Organe aus dem 3D-Drucker

Niere on demand

Eine zur Transplantation vorgesehene Niere wird von einer behandschuhten Hand aus einer Metallschüssel genommen.
Einfache Gewebe lassen sich verrmutlich bald drucken - aber Organe? © picture alliance / dpa / Balazs Mohai
Kirsten Borchers im Gespräch mit Nana Brink · 16.06.2015
Wäre das nicht schön? Kein Warten mehr auf Spendernieren, sondern kaputte Organe werden einfach nachgedruckt mit Biotinte und in 3D. Dann wären keine Implantate aus künstlichen Materialien wie Metall nötig. Kirsten Borchers vom Fraunhofer Institut mahnt großen Forschungsbedarf an.
Wenn man Häuser drucken kann und Waffen, warum dann eigentlich keine Organe? Anthony Atala, Direktor des Forest Wake Instituts für Regenerative Medizin hat es vor einen paar Jahren schon mal vorgeführt und bei der Innovationskonferenz TED in Kalifornien live auf der Bühne eine Niere gedruckt. Oder besser: einen nierenförmigen Gewebehaufen.
Denn funktionstüchtig war die gedruckte Niere keinesfalls. Kirsten Borchers vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, ist skeptisch, ob etwas so Komplexes wie ein Organ jemals künstlich aufgebaut werden könne. "Da bin ich sehr, sehr vorsichtig, da eine Aussage zu wagen", sagt sie.
"Was ich aber denke, das man in den nächsten fünf bis zehn Jahren zur Verfügung haben könnte, das sind eben einfache Gewebe, so was wie Knorpelgewebe oder Bindegewebe, Fettgewebe, um Defekte im Körper damit reparieren zu können."
Dann wären immerhin keine Implantate aus künstlichen Materialien wie zum Beispiel Metallgelenke mehr nötig, sondern man könnte nachgebautes Knorpelgewebe einsetzen. Allerdings gebe es hier noch großen Forschungsbedarf, warnt Borchers.
"Wie sich diese Zellen dann aber verhalten, können wir zunächst im Moment nicht wirklich vorhersagen."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Der neueste Designerschuh aus dem Drucker? Das ist längst keine abwegige Idee mehr – wer die Modeseiten verfolgt oder die Lifestylemagazine, kann da die ersten Modelle sehen, natürlich sündhaft teuer und alles Einzelstücke, aber das sogenannte 3-D-Printing macht enorme Fortschritte. Und wie wäre es also mit einer Niere aus dem 3-D-Drucker? Kerstin Klumper mit einer unglaublichen Geschichte.
Kerstin Klumper: Schön rosa war sie, perfekt nierenförmig und eine kleine Sensation: Im Jahr 2011 druckte der US-amerikanische Chirurg Anthony Atala auf der Innovationskonferenz TED live eine Niere aus mithilfe eines 3-D-Bioprinters. Medien in aller Welt proklamierten bereits das Ende des Wartens auf Spenderorgane. Dabei war Atalas Niere nicht viel mehr als ein nierenförmiger Gewebehaufen – ein Prototyp, wie es der Arzt später selbst nannte –, aber ohne die Adern und Strukturen, die nötig wären, damit ein Organ auch arbeiten kann. Dennoch, aktuell forschen seriöse Wissenschaftler in aller Welt daran, funktionsfähige Organe aus dem 3-D-Printer vielleicht tatsächlich ein mal zu ermöglichen. In Deutschland ist es zum Beispiel einem Team am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart gelungen, eine funktionsfähige Biotinte herzustellen, ein Mix aus verschiedenen Biomaterialien wie tierischer Gelatine, der flüssig genug ist, um die Biotinte schichtweise in die gewünschte Gewebeform zu drucken, aber auch geeignet nach dem Aushärten als festes Gewebe zusammenzuhalten. Nun suchen die Wissenschaftler einen Weg, kleinste Blutgefäße aus der flüssigen Tinte zu drucken. Ein Netz solcher Kapillaren wäre Grundlage zum Beispiel für die Versorgung künstlich hergestellter Haut oder auch größere Organe.
Brink: Und Kirsten Borchers vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart ist jetzt bei mir hier am Telefon in "Studio 9". Guten Morgen, Frau Borchers!
Kirsten Borchers: Guten Morgen!
Brink: Hat Sie die Aktion des amerikanischen Chirurgen Anthony Atala beeindruckt?
