Kostenloser Nahverkehr in Pfaffenhofen

Der lange Weg raus aus dem „Autoland“

07:12 Minuten
Das Rathaus am Unteren Hauptplatz in Pfaffenhofen an der Ilm in Oberbayern. Im Vordergrund parken Autos.
Das Rathaus in Pfaffenhofen: Hier muss Bürgermeister Thomas Herker zu einer Entscheidung kommen, wie es mit dem kostenlosen Nahverkehr in seiner Stadt weitergehen soll. © picture alliance / imageBROKER / Raimund Kutter
Von Michael Watzke |
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In Pfaffenhofen in Bayern ist Busfahren kostenlos. Wie lange noch, ist allerdings fraglich. Denn noch immer fahren zu viele mit dem Auto, und die Kosten für den ÖPNV sind stark gestiegen.
Wenn Thomas Herker über Autos spricht, kann der Bürgermeister von Pfaffenhofen richtig sauer werden: „Letztendlich haben wir statistisch betrachtet über 1000 Autos auf 1000 Einwohner. Das heißt: Das Baby fährt Auto und auch die 106–jährige älteste Pfaffenhoferin.“
Das 27.000-Einwohner-Städtchen Pfaffenhofen liegt genau zwischen München und Ingolstadt – also zwischen den Stammsitzen von BMW und Audi. Die Menschen hier nennen ihre Heimatregion „Autoland“, wie eine Frau auf der Straße sagt. „Das sieht man an den ganzen Autofirmen, die hier sind. Das Auto ist immer noch das gängigste Verkehrsmittel.“ Ein Mann spricht von „Autoregion“ und fügt hinzu: „Pfaffenhofen wächst, wir bekommen immer mehr Autos und Verkehr.“

Bauchgrimmen angesichts der Kosten

Wer mit dem Zug aus München am Bahnhof Pfaffenhofen ankommt, der etwas abseits vom Ortskern liegt, steht auf einem riesigen Pendlerparkplatz. Die 2500 Autostellplätze sind fast vollständig belegt. Es wartet aber auch ein Linienbus, um die Zugreisenden in die Innenstadt zu bringen. Für Ortsfremde sehr ungewöhnlich: Die Fahrt kostet – nichts. Der gesamte Öffentliche Personennahverkehr in Pfaffenhofen ist für die Fahrgäste kostenlos.
Die Stadt Pfaffenhofen bezahle jährlich rund 2,3 Millionen fürs Gratis-Busfahren, so Bürgermeister Herker. Da seien die Anpassungen der Fahrentgelte aufgrund der erhöhten Energiekosten noch nicht berücksichtigt. Diese Summe verursacht ihm inzwischen ein gewisses Bauchgrimmen. Zu Beginn seien es 1,1 Millionen Euro im Jahr gewesen und Einnahmen aus Fahrentgelten von 300.000 Euro. „Das war noch verkraftbar. Mittlerweile haben wir deutlich mehr Nutzer im System, wir haben zum 1.Januar dieses Jahres deutlich ausgeweitet, sowohl von der Fläche als auch von der Zeit: sieben Tage die Woche bis in den Abend hinein, auch am Sonntag.“

Ziel: CO2 sparen und das Klima schützen

SPD-Bürgermeister Herker klingt ein bisschen, als denke er bereits über das Ende des kostenlosen Nahverkehrs nach. Die Stadt Pfaffenhofen setzt derzeit zehn Dieselbusse ein, sechs mittelgroße Linienbusse und vier kleinere Rufbusse. Letztere können die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde zu bestimmten Zeiten ähnlich wie ein Taxi buchen. Außerdem planen Herker und sein Stadtrat aus einer Mehrparteien-Koalition ein zusätzliches Car-Sharing-Angebot. All das mit dem Ziel, CO2 einzusparen und das Klima zu schützen.
Das turmförmige BMW-Gebäude in München im Abendrot
BMW-Sitz in München: Pfaffenhofen liegt zwischen den Stammsitzen von BMW und Audi in Ingolstadt.© imago / blickwinkel / allOver / TPH
„Wenn wir unsere Vorgaben einhalten wollen, die wir in Paris beschlossen haben, dann sind wir schon ein gutes Stück weiter als der Rest Deutschlands und Bayerns.“ Aber das reiche noch lange nicht. „Wenn wir jetzt bei fünf Tonnen CO2 pro Kopf im Jahr sind, dann haben wir etwa die Hälfte des Bundesdurchschnitts.“ Doch der Weg, die letzten fünf Tonnen zu schaffen, sei weit, sagt Herker. „Und da wird es emotional, Verkehr und Bewegungsmuster sind erlernte Dinge. Dinge, die ins Persönliche eingreifen. Da ist ein kostenloser Stadtbus eine wunderbare Maßnahme – aber das allein wird's nicht richten.“

