Performance auf Kampnagel

Verweigern lernen

Roter Schriftzug - NO
"NO" - einfach mal verweigern! © imago/mm images/Strauß
Von Elisabeth Nehring · 11.12.2014
Mit "Die große Verweigerung" schickt die Hamburger Performancegruppe Ligna die Zuschauer auf Kampnagel in Hamburg via Reenactment in eine fiktive historische Generalstreik-Versammlung. Ein Experiment soll klären, ob sich Verweigerung erlernen lässt.
Die große Verweigerung hat nicht stattgefunden. Bevor der Kongress der zweiten Sozialistischen Internationale im August 1914 überhaupt stattfinden konnte, war der Erste Weltkrieg bereits ausgebrochen. Der Generalstreik, den die Sozialisten geplant hatten, blieb ein unerfüllter, idealistischer Traum von der Verhinderung des Krieges mit den Mitteln eines kollektiven Neins zur Produktion.
Die Hamburger Performancegruppe Ligna führt das Publikum – ausgestattet mit nichts weiter als Kopfhörern – in die fiktive historische Thematik der Generalstreik-Versammlungen ein, eröffnet akustisch eine Welt voll pazifistischer Reden, aber auch ängstlicher Bedenken ("Wer ist hier Kriegsgegner, wer Kriegstreiber? Wer Verräter der Idee?") und säht gleichzeitig Misstrauen zwischen den Mitspielern ("Sehen Sie sich um – könnte Ihr Gegenüber ein Verräter sein?"). Das Interessante: alles, was passiert, müssen wir uns in der Fantasie vorstellen – nur wir, das Publikum, verkörpern dieses Reenactment einer fiktiven historischen Begebenheit.
In die Falle der Konformität getappt
Im zweiten Teil scheucht uns Ligna durch ein "Pädagogium der Verweigerung", eine Lehranstalt, in der wir lernen sollen, uns zu verweigern. Gar nicht so einfach, denn verweigern wir uns den Anweisungen zum Gehen, Stehen, Sitzen, liegen oder Kontakt-aufnehmen, wird’s langweilig, folgen wir brav, bleibt am Ende doch das Gefühl, in die Falle der Konformität getappt zu sein. Der theoretische Überbau, den Ligna zu den Spielanweisungen mitliefert, beschäftigt sich u.a. mit dem Schlaf als Akt der Verweigerung, mit Transparenz und Uneindeutigkeit, mit individuellen Entscheidungen und kollektiven Strömungen, mit Gesten und Idiotismus.
Manch eine dieser Überlegung verfängt sich in den eigenen Gedankenströmen, viele rauschen nach kurzer Verweildauer weiter – sind wir doch ziemlich beschäftigt mit der Choreografie, die aus der Fülle an Handlungsanweisungen entsteht (die aber dem Außenstehenden kryptisch, in ihrer Regelhaftigkeit verborgen bleiben muss). Lignas "Große Verweigerung" ist eine freundliche Versuchsanordnung, die mit gruppendynamischen Prozessen sich dem Thema Verweigerung annähert – ausloten tut sie es nicht.
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