"Pater noster" im richtigen Tonfall

Von Ingeborg Rüthers |
Was ist bei einem Ringkuss im Vatikan zu beachten? Und wie beugt ein Kardinal sein Knie? Auch für das Filmteam des ARD-Zweiteilers "Gottes mächtige Dienerin" waren das schwierige Fragen. Um möglichst nah an der Wirklichkeit zu bleiben, begleitete ein Theologe die Dreharbeiten.
"Nicht! Vielleicht sollte der Heilige Vater an seinen Magen denken."

"Der Papst ist ein Liebhaber der Schokolade gewesen und Pascalina, ja, weiß, wie heikel die Gesundheit des Papstes ist. Hier zeigt sich natürlich auch die Vertrautheit, die zwischen beiden herrscht. Er zieht dann die Hand zurück und weiß, dass ihm eigentlich was Gutes getan wird."
Wie kaum ein anderer kennt Ulrich Nersinger die historischen Gepflogenheiten im Vatikan zu Zeiten von Papst Pius XII. Vor allen Dingen kennt er das strenge Protokoll im Vatikanstaat der 40er Jahre. Damals war die bayerische Ordensschwester Pascalina die Haushälterin und Vertraute des Papstes. Ulrich Nersinger hat u. a. in Rom Theologie studiert und das Leben im Vatikan unter die Lupe genommen.

"Es gibt dann eben vor Ort Fragen. Da kommt dann ein Telefonanruf, und dann versuche ich zu helfen, z. B. wie steht Schwester Pascalina da, wie verhält sie sich gegenüber dem Papst, ist sie zurückhaltend, auch eben, wie ihre Körperhaltung ist. Ich versuche es dann zu erklären aus den Quellen, aus den Fotos und aus allen möglichen Informationen, weiß, wie man sich in dieser Zeit verhalten hat, wie es sich vermutlich abgespielt hat. Das Milieu, in dem wir uns bewegen, der Vatikan des päpstlichen Hofes, ist doch ein sehr unbekanntes Gebiet. Ich habe wirklich sehr lange Gespräche mit Schauspielern geführt, manchmal am Telefon, manchmal am Set, damit man etwas von der Atmosphäre erfährt."

"Was die Menschen seiner Heiligkeit alles so schenken. Und sie meinen, ich darf über das alles hier...? Wir könnten Hilfsgüter an Gefangenenlager schicken und an Krankenhäuser."

Die Szene spielt in einem der Magazine des Vatikans. Hier hat Papst Pius XII. alles aufbewahrt, was er im Laufe seiner Amtszeit geschenkt bekommen hat, darunter Bilder, Medikamente, Kelche oder Messgewänder. All das möchte er verkaufen, damit Schwester Pascalina ihm ein Hilfswerk aufbauen kann.

"Er weiß, wie sie organisieren kann, wie sie sich durchsetzen kann, wie sie Quellen und Möglichkeiten findet, das an den richtigen Mann zu bringen. Und er glaubt eben, dass es eben das Beste ist, dass sie das in die Hand nimmt, und zwar, dass sie auch völlig freie Hand damit hat. Er möchte da konkret helfen, er möchte nicht nur die offiziellen Wege gehen, sondern alle Möglichkeiten ausnutzen, die sich ihm erschließen."

Der Fernsehfilm "Gottes mächtige Dienerin" erzählt aus der Sicht von Schwester Pascalina, die dem Papst 40 Jahre zur Seite stand. Der Regisseur Marcus O. Rosenmüller versucht, sich der Person Pius XII. vorurteilsfrei zu nähern und sein Pontifikat von 1939 bis 1958 sachlich darzustellen. Dazu trägt auch sein Experte bei, der sich seit über zwanzig Jahre mit der Historie des Vatikans beschäftigt. Besonders bei den Audienz-Szenen ist die Filmcrew auf Ulrich Nersingers Rat angewiesen.

"Szenen in dem Vatikan in den 30er, 40er und 50er Jahren sind sehr bunt, aber auch sehr ungewohnt, sogar für die renommierte Kostümbildnerin Miriam Musche. Es ist dann doch sehr schwierig, in diese Materie hinein zu kommen. Die Gewänder der Priester, der Prälaten, die Uniformen. Da gibt es ganz festgesetzte Zeremonien, Rituale. Es gibt für jede Gruppe, die dort agiert, ein kleines Libretto, das genau regelt, was die Person trägt, wie sie agiert, wen sie zu grüßen hat, wie sie sich sonst in dem Raum zu verhalten hat. Alles das versuche ich dann natürlich, in den Film mit hineinzubringen."

Dazu gehört auch, dass man dem Papst bei der Begrüßung den Ring küsst. Der Vatikan-Experte erklärt der Hauptdarstellerin Christine Neubauer den genauen Ablauf, die Choreografie dieses Rituals:

"Ich hab ihr gesagt, wie sie die Knie zu beugen hat, dass sie den Ring leicht berührt, sodass die Lippen über dem Ring schweben."

Auch der italienische Schauspieler Remo Girone als Papst Pius XII. hat sich auf Ulrich Nersingers Ratschläge eingelassen. Von ihm ließ er sich erklären, wie intensiv der Papst lateinisch gebetet hat, wie seine Handhaltung war, und wie er das Paternoster betont hat.

"Man kann z. B. sagen "pater noster"," (betont die Worte italienisch) "aber "pater noster" (betont die Worte latainisch) "wäre dann etwas kühler, und man muss dann natürlich bei einem Italiener einen Mittelweg finden.""

Der Theologe war öfter am Set und immer wieder überrascht, wie der Regisseur auf seine Vorschläge einging.

"Es ist nicht so notwendig, dass du da so schnell dahin rennst, sonst wirkt es zu zielstrebig das sagen mit dem Gefangenenlager."

Auch bei dieser Szene im Magazin hat Marcus O. Rosenmüller das Wissen seines Beraters über das vatikanische Protokoll in seine Regieanweisungen einfließen lassen.

"Ich habe immer versucht, aufzuzeigen, wie bestimmte Personen im Vatikan agieren, dass bestimmte Leute also nicht einfach schnell agieren, sondern behäbig, etwas zurückhaltend – dass auch eine Etikette eingehalten wird dass ist natürlich auch eine ganz spezifische Sache, die mit dieser Zeit auch zusammenhängt."

Auf die Besetzung der Rollen hatte Ulrich Nersinger aber keinen Einfluss. Seine anfängliche Skepsis bezüglich Christine Neubauer als Pascalina verflog ziemlich schnell.

"Wer sie erlebt hat beim Set oder auch in der Ordenstracht erlebt hat, ist überrascht und fasziniert, mit welcher Professionalität sie an die Sache herangeht und wie sie auch diese Schwester, die ja eine eigene Persönlichkeit war, herüberbringt. Sie hat auch selber gesagt, sie empfindet ein bisschen Identität mit Pascalina. Und ich glaube, das hat ihr geholfen, in die Rolle hinein zu schlüpfen."
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