Pest, Cholera, Coronavirus

Die Geschichte der Seuchenbekämpfung

07:58 Minuten
Ein medizinischer Mitarbeiter in Ganzkörper-Schutzkleidung tritt aus einem Gang heraus.
Das Coronavirus hat bisher etwa 100 Tote gefordert - der Wirbel um das Virus ist jedoch weltweit groß. © Getty Images / Barcroft Media / Feature China
Philipp Osten im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 28.01.2020
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Um Seuchen aufzuhalten, wurden die Behörden auch schon in früheren Zeiten aktiv: Der "Passport", die Einführung von Ausweispapieren, geht auf den Kampf gegen die Pest zurück, berichtet der Medizinhistoriker Philipp Osten.
Gerade einmal gut hundert Tote hat das aktuelle Coronavirus bisher gefordert. Angesichts von beispielsweise 1,6 Millionen Tuberkulosetoten pro Jahr ist das nicht viel. Aber der weltweite Wirbel um das Coronavirus ist gewaltig. So gesehen sei das ein Ereignis, das sehr überschätzt werde, sagt der Medizinhistoriker Philipp Osten.
Das liegt möglicherweise daran, wie man heute medizinisch an Seuchen herangeht: "Man denkt sie vom Genom her und man denkt daher, welche Gefährdungen kommen auf? Sie erinnern sich an die Vogelgrippe, wo im Prinzip jeder tote Vogel, der auf einer Terrasse in Brandenburg lag, große Aufmerksamkeit erregt hat, weil man eben fürchtete, dass dieses Grippevirus, das die Vögel hatten, auf den Menschen überspringen könnte - und so ähnlich sein könnte wie die verheerende Spanische Grippe von 1918/19."

50 Millionen starben an Spanischer Grippe

Obwohl die Spanische Grippe innerhalb weniger Monate bis zu 50 Millionen Menschenleben kostete, wird vor allem die Pest als Prototyp einer Seuche wahrgenommen. Die Pest raffte im Mittelalter innerhalb weniger Jahre 25 Millionen Menschen, ein Drittel der europäischen Bevölkerung, dahin.
Damals begann auch der Staat mit der Seuchenbekämpfung:"Für die Pest sind tatsächlich die ersten Gesetzgebungen geschaffen worden. Beispielsweise nennen wir ja im Englischen den Pass 'Passport' - pass a porto, also den Hafen passieren dürfen - das war die ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffs", sagt der Medizinhistoriker. "Und die Einführung von Dokumenten, die Personen und Waren aufnahmen, um diesen Güter- und Personenverkehr zu kontrollieren – das ist eine der ersten Maßnahmen, die man beispielsweise in Venedig getroffen hat."
Außerdem habe man Seuchenkordons gezogen, entweder um Orte zu isolieren, in denen die Seuche bereits grassierte, oder um noch nicht betroffene Gebiete zu schützen. "Das hat man bis ins 19. Jahrhundert hinein gemacht – beispielsweise bei der Cholera, die vor München lag in der damaligen Vorstellung."

Choleraepidemie 1892 in Hamburg

Zur letzten großen Choleraepidemie in Europa kam es 1892 in Hamburg. Damals sei von 16.000 Erkrankten die Hälfte gestorben, sagt Osten. Der Tod kam damals aus der Wasserleitung, weil man beim Aufbau der zentralen Wasserversorgung auf eine Filtrationsanlage verzichtet hatte. An diese Epidemie erinnere noch heute eine Hygieia, ein Hygienebrunnen im Rathaushof.
Abriegeln und isolieren - wer Chinas Versuche, eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, altertümlich findet, dem rät Osten zu einem Blick ins aktuelle Bundesinfektionsschutzgesetz: "Da haben die Länder die Erlaubnis, beispielsweise die Freizügigkeit einzuschränken. Das heißt, wir dürfen nicht mehr unseren Aufenthalt bestimmen." Auch sei das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung für den Zweck der Seuchenkontrolle aufgehoben. "Unsere Freiheitsrechte, der Kern unseres Grundgesetzes, steht da zurück."
(uko)
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