Parks als Fitnessstudio

Push-ups am Klettergerüst

05:34 Minuten
Zwei Männer trainieren in einem Park mit Sportgeräten.
Turngeräte für Erwachsene in Parks sind momentan sehr gefragt: Für manchen sind sie der Ersatz fürs Fitnessstudio. © picture alliance / dpa-tmn / Christin Klose
Von Daniela Siebert · 10.12.2020
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Weil Fitnessstudios, Turn- und Schwimmhallen weiterhin geschlossen sind, treibt es viele Sportler nach draußen, auch in Berlin. So kann man in den Parks derzeit Trainierende aus allen Bereichen beobachten, von Kickboxern bis zu Fußballern.
Der kleine Wartburgplatz in Berlin-Schöneberg, Samstagvormittag, das Thermometer zeigt ungefähr fünf Grad über null. Eine Taekwondo-Trainerin schreit mitten auf der Wiese Kommandos und zeigt die gewünschten Bewegungen. Vor ihr mit gebührendem Abstand sechs Kinder im Grundschulalter. Teils in Freizeitklamotten mit Mütze auf, teils im weißen Taekwondo-Anzug und Anorak darüber.
Nach ein paar Hampelmannsprüngen zum Aufwärmen geht es recht schnell an die typischen Faust-Schläge und Fußtritte. Nach vorne - in die Luft.
Ein paar Meter weiter schlendert ein Mann auf und ab. Er wartet auf seine Tochter Marlene, die hier mitmacht. "Es gibt einmal Online-Taekwondo unter der Woche", sagt er.
"Es ist so und so ätzend für die Kinder, nur noch zu Hause zu hängen. Und am Wochenende sind wir im Park, dass sie mal rauskommen, damit sie frische Luft und Bewegung haben. Ich find es super! Für uns Eltern ist es nicht so cool, eine Stunde im Kalten rumzustehen, aber für die Kinder ist es super."
Auf einer der Parkbänke wartet ein anderer Vater. Seine Tochter ist sieben und hat erst vor vier Wochen mit Taekwondo angefangen:
"Sie hat schon einen großen Fortschritt gemacht und sie kommt gerne, egal ob es kalt ist oder warm. Eigentlich besuchen wir eine Taekwondoschule, die in der Nähe von unserem Haus ist. Aber durch den Lockdown ist die Schule zu und so ist das die beste Zwischenlösung."

Mehrmals die Woche an die Parkgeräte

Wenige Hundert Meter weiter, im Volkspark Wilmersdorf: Hier stehen ganzjährig Tischtennisplatten mit Steinbelag und Netz aus Metall. Hier spielen gerade Kerstin und Astrid zusammen Tischtennis. Die eine mit Stirnband aus Wolle, die andere mit Pudelmütze und Handschuhen.
"Also tatsächlich habe ich mir die Tischtennisschläger gekauft, als es hieß, der Lockdown soll wiederkommen", sagt eine der beiden. Sie hätten das schon im Frühjahr beim ersten Lockdown gemacht.
"Wahrscheinlich würde ich auch eher ins Fitnessstudio gehen und irgendwelche Fitnesskurse machen. Aber es macht Spaß und man kann sich ja entsprechend anziehen."
Im Volkspark stehen auch dauerhaft ein paar Turngeräte für Erwachsene. Die sind seit Anfang November gut frequentiert, vor allem von jungen, sehr muskulösen Männern. An einem komplexen Gerüst aus Reckstangen sind zusätzlich mitgebrachte Turnerringe und ein Schlingentrainer montiert.
Pearce steht im weiten Ausfallschritt davor, den hinteren Fuß schwebend in einer der Schlaufen. Balance- und Muskeltraining in einem sozusagen. Er sei schon fast fertig mit seinem Programm für heute, erklärt Pearce.
"Je nachdem, welcher Tag heute ist, also heute ist Oberkörper angesagt gewesen. Vier bis fünf Mal pro Woche, wie vorher Studio, jetzt halt hier."

Als "Gymratte" nach draußen

Pearce trägt auch ganz normale Fitnesskleidung, obwohl es grau und kalt ist. Auch sein Kumpel Salim in Jogginghose und Kapuzensweater übt hier regelmäßig.
"Man muss ja trainieren. Ich bin eigentlich eher eine Gymratte, sag‘ ich mal. Ich trainiere lieber drinnen. Mir ist es zu kalt, aber ich bin eben trainingssüchtig, deshalb geh ich jetzt auch hierher."
Zwei Meter weiter macht Bastian einarmigen Liegestütz, in seitlicher Position. Auch er ist derzeit oft hier, weil das Fitnessstudio zu hat.
"Es macht Spaß: Man hat Ringe, an denen man arbeiten kann. Man kann mit denen relativ viele Übungen machen. Eigentlich so wie im Fitnesszentrum auch. Eine Stunde Training – Klimmzüge, Push-ups, also man kann gut trainieren!"
Besucher des Volksparks Wilmersdorf spielen zwischen heruntergefallenem Herbstlaub und bunt gefärbten Bäumen Tischtennis.
So mancher hat in Tischtennis-Schläger investiert angesichts des zweiten Corona-Lockdown.© picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
An einer anderen Stelle umzäunen drei Meter hohe Gitter einen kleinen Basketballplatz. Mehrere kleine Jungs werfen ihre Bälle auf die Körbe. Doch in einer Ecke liegt eine Art Strickleiter auf dem Boden und die 23-jährige Jette macht auf Anweisung ihres Trainers tänzelnde Bewegungen über die Felder. Die Hände vorm Oberkörper wie beim Boxen.
Was genau sie da denn üben, frage ich die beiden in einer Pause.
"Boxen, Kickboxen. Die Beinarbeit kommt mehr vom normalen Boxen. Das ist mein allererstes Training – das wollte ich immer schon mal machen. Und jetzt habe ich halt die Gelegenheit, mit einem Boxer zu trainieren."

Einzeltraining für Fußball

Ortswechsel: Wedding, Schillerpark. Ein Mädchen im Trainingsanzug lässt gekonnt einen Fußball über ihren Füssen tanzen. Ganz allein auf einer riesigen Wiese, unter dem wachsamen Blick ihres Trainers.
"Es ist natürlich schon ärgerlich, wenn man nicht richtig trainieren kann, weil Fußball ist natürlich ein Mannschaftssport, kein Einzelsport."
Die 16-Jährige hat Einzeltraining. Mehr sei nicht erlaubt, sagt ihr Trainer Jens Meier vom Verein Berolina Mitte.
"Wir hätten eigentlich drei Mal in der Woche eine Trainingszeit auf dem Sportplatz hier in Mitte. Die können wir aktuell wegen der Coronaverordnung nicht nutzen."
Eine Stunde Zeit nimmt er sich jetzt stattdessen immer für jede Spielerin, einzeln im Park. Bis Mitte Dezember will er das Modell durchhalten, wenn das Wetter mitspielt. Die Parole heißt: Zweckoptimismus:
"Seitdem der Lockdown ist, treffen wir uns hier am Wochenende und versuchen, das Beste draus zu machen."
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