Skurrile Erlebnisse eines Hotelmanagers

Vorgestellt von Johannes Kaiser · 07.06.2005
Es ist nicht gerade ein Traumjob, der ihm angeboten wird, doch der Ich-Erzähler hat kaum die Wahl. Er ist ausgebrannt, eine Scheidung hat ihn arm gemacht, außerdem hat er eine neue Frau und eine Tochter, die versorgt werden wollen. Also schlägt er ein, als ihm der Hotelbesitzer Buddy Hamstra anbietet, Manager seines 80-Zimmer-Hotels Honolulu zu werden - nicht gerade ein Nobelschuppen, eher zweite Wahl, etwas heruntergekommen.
Was den Erzähler reizt, ist die Möglichkeit, in das Leben Fremder hineinzuschauen. Für ihn ist ein Hotelzimmer ein Altar der Intimität - er glaubt, mit der richtigen Wahl das Leben seiner Gäste beeinflussen zu können. Dafür hört er ihnen aufmerksam zu. Und es sind nicht wenige, die sich ihren Kummer von der Seele reden wollen. Ihm vertraut man und so erfährt er zahllose kleine und große Geheimnisse. Der Manager ist für alle so eine Art Beichtvater, auch weil er sich aus allem heraushält.

Das erlaubt es dem amerikanischen Schriftsteller Paul Theroux, absonderliche und skurrile, anrührende und empörende Lebensläufe vor uns auszubreiten. Das reicht vom Millionär, der sich aus Liebe zu einem jungen Mädchen mit dem Schlips in der Autotür erhängt bis zum Schreiner, der als Dauergast mit Dauerwohnrecht in seinem Zimmer einen Sarg schreinert, was man allerdings erst merkt, als er nicht mehr auftaucht und man ihn im eigenen Sarg aufgebahrt vorfindet. Natürlich kommt auch die Liebe in diesem Hotel nicht zu kurz, sowohl die käufliche als auch die eheliche und außereheliche.

Als roter Faden zieht sich die Geschichte des alten Hotelbesitzers und dessen blutjunger Frau von den Philippinen durch die achtzig Kapitel des Buches. Es ist eine Art Episodenroman. Paul Theroux, der sich vor allem mit seinen außergewöhnlichen Reiseberichten einen Namen gemacht hat, wendet hier denselben Trick an, den seine Reisebüchern so außergewöhnlich machen: er zeichnet die Lebensgeschichten seiner Gesprächspartner auf. Ob nun echt oder erfunden - allmählich ergibt sich ein ungeschminktes Bild der Insel Hawaii und ihrer Bewohner, der Zugereisten wie der Touristen - kein sehr schmeichelhaftes, voll abschreckend-gemeiner Details. Ganz bestimmt keine Reiseprospektwerbung. Paul Theroux’s Roman erweist sich als langer, manchmal ermüdender Kommentar zu den Absonderlichkeiten des Lebens, der Liebe und der Seele. Er hat schon Spannenderes als diese Geschichten aus zweiter Hand geschrieben. Amüsant sind sie dennoch.

Paul Theroux: Hotel Honolulu
Übersetzung Theda Krohm-Linke
Ullstein Verlag 2005 Berlin
480 Seiten
24,90 Euro