal Europameister waren, wisst ihr schon, nicht? Stimmt auch nicht, es waren acht Mal!" Die Fußballdamen dreschen den Zuschauerinnen und Zuschauern Bälle und Vorurteile um die Ohren, mit denen sie selbst andauernd konfrontiert werden.
"In unserer heutigen Generation ist Werbung einfach überall, egal ob offline oder online", sagt die Artdirektorin der verantwortlichen Agentur thjnk, Christina Duskanich. "Nichts hat so viel Impact auf unser Leben wie Werbung. Und darum zeichnet gerade die Werbeindustrie das Bild der Gesellschaft. Und es ist an uns, die richtigen Illustratoren zu finden." Und die muten dem gemeinen Vorabendserienpublikum allerhand zu: "Wir brauchen keine Eier. Wir haben Pferdeschwänze. – What!? Nice!"
Das ist progressiv, das geht auf die Zwölf. Das ist der Werbespot einer großen deutschen Bank. Ist das wirklich der richtige Absender, um mit gesellschaftlichen Vorurteilen aufzuräumen?

Ein prallgefüllter Werbeetat macht Reklame zeitgemäßer

Immerhin hat das börsennotierte Unternehmen einen prall gefüllten Werbeetat. Und wo Geld in die Hand genommen wird, wird auch die Werbung zeitgemäßer.
"Wir haben leider immer noch ganz viel sexistische Werbung und stereotype Werbung – gerade da, wo Werbung nicht viel kostet, wo vielleicht einfach mal der Azubi sich hinsetzt und mit Photoshop eine Reklame bastelt, so wie früher", sagt Stevie Schmiedel. "Es gibt die kleine Firma, die einen Kundenkreis hat, der sich auf die Schenkel klopft, wenn Susi von nebenan vielleicht nackt über die Autoreifen drapiert ist. Und vielleicht in einem großstädtischen Klientel gedacht wird: Oh mein Gott, das meinen die doch nicht wirklich?!"
Die klassische Werbung, in der Mann anpackt und Frau nett lächelt, ist in den großen Metropolen nicht mehr gefragt. Und auch in den großen Agenturen hat mit dem Einzug der jüngeren Generationen ein Umdenken eingesetzt.
Porträt der Genderforscherin Stevie Schmiedel
Leider gebe es immer noch sehr viel sexistische Werbung, sagt die Genderforscherin Stevie Schmiedel.© Yvonne Schmedemann
Die Schere zum Land, zu kleinen und mittelständischen Betrieben, Handwerk und Handel allerdings ist groß. Genau wie das Potenzial der Werbung, eben in diesem Bereich gerechte und zeitgemäße Geschlechterrollen zu positionieren, findet Stevie Schmiedel von Pinkstinks.
"Werbung hat einen sehr hohen Stellenwert in der Darstellung dessen, was wir aktuell als Zeitgeist empfinden und wie wir auch leben wollen. Weil Werbung eben formierend ist. Das heißt, wenn wir Werbung sehen, dann richten wir uns auch ein bisschen danach. Gute Werbung kann Zeitgeist begründen. Gute Werbung erklärt uns ein bisschen, wie wir leben wollen."

Sexistische Werbung hat gesellschaftliche Auswirkungen

Und schlechte Werbung? Eine Studie im Auftrag des britischen Werberats hat gezeigt, dass Geschlechterrollenstereotype in Werbung und Marketing dazu führen, dass sich Kinder weniger zutrauen. Mädchen mochten ihre Meinung nicht sagen, Jungen ihre Gefühle nicht zeigen. Als Konsequenz wurde in Großbritannien stereotype und sexistische Werbung verboten. Auch Bremen, Frankfurt und einige Berliner Bezirke gehen gegen geschlechterdiskriminierende Plakate vor.
Unter dem Slogan "Bring back the Wow to your Kingdom" fräst sich im dritten für den Pinken Pudel nominierten Spot eine maximal diverse Task Force mit Motorsense und Rasenmäher durch den Vorgarten.
Mit langer Rastamähne und Lara-Croft-Gedächtnis-Look fast schon wieder zu stereotyp, zu normschön, um einem Positivpreis die Ehre zu erweisen. Aber: "Es ist Kärcher! Es ist ein Traditionsunternehmen, dass immer nur mit der männlichen Zielgruppe gearbeitet hat, mit Geräten, von denen man nie glaubte, dass Frauen die in die Hand nehmen können. Und dass gerade dieses Unternehmen sich jetzt der Moderne zuwendet, dass Frauen auch mit Motorsägen durch den Wald laufen können, das ist schon eine ganz große Nummer."
Was sagt es über eine Branche, in der schon ein kleiner Schritt – weibliche, ältere, diverse Werbefiguren – eine "große Nummer" und damit preiswürdig ist? Vor allem, dass noch ein weiter Weg vor ihr liegt.

Der "Pinke Pudel", Deutschlands erster Positivpreis für geschlechtergerechte Werbung, wird am 12. Mai 2020 verliehen.

Im Vorspann zum Beitrag hieß es in einer früheren Version fälschlicherweise, der "Pinke Pudel" werde in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben.
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