Paul Theroux: "Ein letztes Mal in Afrika"

Das Abschiedsbuch eines Reiseschriftstellers

Buchcover: "Ein letztes Mal in Afrika" von Paul Theroux. Im Hintergrund ein südafrikanisches Township.
Buchcover: "Ein letztes Mal in Afrika" von Paul Theroux. Im Hintergrund ein südafrikanisches Township. © Verlag Hoffmann und Campe / dpa / Ralf Hirschberger
Von Marko Martin · 13.04.2017
Seit Jahrzehnten ist Paul Theroux auf allen Kontinenten unterwegs. "Ein letztes Mal in Afrika" hat der US-amerikanische Romancier und Reiseschriftsteller mit ungebrochener Neugierde und Empathie verfasst - ein berührendes und reflektiertes Abschiedsbuch.
Was für Abschiede! Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte der englische Schriftsteller Evelyn Waugh seinen ironischen Abgesang "Als das Reisen noch schön war", eine mit hochgezogenen Gentleman-Brauen geschriebene Philippika gegen die zunehmende Banalisierung des Unterwegs-Seins. Vor allem dem alten Abessinien wurde hier nachgetrauert; eine Sentimentalität, die sich Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul nie gestattet hätte.
Dabei ist dessen 2010 erschienenes Buch "Afrikanisches Maskenspiel" gleich ein doppelter Abgesang - auf das Reisen und das Schreiben, die nach seiner harschen Meinung beide obsolet geworden seien. Und nun, als Dritter im Bunde, Paul Theroux, 1941 in Massachusetts geboren, doch die meiste Zeit seines Lebens auf allen Kontinenten unterwegs: "Ein letztes Mal in Afrika".

Geplante Überlandreise abgebrochen

Ein alt gewordener Mann steigt in Südafrika in einen Bus, lässt sich durch Namibia rütteln, wird Zeuge der deprimierenden Realität im nur oberflächlich boomenden Angola und bricht schließlich die geplante Überlandreise ab, da im fernen Timbuktu nicht sanfte Gelehrsamkeit wartet, sondern eine durch islamistischen Terror verheerte Wirklichkeit.
So ließe sich dieses Reisebuch resümieren, wobei freilich noch nichts gesagt wäre über Theroux´ Prosastil, der bereits seine zahlreichen anderen Berichte, Erzählungen und Romane ausgezeichnet hatte: Ein reflektiertes Fabulieren, bei dem - im Unterschied zu seinem früheren Afrika-Reisegefährten und späteren erbitterten Gegner V.S. Naipaul - anthropologisch grundierte Skepsis niemals zu rassistischer Misanthropie wird und die eigene körperliche Gebrechlichkeit nicht als Symbol herhalten muss für ein banales "Es wird immer schlimmer".
Im Gegenteil, die Neugierde und Empathie, vor allem aber die Beschreibungspotenz sind ja ungebrochen: Von Kapstadts Wellness-Nobelhotels in die Notstandsgebiete der Townships, durch eine berückende namibische Wüstenlandschaft bis hoch in Angolas Hauptstadt Luanda, wo westliche Geschäftsleute mit Regimevertretern um die Einnahmen aus den sprudelnden Ölvorkommen raufen und die Bevölkerung weiterhin in Kloaken vegetiert.

Nachdenklichkeit statt Voyeurskitzel

Theroux' Müdigkeit - Resultat jener stundenlangen Busreisen bei Hitze und Gedränge, grummelndem Magen und beginnenden Herzschmerzen - schiebt sich keineswegs wohlfeil über das Erlebte, sondern gebiert intellektuelle Skrupel, die man auch so manch anderen, aufgekratzt pseudo-engagierten Büchern wünschen würde: Was außer befriedigtem westlichen Voyeurskitzel wäre denn gewonnen, das Ewiggleiche afrikanischer Stadt-Malaise zu beschreiben, sich danach wieder aus dem Staub zu machen oder in jede verfügbare Kamera hinein zu posaunen, wie dies die von Paul Theroux herzlich verachteten Alt-Popstars Bono und Sir Bob Geldof tun? "Einst begann ich mein Reisen, um unterschiedliche Landschaften und Menschen kennenzulernen, und nicht, um in immer neuen Varianten Großstadt zu erleben."
Dieses verstörende Buch, in dem keine einzige Zeile in Klischee oder Ressentiment rutscht, ist bei aller stilistischen Geschmeidigkeit ein einziger Widerhaken, der provoziert: zu genauer Lektüre, vielleicht ja sogar zu Widerspruch.

Paul Theroux: Ein letztes Mal in Afrika
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Sigrid Schmid und Reiner Pfleiderer
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2017
415 Seiten, 26,00 Euro

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