Dessauer "Hamlet" beim Theatertreffen

Provinz kann auch radikal

11:03 Minuten
Außenansicht des Anhaltischen Theaters Dessau.
Mit der Einladung zum 60. Berliner Theatertreffen steht das Anhaltische Theater Dessau nun im Fokus der Theaterszene. © imago / Richard Wareham
Philipp Preuss im Gespräch mit André Mumot |
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Regisseur Philipp Preuss wird mit seiner radikal zeitgenössischen Dessauer „Hamlet“-Interpretation zum 60. Berliner Theatertreffen eingeladen. Im Gespräch erklärt er, dass das Theater in der Provinz oftmals radikaler ist als in den Metropolen.
Die großen Theatermetropolen haben abgeräumt bei der Auswahl der sieben Theatertreffen-Jurorinnen und -Juroren, die nun bekannt gegeben wurde. Jeweils zwei Einladungen zur 60. Festivalausgabe können Wien, Berlin, München und Bochum auf sich vereinen. Daneben gibt es noch einmal Basel.
Und ein Haus, das es bisher nicht zu dieser großen Ehrung geschafft hat und seinen „Hamlet“ nun als eine der zehn bemerkenswerten Inszenierungen des vergangenen Jahres in die Hauptstadt schickt: Das Anhaltische Theater Dessau. Da gab es im März letzten Jahres eine Version des Shakespeare-Klassikers, die für Furore, Irritation und Kritikerbegeisterung gesorgt hat – inszeniert vom österreichischen Regisseur Philipp Preuss.

"Einladung ist eine Form von Wertschätzung"

Gefreut haben er und sein Team sich sehr über die Auszeichnung, wie er im Gespräch verrät – und gefeiert haben sie ebenfalls. Das viel gescholtene, für seine Auswahlkriterien immer wieder gerügte Festival hat seinen Nimbus offenbar noch nicht verloren.

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„Es ist schon eine Währung“, sagt Philipp Preuss. „Das hängt natürlich auch mit dem Theatersystem selber zusammen, dass das Theatertreffen eine Form von Wertschätzung darstellt, wo eine Arbeit natürlich anders in den Fokus kommt.“
Kritisch müsse man das aber auch sehen. „Was natürlich eher nicht so toll ist, wenn sich ein ganzes Theatersystem an dem Theatertreffen orientiert und denkt: Das muss unbedingt zum Theatertreffen kommen, und das ist dann die einzige Währung für Kunst. Das ist sie aber nicht.“

Zu Unrecht übersehene Produktionen

Für ein kleineres Haus wie das Anhaltische Theater Dessau ist die Einladung auf jeden Fall ein Coup. „Ich denke, dass vieles in der Provinz oft auch übersehen wird. In den Metropolen kommt mir das Theater oft provinzieller vor als in der Provinz, wo es wirklich auch sehr tolle, sehr mutige und radikale Arbeiten gibt, die man dann so vielleicht gar nicht auf dem Schirm hat.“
Die "Hamlet"-Inszenierung von Philipp Preuss arbeitet mit Loops, Wiederholungen, und düsteren Alptraumvisionen. „Ich habe den Hamlet als Zauderkönig beschrieben“, erklärt der Regisseur. „Und das führt zu einer Gegenwart, wo wir uns ja auch ständig fragen: Sollen wir zur Tat schreiten oder eher nicht? Sollen wir passiv bleiben oder aktiv werden? Und da haben wir gemerkt: Wow, das ist ein Stück über unsere Gegenwart.“

Hamlet am Putin-Tisch

Eine Aktualität, die bis ins Bühnenbild hineinreicht, das von einer gigantischen Tafel geprägt wird. „Dieses Bühnenbild von Ramallah Sara Aubrecht ist ja viel früher entstanden als der Ukraine-Krieg. Und dieser ewig lange Tisch ist dann ja in den Medien plötzlich aufgetaucht – der Putin-Tisch, der sich immer weiter vergrößert hat. Das war irgendwie spooky und absurd – dieser Tisch, der quasi für die Macht steht, aber – im Stück – auch für die Beerdigung, für die Hochzeit und so weiter.“
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