"Pius XII. war sehr rechts stehend"
Für jedermann sichtbar wurden die Juden verfolgt, in Todeslager deportiert, seit 1943 auch in Rom – aber angesichts dieser Verbrechen ist "der Papst stumm geblieben". Das war Saul Friedländers Resümee in seinem Buch "Pius XII. und das Dritte Reich", erschienen 1964, zur selben Zeit, als Rolf Hochhuths Bühnen-Stück "Der Stellvertreter" Aufsehen erregte.
Der Theaterskandal ist vergessen, die sorgsam recherchierte Studie des Historikers aber kommt dieser Tage in einer Neuauflage heraus, ergänzt nur um ein Nachwort. Wesentliche neue Fakten haben sich kaum ergeben, auch wenn der Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung seinen Gastredner mit der Bemerkung empfängt, die Diskussion um Pius XII. habe sich ja mit Öffnung der Vatikan-Archive entspannt. Saul Friedländer:
"Ich weiß nicht, was ich hier tue – eigentlich sollte ich schon auf dem Weg nach Rom sein. Leider ist es nicht so. Die Archive sind in der Tat etwas geöffnet worden. Aber leider ab März 1939 und dann durch den Krieg hindurch und weiter sind die Archive ganz geschlossen."
Bei seinen Recherchen stützte sich Friedländer vor allem auf die Gesprächsprotokolle deutscher Diplomaten, darunter der damalige Staatssekretär Ernst von Weizsäcker. Aber auch Zeitungsberichte und offizielle Verlautbarungen des Vatikan ergaben Mosaiksteine für eine Charakterisierung von Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII.
"Seine große Sorge, schon vor dem Krieg, war die Verbreitung des Kommunismus. So verstand ich es 1964, also: nicht Pro-Nazi, sondern Antibolschewismus."
Unter Pius XI. hatte Pacelli Karriere gemacht - und er übertraf diesen ausgewiesenen Antimodernisten noch in seiner äußerst konservativen Haltung: Gleich nach seinem Amtsantritt hob Pius XII. eine Exkommunikation auf, die sein Amtsvorgänger gegen die rechtsextreme Action francaise ausgesprochen hatte. Auf solchen Vorgängen beruht Friedländers damals schon sorgsam erwogenes Urteil - in dem er vor kurzem durch neue Erkenntnisse des Historikers Hubert Wolf bestärkt wurde. Friedländer:
"Papst Pius XII. war sehr rechts stehend. In den dreißiger Jahren, und das wusste ich nicht, sagte er am Anfang: Hitler ist der einzige Staatsmann, der sich gegen den Bolschewismus ganz klar geäußert hat – außer dem Papst selbst."
Die Ursachen solcher Denkfiguren, die das politische Handeln von Pius XII. bestimmten, fand Friedländer auch in der Biographie des Kirchendiplomaten, der 1919 während der Münchener Räterepublik seinen Dienstwagen einbüßte:
"Für ihn war Antikommunismus das Leitmotiv seines politischen Denkens. Er selbst hatte etwas schwierige Erlebnisse mit den deutschen Kommunisten in München, sein Wagen wurde beschlagnahmt. Und er sagt alles Schlimme über diese Sowjetleute - und die Juden und Jüdinnen, die da sitzen, benehmen sich schlecht und so weiter. Also da wird Bolschewismus und die Juden ganz nahe zusammen gebracht."
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß Pius XII. nur ausweichend antwortete, als der Berliner Bischof von Preysing ihn im März 1943 bat, öffentlich für die verfolgten Juden einzutreten. Damals, so Friedländer, schwieg nicht nur der Papst, auch der Vatikan als Institution versagte. Die Kirchenoberen wussten, dass deutsche Bischöfe, die zu Stellungnahmen gegen die Deportationen bereit waren, schweigen würden, wenn nicht der Papst selbst die Initiative ergriff. Friedländer:
"Die Passivität des Papstes hat die katholische Welt gelähmt. Es gab katholische Institutionen, die Juden retteten – meistens Kinder. Man kann sagen, diese Initiative kam von unten. Aber man hat nie eine Weisung des Papstes gefunden. Die den Befehl gab 'man muss die Juden retten'. Man hat auch nicht das Gegenteil gefunden."
