"Pechkekse" im Museumsshop

Die Eintrittskarte zur Hölle

Der "Pechkeks" ist ein Souvenir im Shop des Kasseler Museums für Sepulkralkultur.
Der "Pechkeks" ist ein Souvenir im Shop des Kasseler Museums für Sepulkralkultur. © Ludger Fittkau
Von Ludger Fittkau · 24.12.2017
Glückskekse kennt man aus dem China-Restaurant, aber was sind Pechkekse? Die gibt es im Shop eines Kasseler Museums, das sich mit Bestattungskulturen beschäftigt. Scherze über Tod und Trauer gehören dort zum Konzept.
Jutta Lange stellt einen offenen Pappkarton auf den Tisch des Museumscafés. Der Karton ist bis zum Rand gefüllt mit viereckigen, nur wenige Zentimeter großen, schwarzen Plastiktütchen. Die Kunstwissenschaftlerin greift eine Tüte heraus und reißt sie auf. "Pechkeks" ist außen auf dem Plastik zu lesen:
"Das Pendant ist absolut identisch mit dem Glückskeks. Nur der Keks, Süßgebäck, ist mit schwarzer Asche eingefärbt und der ist ebenfalls schwarz. Hat die gleiche Form und alles ist identisch. Und man kann ihn wie einen Glückskeks aufknacken. Also er ist auch absolut vegan, essbar, man muss sich also nicht fürchten."
Doch der Zettel, der im Pechkeks eingebacken ist, ist von außen mit kleinen Totenköpfen bedruckt. Der Spruch, den Jutta Lange vorliest, als sie den Zettel auseinandergerollt hat, klingt auch nicht gerade tröstlich:
"Es gibt die Hölle wirklich und Du hältst die Eintrittskarte in der Hand."

Särge und Leichenwagen

Es ist zwar nicht das Tor zur Hölle, das die Kasseler Kunstwissenschaftlerin Jutta Lange bewacht. Doch das Museum, in dem sie arbeitet, hätte in früheren Zeiten wohl tatsächlich bei manchen Besuchern Ängste ausgelöst:
"Wir befinden uns hier im Museum für Sepukralkultur. Das ist ein Fachmuseum, das sich nur mit dem Thema Sterben, Tod, Trauern, Bestatten und Erinnern beschäftigt."
Das lateinische Wort "Sepulcrum" wird mit "Grab" oder "Grabstätte" übersetzt. Die Sepulkralkultur wiederum umfasst Dinge, die mit der Bestattung der Toten und dem Erinnern an die Verstorbenen zusammenhängen: Särge oder Leichenwagen, Trauerkleidung und -schmuck, Grabsteine oder Skulpturen. Aber auch Gebrauchsgegenstände, die mit dem Thema Sterben, Tod und Gedenken in Zusammenhang stehen. Das alles wird in Kassel seit 25 Jahren auf 1400 Quadratmetern Fläche gezeigt.
Im deutschsprachigen Raum ist das Museum für Sepulkralkultur vor allem wegen seiner Größe einmalig, so Jutta Lange:
"In der Ausstattung ist das einmalig. Es gibt kleinere Museen. Es gibt das Wiener Bestattungsmuseum in Österreich, das kennt man seit den 70er-Jahren. Es gibt auch noch ein kleines in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof, aber in der Größenordnung, die wir haben, auch Sonderausstellungen zu machen, gibt es das nicht."

Die humorige Seite des Todes

In den Sonderausstellung spielt auch Scherzhaftes zum Thema Sterben und Tod immer wieder eine große Rolle. Es gibt eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Kasseler "caricatura"-Museum für komische Kunst. Das Lachen helfe oft, mit Tod und Trauer besser klarzukommen. Davon ist die Kunstwissenschaftlerin Jutta Lange überzeugt. Deshalb verkaufe man auch den Pechkeks im Museumsshop:
"Wir haben ja 1992 eröffnet und zwar mit einer Karikaturenausstellung. Und das hat eigentlich schon ein bisschen die Inhalte gesetzt. Dass wir auch versuchen, die humorige Seite im Umfang mit Sterben und Tod in den Blick zu nehmen. Besser mit umgehen zu können und auch die Trauer leben zu dürfen, auch im öffentlichen Raum. Das ist auch ein Stück weit unsere Aufgabe, dass wir das vorantreiben mit verschiedenen Formaten, die wir anbieten."

Spenden bitte in die Urne!

Und eben auch mit verschiedenen Objekten im Museumsshop und Café. Auf pechschwarzen Umhängetaschen lässt ein Knochengerüst mit Sense den Korken einer Sektflasche knallen. Aus dem Flaschenhals sprudeln kleine Menschenkörper statt Perlwein. Auf der Theke des Museumscafés ist eine Grab-Urne als Spendendose aufgestellt.
Doch die Schachtel mit den Pechkeksen ist der Renner im kleinen Museumsshop des Kasseler Spezialmuseums – gerade weil man hier am Ende die Eintrittskarte zur Hölle in der Hand hält.

Sie sind das Ende eines jeden Museumsbesuches und oft eine wahre Wunderkammer: Museumsshops. Manche Besucher beginnen hier sogar aus Neugier den Rundgang durchs Haus. Am Ende verlässt man die Ausstellungshäuser beschwert durch hübsche, aber meist unnütze Staubfänger. Doch gibt es neben Bildbänden, Radiergummis, Stiften, Postkarten, T-Shirts und Umhängetaschen auch Gegenstände, die den Geist eines Museums aufs Schönste interpretieren und verkörpern? Wir haben für die "Fazit"-Winterserie wieder unsere Autoren in ihre Lieblingsmuseen geschickt – auf der Suche nach dem ultimativen Objekt.

24.12. Ultimatives Objekt #1
Kassel: "Pechkekse" als Eintrittskarte zur Hölle (Von Ludger Fittkau)

25.12. Ultimatives Objekt #2
Buenos Aires: Evita als Metall-Relief (Von Victoria Eglau)

26.12. Ultimatives Objekt #3
Paris: Die Postkartendame von 1760 (Von Jürgen König)

27.12. Ultimatives Objekt #4
London: Ai Weiwei-Gliederpuppe aus Holz (Von Friedbert Meurer)

28.12. Ultimatives Objekt #5
Weimar: "Faust I" und "Faust II" als Handschuhe (Von Henry Bernhard)

29.12. Ultimatives Objekt #6
Wismar: Die Wasserrakete zum Selbstbasteln (Von Silke Hasselmann)

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