Patricia Schultz: "1000 Places To See Before You Die"

Gebrauchsanweisung für die Wohnzimmerreise

04:55 Minuten
Das Cover von Patricia Schultzs "1000 Places To See Before You Die" vor Deutschlandfunk Kultur Hintergrund.
Patricia Schultz: "1000 Places To See Before You Die". © Ullmann / Deutschlandradio
Von Dirk Fuhrig · 06.04.2020
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Er ist ein Klassiker unter den Reiseführern - nun erscheint "1000 Places To See Before You Die" wieder einmal in einer aktualisierten Neuauflage. In Zeiten eingeschränkter Bewegungsfreiheit muss man ihn lesen wie einen Roman. Funktioniert vorzüglich.
"1000 Places To See Before You Die" ist seit 2003 der ultimative Führer für Globetrotter. Die New Yorker Autorin Patricia Schultz hat das Werk seither immer wieder überarbeitet und aktualisiert, jetzt ist eine weitere Neuauflage erschienen. "Mich aber zieht und zerrt es unaufhörlich in die Ferne" - so zitiert Schultz den "Moby Dick"-Autor Herman Melville. Der Drang, das Haus zu verlassen und in ferne Regionen aufzubrechen, zählt zu den Grundkonstanten der modernen Zivilisation.
Wer in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, kann von der Ferne nur träumen. Man muss diesen Reiseführer daher wie einen Roman lesen: als Kopftheater, als Anleitung zum Traum-Urlaub, zur Wohnzimmer-Reise. Die Fantasie schweifen lassen bei den Beschreibungen der Herrlichkeiten, die der Globus zu bieten hat: den Palast von Persepolis im Iran etwa oder die vertikale Altstadt von Sanaa im Jemen - zwei Orte, die man allerdings auch wegen kriegerischer Auseinandersetzungen schon lange nicht mehr besuchen kann - die Patricia Schultz aber so plastisch schildert, dass man sofort alle Hebel in Bewegung setzten möchte, um hinzukommen.

Überraschendes und Altbekanntes

Gleiches gilt für die wundersamen Drachenbäume auf der dem Jemen vorgelagerten Insel Sokotra. Oder wann waren Sie zum letzten Mal im "Palast der Winde"? Der steht in Jaipur im indischen Bundesstaat Rajasthan.
Und wer weiß schon, dass Copacabana nicht nur der Sehnsuchts-Strand von Rio de Janeiro ist, sondern auch der Name eines Pilgerorts am Titicacasee, hoch oben in den bolivianischen Anden? Patricia Schultz mischt Überraschendes mit Altbekanntem; sie schwärmt von den Geheimnissen der "Lowcountry"-Küche in South Carolina ebenso wie von der Dachkonstruktion des Opernhauses von Sydney, vom Burj Khalifa in Dubai oder der Akropolis in Athen. Der 1200 Seiten dicke Schmöker ist nach Weltregionen gegliedert, nicht streng nach Ländern. Die Übersetzung ins Deutsche ist zwar ein bisschen holprig, aber der Charme von Patricia Schultz’ knappem, meinungsstarkem Stil geht auch in der Übertragung nicht verloren.

Kulinarische Abstecher

Die Autorin gibt keine Reiserouten vor, sondern präsentiert eine teils objektive, häufig aber auch sehr subjektive Auswahl einzelner Sehenswürdigkeiten, Naturwunder und beeindruckender Landschaften. Die "1000 Places" sind ein Kulturreiseführer für Individualtouristen, keine Geheimtipp-Sammlung für Pauschal- und Strandurlaub. Daher gibt es auch Kapitel über belgisches Bier und Pommes frites und kulinarische Abstecher, etwa in den Feinschmecker-Tempel "Traube Tonbach" im Schwarzwald.
In diesem Buch wird der Lust an den Schönheiten der großen weiten Welt hemmungslos gefrönt. Natürlich lassen sich viele Städte und Landschaften heutzutage virtuell bereisen, also vor dem Fernseh- oder Computerbildschirm. Dass solche Bilder die unmittelbare Erfahrung nicht ersetzen und von der Aura eines Ortes nicht mehr als einen Hauch vermitteln können - auch das zeigt diese Bibel für alle Fernweh-Geplagten.

Patricia Schultz: "1000 Places To See Before You Die - Die neue Lebensliste für den Weltreisenden"
Aktualisierte Neuauflage
Vista Point, Potsdam 2020
1220 Seiten, 15 Euro

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