Originalton

Nach der Feier

Die Autorin Nora Bossong
Die Autorin Nora Bossong © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Von Nora Bossong · 11.07.2014
Kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen: "Originalton" heißt ein täglicher Bestandteil unserer Sendung "Lesart" - kurze Texte, um die wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller bitten. In dieser Woche von Nora Bossong.
Heute bin ich mit Kopfschmerzen aufgewacht. Es könnte an den 33° Grad liegen, die es in Wien derzeit hat, an dem ganzen Ozon in der Luft oder an den Lastwagen, die unter meinem Fenster vorbeifahren.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich leider sehr genau, dass es an der Feier liegt, auf der ich gestern zu lange geblieben bin und während des Bleibens habe ich immer wieder am Weißweinglas genippt. Da die Feier früh begonnen hat, sind wir schon gegen sieben auf ein Thema zu sprechen gekommen, dass ich am Vormittag nicht öffentlich im Radio konferieren möchte. Ich bin altmodisch, ich denke, dass manches einfach erst nach 22 Uhr und im Privatfernsehen verhandelt werden sollte.
Es gibt schließlich einen staatlichen Auftrag zur Diskretion und wer sich noch immer fragt, wofür er seine Rundfunkgebühren zahlt, darf jetzt einmal einsehen, dass es nicht für das ist, was er hört, sondern für das, was er endlich nicht hört. Die Scham, die uns allen längst abhanden gekommen ist, bekommen wir zurück und wir haben sie bitter nötig, auch wenn ich zugeben muss, dass die deutschen Rundfunkhörer nicht zwingend mit den Wiener Partygästen identisch sind. Nicht zwingend, aber möglich ist es doch. Zumindest ist es nicht unmöglich, dass sich der Rundfunkhörer am Vortag genau die gleichen Gedanken gemacht hat wie jene, die auf der Party laut ausgesprochen wurden.
Es ging um Konstellationen und um Gruppierungen. Es ging ums Miteinander zu dritt, zu viert oder zu fünft. Die Menschen um mich herum waren älter als ich und ich weiß nicht, ob ich zu brav bin, zu antiautoritär erzogen wurde oder einfach noch nicht genügend von der Welt gelangweilt bin, um ebenso konkret und planend und manisch davon zu sprechen. Und nur noch davon. Es gibt ja schließlich auch noch anderes.
Es gibt Fussball zum Beispiel und Schreibkrisen und den Unterschied zwischen Sauvignon und Chablis. Wie gerne würde ich mal wieder von der FDP sprechen. Aber gut, ich berichte auf diesem Sender eine Woche lang davon, was mir zustößt, und nun ist mir eben diese Party zugestoßen und diese Gespräche und ich werde Ihnen auch heute den O-Ton nicht verweigern. Rundfunkgebühren hin oder her.