Warum aber dann die fortdauernde, immer noch sehr heftige Diskussion? Es liegt wohl daran, dass Pius XII. heiliggesprochen werden soll. Dass der Vatikan dafür nicht endlich seine Archive öffnet, wundert Friedländers Gesprächspartnerin Rachel Salamander. Der Historiker aber bleibt bei seinem Urteil - abgewogen und bei genauem Hinhören scharf nuanciert:
"Nationalsozialismus ist das Böse schlechthin, wenn man für etwas Böses ein Beispiel geben will, dann sagt man Adolf Hitler. Nun, da musste unbedingt die Kirche damals sich auf der Seite des Guten ohne irgendwelche Kompromisse finden. Und da muss unbedingt irgendwie dieser Papst, der Papst dieser Kriegszeit, Pius XII., heiliggesprochen werden. Nur weiß man nicht, wie viel Gutes er getan hat."
"Ich weiß nicht, was ich hier tue – eigentlich sollte ich schon auf dem Weg nach Rom sein. Leider ist es nicht so. Die Archive sind in der Tat etwas geöffnet worden. Aber leider ab März 1939 und dann durch den Krieg hindurch und weiter sind die Archive ganz geschlossen."
Bei seinen Recherchen stützte sich Friedländer vor allem auf die Gesprächsprotokolle deutscher Diplomaten, darunter der damalige Staatssekretär Ernst von Weizsäcker. Aber auch Zeitungsberichte und offizielle Verlautbarungen des Vatikan ergaben Mosaiksteine für eine Charakterisierung von Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII.
"Seine große Sorge, schon vor dem Krieg, war die Verbreitung des Kommunismus. So verstand ich es 1964, also: nicht Pro-Nazi, sondern Antibolschewismus."
Unter Pius XI. hatte Pacelli Karriere gemacht - und er übertraf diesen ausgewiesenen Antimodernisten noch in seiner äußerst konservativen Haltung: Gleich nach seinem Amtsantritt hob Pius XII. eine Exkommunikation auf, die sein Amtsvorgänger gegen die rechtsextreme Action francaise ausgesprochen hatte. Auf solchen Vorgängen beruht Friedländers damals schon sorgsam erwogenes Urteil - in dem er vor kurzem durch neue Erkenntnisse des Historikers Hubert Wolf bestärkt wurde. Friedländer:
"Papst Pius XII. war sehr rechts stehend. In den dreißiger Jahren, und das wusste ich nicht, sagte er am Anfang: Hitler ist der einzige Staatsmann, der sich gegen den Bolschewismus ganz klar geäußert hat – außer dem Papst selbst."
Die Ursachen solcher Denkfiguren, die das politische Handeln von Pius XII. bestimmten, fand Friedländer auch in der Biographie des Kirchendiplomaten, der 1919 während der Münchener Räterepublik seinen Dienstwagen einbüßte:
"Für ihn war Antikommunismus das Leitmotiv seines politischen Denkens. Er selbst hatte etwas schwierige Erlebnisse mit den deutschen Kommunisten in München, sein Wagen wurde beschlagnahmt. Und er sagt alles Schlimme über diese Sowjetleute - und die Juden und Jüdinnen, die da sitzen, benehmen sich schlecht und so weiter. Also da wird Bolschewismus und die Juden ganz nahe zusammen gebracht."
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß Pius XII. nur ausweichend antwortete, als der Berliner Bischof von Preysing ihn im März 1943 bat, öffentlich für die verfolgten Juden einzutreten. Damals, so Friedländer, schwieg nicht nur der Papst, auch der Vatikan als Institution versagte. Die Kirchenoberen wussten, dass deutsche Bischöfe, die zu Stellungnahmen gegen die Deportationen bereit waren, schweigen würden, wenn nicht der Papst selbst die Initiative ergriff. Friedländer:
"Die Passivität des Papstes hat die katholische Welt gelähmt. Es gab katholische Institutionen, die Juden retteten – meistens Kinder. Man kann sagen, diese Initiative kam von unten. Aber man hat nie eine Weisung des Papstes gefunden. Die den Befehl gab 'man muss die Juden retten'. Man hat auch nicht das Gegenteil gefunden."
Warum aber dann die fortdauernde, immer noch sehr heftige Diskussion? Es liegt wohl daran, dass Pius XII. heiliggesprochen werden soll. Dass der Vatikan dafür nicht endlich seine Archive öffnet, wundert Friedländers Gesprächspartnerin Rachel Salamander. Der Historiker aber bleibt bei seinem Urteil - abgewogen und bei genauem Hinhören scharf nuanciert:
"Nationalsozialismus ist das Böse schlechthin, wenn man für etwas Böses ein Beispiel geben will, dann sagt man Adolf Hitler. Nun, da musste unbedingt die Kirche damals sich auf der Seite des Guten ohne irgendwelche Kompromisse finden. Und da muss unbedingt irgendwie dieser Papst, der Papst dieser Kriegszeit, Pius XII., heiliggesprochen werden. Nur weiß man nicht, wie viel Gutes er getan hat."