Penis-Skandal bei den Kurzfilmtagen Oberhausen

"Wir wollten das Kino neu erfinden"

Der deutsche Filmemacher Hellmuth Costard, aufgenommen im Oktober 1969.
Filmemacher Hellmuth Costard: Sein Werk "Besonders wertvoll" löste bei den Kurzfilmtagen Oberhausen vor 50 Jahren einen Skandal aus. © picture alliance/dpa/Foto: Rauschnick
Adolf Winkelmann im Gespräch mit Timo Grampes · 03.05.2018
Ein Penis, der das Filmförderungsgesetz vorträgt: Vor 50 Jahren sorgte "Besonders wertvoll" auf den Kurzfilmtagen Oberhausen für einen Eklat. Der Regisseur Adolf Winkelmann blickt auf das turbulente Festival zurück.
Ein sprechender Penis trägt das frisch erlassene Filmförderungsgesetz vor. Danach masturbiert eine Frauenhand das Genital. Es erfolgt eine Ejakulation auf die Kameralinse. Am Ende furzt ein nacktes Gesäß eine Kerze aus.
Ein Film wie "Besonders wertvoll" ist bei der heute startendenden 64. Ausgabe der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen nicht zu erwarten. Vor 50 Jahren sprengte er das Festival. Regisseur Hellmuth Costard lieferte damit einen künstlerischen Kommentar zur Sittewidrigkeitsklausel, die in dem Gesetz enthalten war. "Filme sind von Förderung ausgeschlossen, die das sittliche Empfinden verletzen", hieß es dort. Der Paragraph bot den Behörden ein Instrument zur Beschneidung der Kunstfreiheit. So sahen es Costard und Kollegen.
Die Situation eskalierte, das Festival untersagte die Vorführung von "Besonders wertvoll", daraufhin zogen fast alle deutschen Regisseure ihre Beiträge vom Festival zurück. Darunter auch Adolf Winkelmann, der für Filme wie "Die Abfahrer", "Jede Menge Kohle", "Nordkurve" oder "Contergan" u.a. den Deutschen Filmpreis, die Goldene Kamera, den Adolf-Grimme-Preis und das Bundesverdienstkreuz erhielt.
Adolf Winkelmann am Set zum Kinofilm "Junges Licht"
Der Filmregisseur Adolf Winkelmann © imago / Lumma Foto

Seinerzeit ging es ums Ganze – in Politik und Kunst

"Man muss sich auch die Zeit vor Augen halten", sagte Winkelmann im Kompressor-Gespräch. "Die Filmemacher meiner Generation waren ja angetreten nichts weniger zu machen als das Medium Film und Fernsehen völlig neu zu erfinden. Wir wollten alles anders machen als die vor uns – inhaltlich, politisch, ästhetisch. Der Penis, der die Sittenklausel erklärt, der hat genau beschrieben, was wir damals dachten und fühlten."
68 war die Zeit für schöpferische Zerstörung. Nicht Reform, sondern Revolution lag in der Luft – sogar in Oberhausen, bestätigt Winkelmann:
"Das war sehr rebellisch sogar im Gegensatz zu 1962, da gab es ja das Oberhausener Manifest von Alexander Kluge, Edgar Reitz usw., die hatten ja auch schon mal sich aufgelehnt, aber die haben nur gesagt: Opas Kino ist tot, jetzt machen wir das Kino. Eigentlich so ein ähnliches Kino wie Opa es gemacht hat. Nein, wir wollten eine ganz neue Zeit, wir wollten das Kino neu erfinden."
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