Originalton: Tapas

Oreijas a la plancha - Gebratene Schweinsohren

Der Yuyuan Garten in Shanghai, China
Manchmal gewöhnungsbedürftig, findet Steinunn Sigurdardóttir : Kulinarische Spezialitäten in China © picture alliance / Mika Schmidt
Von Steinunn Sigurdardóttir |
Die isländische Bestsellerautorin Steinunn Sigurdardóttir reist nach China und ist fest entschlossen, alles zu essen, was auf den Tisch kommt. Eine außergewöhnliche Entscheidung.
Wenn ich diese Bestien-Ohren auf dem Berliner Tapas Menü gesehen habe, habe ich sie nicht bestellt, sondern Boquerones fritos, gebratene Sardellen, ein Lieblingsgericht. Dazu Rioja Weißwein und noch dazu: wundersame Erinnerungen von Schweinsohren.
Wir sind eine Gruppe Isländer in China - Poesiefestival. Es ist mein erstes Mal hier. Und ich denke: gibt es wirklich zwei Länder weiter entfernt voneinander als Island und China? Island, die Insel mit 320.000 Einwohnern - China mit 1,37 Milliarden. Island, ein wildes neues Land, auch geographisch - die Siedlung und Kultur weniger als 1200 Jahre alt, und die chinesische Kultur mit ihren 4000 Jahren. Wie gespannt ich war. Ich hatte nur die besten Erwartungen. Eine Freundin sagte: "Die Leute sind wundervoll und lachen gern." Ein Freund, der in China lebt, sagte: "Ich liebe die Chinesen". Das ist doch wohl die umfangsreichste Liebeserklärung die es gibt. Der Freund ist ja auch ein weltberühmter Künstler, Sigurdur Gudmundsson. Und im Bereich Liebeserklärungen kann die Kunst sich sicher mehr leisten als die Literatur.
Wenn man in eine neue Dimensionen eintritt, wie ich nun in diese neue China-Dimension, dann muss man sich auch neu einstellen. Wenn es um die große Wichtigkeit ESSEN ging, war ich fest entschlossen, alles zu essen was es da geben würde. Für mich eine außergewöhnliche Entscheidung. Ich bin ja ein vorsichtiger und sensitiver Island-Mensch - obwohl ich nun lange Jahre im Ausland lebe. Meine Reisefreunde, auch mit isländischen Sensitivitäten belastet, fingen den Tag mit Schnaps an. Ich entschloss OHNE zu überstehen.
Wir wurden verwöhnt. Jeden Mittag 20-30 Gerichte, aus allen Bereichen, jeden Abend - alles war köstlich, und ich habe höchstglücklich unwissend alles alles gefressen. Und dann kam der Moment: ich habe schließlich bei einer kulinarischen Spezialität gefragt - was ist das? Und bekam die Antwort: Schweinsohren. Ein chinesischer Tapa: Oreijas a la plancha.

Steinunn Sigurdardóttir gehört zu den prominentesten Autoren Islands. Sie studierte Psychologie und Philosophie am University College in Dublin und arbeitete viele Jahre für das isländische Radio und Fernsehen. Mit ihrem ersten Gedichtband Sífellur, den sie im Alter von 19 Jahren veröffentlichte, begeisterte sie ihr Publikum. 1995 erhielt sie den Isländischen Literaturpreis. International wurde sie durch ihre Romane "Der Zeitdieb" und "Herzort" bekannt. Ihr Bestsellererfolg "Der Zeitdieb" wurde mit Emmanuelle Béart und Sandrine Bonnaire in den Hauptrollen in Frankreich verfilmt. Sigurdardottir hat an unterschiedlichen Orten in Europa, den USA und Japan gelebt. Unlängst ist sie von Berlin nach Straßburg gezogen.

Und hat vorher für uns noch ihre "Originaltöne" gesprochen. "Originalton" heißt ein täglicher Bestandteil unserer Sendung "Lesart". Darin bitten wir Schriftsteller jeweils für eine Woche um einen kurzen Text, in dem sie kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen. In dieser Woche begleitet uns Steinunn Sigurdardóttir mit "Originaltönen":

"Tapas" heißen sie, kleine Häppchen, die - ausgehend von Ess-und Alltagserfahrungen - auf Sprache und Literatur hinführen. Oder überraschende Verbindungen herstellen zwischen einem Gedicht und einer lukullischen Köstlichkeit. Sinnlich, geschmackvoll und originell. Auch Ihr letzter Roman "Jojo" spielt in Berlin.

Porträtfoto der isländischen Bestseller-Autorin Steinunn Sigurdardottir, aufgenommen am 15.10.2011 auf der Frankfurter Buchmesse
© dpa / picture alliance / Erwin Elsner