Pilzkopf und Präservative

Von Helmut Böttiger · 01.03.2011
1966 fand an der Universität Princeton die vorletzte Tagung der berühmten Gruppe 47 statt. Vor kurzem hat der damalige Veranstalter sämtliche Lesungen und Diskussionen dieser Tagung ins Netz gestellt. Das gibt Gelegenheit, diesen interessanten Wendepunkt in der jüngeren Literaturgeschichte noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Heftig umstritten war schon der Tagungsort: Die Gruppe 47 hatte sich längst zu einer Art Literatur-Nationalmannschaft gemausert, die im Ausland als repräsenativ für die deutsche Gegenwartsliteratur auftrat. Dagegen regte sich Widerstand. Zudem begannen in dieser Zeit die heftigen Diskussionen über den Vietnamkrieg, den die USA führten – darüber brach auch in der sich eigentlich aufs rein Literarische begrenzenden Gruppe 47 ein typischer Generationskonflikt aus.

Während dieser Tagung zeigte es sich deutlich, dass die Gruppe 47 nicht mehr die widerstreitenden Tendenzen der unmittelbaren Gegenwart in sich vereinigen konnte. Zu groß waren die ästhetischen und politischen Differenzen, zu groß die Kluft zwischen Vertretern, die noch vom Geist der 50er-Jahre geprägt waren, und denjenigen einer gesellschaftlichen und individuellen Befreiung. Symbolisiert wurde dies durch den mythisch gewordenen Auftritt des jungen Pilzkopfs Peter Handke: Innerhalb weniger Minuten wurde er als der erste deutsche Pop-Autor zum Markenzeichen.

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