Palästina-Israel-Konflikt

Die zweite Intifada als blinder Fleck

27:11 Minuten
Hamas-Sympathisanten protestieren vor dem Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem nach dem letzten Freitagsgebet im Ramadan gegen Gewalt seitens Israel.
Hamas-Sympathisanten protestieren vor dem Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem nach dem letzten Freitagsgebet im Ramadan gegen Gewalt seitens Israel. © picture alliance / AA / Khila Mahrm
Von und mit Benjamin Hammer · 02.05.2022
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Auch nach den jünsten blutigen Unruhen umschifft die neue israelische "Regierung des Wandels" weiter die sogenannte Palästinenserfrage. Das hängt auch mit der zweiten Intifada zusammen, die ab 2000 das Vertrauen zwischen den Konfliktparteien zerstörte.
Anschläge in Israel und Zusammenstöße auf dem Tempelberg zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern: Dieser blutigen Routine hat auch die neue „Regierung des Wandels“ nichts entgegenzusetzen. Sie umschifft die sogenannte Palästinenserfrage seit ihrem Amtsantritt, und das liegt auch an den gegensätzlichen Positionen der acht Parteien.
Erst vor kurzem wechselte eine Abgeordnete von Premierminister Bennetts eigener Fraktion zur rechten Likud-Partei – was zu einem Patt von 60 zu 60 Sitzen in der Knesset führte. Und die arabisch-israelische Ra’am-Partei lässt deshalb ihre Regierungsarbeit vorerst ruhen.

Verlorenes Vertrauen seit der zweiten Intifada

Doch diese Leerstelle der israelischen Politik hängt auch mit der zweiten Intifada zusammen, die von 2000 bis 2005 dauerte, und die das Vertrauen zwischen den Israelis und den Palästinensern komplett zerstörte.
Der Höhe- und Wendepunkt war der Anschlag auf das Park-Hotel vor 20 Jahren: Am 27.03.2002 sprengte sich ein palästinensischer Attentäter in einem Hotel in der israelischen Hafenstadt Netanja in die Luft. Bis heute sagen die Israelis: „Danach war Israel nicht mehr das gleiche Land.“
Über 1000 Israelis wurden während der Intifada getötet, darunter mehr als 750 Zivilisten. Auf palästinensischer Seite gab es 3300 Tote, darunter viele Kämpfer, aber eben auch Zivilisten. Bis heute streiten Israelis und Palästinenser darüber, wen welche Schuld trifft. Bemerkenswert einig sind sie sich jedoch in einem Punkt: Die zweite Intifada hat die Hoffnung auf Frieden zwischen den beiden Völkern zerstört. Bis heute.

Palästinenserin Buttu ist bis heute ernüchtert

Die palästinensische Juristin Diana Buttu war vor 20 Jahren mitverantwortlich für die Friedensverhandlungen und ist bis heute ernüchtert.
„Die Palästinensische Autonomiebehörde hat sich von dieser Zeit niemals erholt. Sie weiß, dass ihre Anführer jederzeit unter Hausarrest gestellt werden können. Wie damals Arafat. Sie weiß, dass die israelische Armee jederzeit in palästinensische Städte einrücken kann. Und so machen sie es bis heute.“

Ex-Brigadegeneral: "Meine Generation hat versagt"

Der frühere Brigadegeneral Moshe Tamir, der während der zweiten Intifada Kommandeur der Golani Brigade war, einer Eliteeinheit der Armee, sagt heute:
„Meine Kinder sind nun die vierte Generation von Israelis, die in der Armee sind und in den Krieg ziehen. So etwas macht einen nicht glücklich. Es macht einen traurig. Leider gibt es hier kein Happy End. Meine Generation hat versagt. Wir haben versucht, Frieden zu schließen und sind gescheitert.“

Posttraumatische Gesellschaft in Israel

Einer der erfahrensten Journalisten in Israel, Amos Harel, der für die Zeitung "Ha’aretz" schreibt und sich seit Jahrzehnten mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt beschäftigt, meint:
„Das alles ist ziemlich traumatisch. Auf vielen Ebenen. Es geht um die Todesopfer, um Freunde, die in der Armee ums Leben kamen. Es geht um die ständige Angst. Und manchmal geht es auch um das, was wir anderen angetan haben. Über all das wird nicht viel geredet. Es wird ausgeblendet. Wir reden in diesem Land über den Libanon- oder den Yom-Kippur-Krieg, den Gründungskrieg. Und wie viele Gespräche haben Sie über die zweite Intifada gehört? Wir sind eine posttraumatische Gesellschaft. Besonders mit Blick auf die zweite Intifada.“

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