Parken soll teurer werden

Thomas Herker unterscheidet zwischen Pull- und Push-Maßnahmen. Also zwischen ziehen und drücken. Kostenloser ÖPNV ist ein Pull-Faktor: Er zieht Menschen in den Bus, die – auch aufgrund der hohen Benzinpreise – ihr Auto öfter stehen lassen. „Wir haben eine Verdreifachung der Fahrgastzahlen erwirkt.“ Der steigende Zuspruch sei sozusagen täglich zu messen. „Aber 1000 Fahrgäste mehr machen die Straßen nicht grundlegend frei. Was sind 3000 Tagesfahrgäste bei 27.000 Pfaffenhofern, die gern 500 Meter mit dem Auto zum Semmelholen fahren?“
Ein kleines bisschen Frust ist herauszuhören aus den Worten des Bürgermeisters. Denn Autostau gibt es in Pfaffenhofen immer noch. Morgens und nachmittags sind die Ortsstraßen oft dicht. Und hier kommen die Push-Maßnahmen ins Spiel – also drücken statt locken. Herker will das Parken verteuern. Vor allem am großen Pendlerparkplatz am Bahnhof soll das Parken kostenpflichtig werden: etwa zwei Euro pro Tag und Auto. „Wir wollen kein Geld verdienen, aber zumindest den Betrag verlangen, den der Parkplatz bei Nutzung verursacht."

Die Söder-Regierung entlastet die Autofahrer

Das ist der nächste große Kampf – da hört dann auch der politische Konsens schon wieder auf: "Denn das tut dem einen oder anderen weh.“ Die örtliche CSU ist gegen Parkplatzgebühren. Und auch auf Landesebene tut die Söder-Regierung in Bayern alles, um Autofahren nicht zu be-, sondern zu entlasten. Etwa, indem die Staatsregierung eine Erhöhung der Pendlerpauschale fordert.
In Pfaffenhofen spürt SPD-Bürgermeister Herker diesen Kurs: Der kostenlose Nahverkehr belastet die Stadtkasse doppelt, weil staatliche Zuschüsse entfallen. „Man wird tatsächlich bestraft: Wenn man keine Fahrentgelte erhebt, gibt es auch keine Fördergelder mehr. Oder zumindest entfällt ein Teil der Fördergelder.“ Das sei immerhin ein sechsstelliger Betrag. Bei einem Modellprojekt, für das sich die Stadt beworben hatte, sei sie nicht zum Zug gekommen. „Von daher bleibt uns nichts anderes übrig, als die Entscheidung zu treffen: Wollen wir das Geld weiter ausgeben oder nicht?“
Derzeit will Pfaffenhofen das Geld weiter ausgeben. Noch. Aber steinreich ist die oberbayerische Gemeinde auch nicht. Weil die Gewerbesteuereinnahmen stagnieren, hat der Stadtrat gerade beschlossen, den Gewerbesteuerhebesatz um zehn Prozent zu erhöhen.
Irgendwann könnte der Augenblick kommen, an dem auch das kleine Städtchen zwischen München und Ingolstadt beschließt, dass Busfahren wieder Geld kostet. Denn, so der Bürgermeister: „Zu Nachhaltigkeit gehört auch, Entwicklungen nicht auf Pump zu machen, sondern der nachfolgenden Generation nach Möglichkeit keinen unüberwindbaren Schuldenberg zu hinterlassen.“

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