Borchers: Auf jeden Fall! Auf jeden Fall beeindruckt und ich denke noch hoffentlich auch noch anderen Menschen. Ich denke, er hat Neugier geweckt mit seiner Aktion, was natürlich dazu führt, dass sich Leute interessieren, nachfragen, wie Sie jetzt. Er hat vielleicht mehr Erwartungen geweckt als im Moment realistisch sind, aber wenn man auf Nachfragen das Ganze dann etwas wieder auf den Boden der Tatsachen bringen kann, ist uns ja auf jeden Fall gedient in der Forschung.
Die Biotinte für den 3D-Drucker gibt es schon
Brink: Dann kommen wir doch mal auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Niere aus dem Drucker – woran forschen Sie denn konkret? Wir haben es gerade gehört, nämlich an einer sogenannten Biotinte.
Borchers: Genau. Was wir erforschen ist sozusagen die Matrix zunächst mal, in der Zellen vorkommen im Körper, im Organismus und die wir eben auch, wenn wir ein Organ – ist weit gegriffen –, ein Gewebe künstlich ausbauen wollen, diesen Zellen zur Verfügung stellen müssen, damit die darin die natürliche Umgebung wiedererkennen, und wie schon erklärt wurde, bemühen wir uns, eben aus den Materialien, die diese natürliche Matrix bilden, eben jetzt druckbare Flüssigkeiten herzustellen, um dann schichtweise, indem wir dann auch Zellen in diese Matrix hineingeben, so etwas wie ein Gewebe wiederherzustellen.
Brink: Ich habe jetzt ein bisschen Schwierigkeiten, mir das vorzustellen, aus welchen Materialien das dann besteht. Also wir kennen ja so diese Druckerpatronen, ja, oder ist das eine abwegige Vorstellung, die ich da habe?
Borchers: Also wir nennen es Tinte, weil wir es eben tatsächlich mit Verfahren verarbeiten, die dem Drucken sehr ähnlich sind und benutzen auch so eine Art Kartusche, in die wir das eben selber hineinfüllen. Die Materialien selbst sind jetzt aber keine Farben oder was man sich unter Druckertinte vorstellt, sondern wir nutzen eben diese Materialien, die man kennt vielleicht auch – Kollagen, Hyaluronsäure, die Gelatine ist auch eine andere Form des Kollagens –, und diese Materialien, die die natürliche Matrix von Zellen bilden, die füllen wir in diese Kartusche hinein, verändern die ein bisschen, sodass die eben druckbar werden und geben dann die Zellen dazu, um das zu einem gewebeähnlichen Konstrukt in Zukunft wieder aufbauen zu können. Also die Tinten sind sozusagen aus dem kollagenartigen Material oder Hyaluronsäure – kennt man vielleicht aus der Kosmetik.
Brink: Also der Baustein eigentlich, den man braucht. Fehlen dann noch die Blutgefäße, nicht, damit das lebt?
Borchers: Mindestens die Blutgefäße, genau, aber auch noch ganz viele andere Komponenten, andere Moleküle, die in einem natürlichen Gewebe vorkommen und die das ganze so komplex machen, dass man eben das nicht so einfach tatsächlich funktionsfähig herstellen kann, wie es sich eben vielleicht angehört hat.
Vielleicht bald keine künstlichen Gelenke mehr erforderlich?
Brink: Wie weit ist denn der Forschungsstand gerade? Können wir damit in nicht allzu ferner Zukunft rechnen, dass dann ein Organ mit Ihrer Tinte oder einer anderen aus dem Drucker kommt?
Borchers: Also die Organe sind ja etwas extrem Komplexes – so was wie eine Niere, ein Herz bezeichnet man als Organ und diese Organe bestehen aus vielen verschiedenen Geweben, aus den Blutgefäßen, aus Bindegewebe, aus den Zellen, die dieses Organ ausmachen, und ob so was jemals tatsächlich künstlich aufgebaut werden kann, da bin ich sehr, sehr vorsichtig, da eine Aussage zu wagen. Was ich aber denke, das man in den nächsten fünf bis zehn Jahren zur Verfügung haben könnte, das sind eben einfache Gewebe, so was wie Knorpelgewebe oder Bindegewebe, Fettgewebe, um Defekte im Körper damit reparieren zu können.
Brink: Sie sind also davon noch weit entfernt von der sogenannten Niere. Die Frage ist ja, warum macht man das? Wahrscheinlich eine völlig absurde Frage einem Wissenschaftler zu stellen. Was ist der Sinn dahinter oder was kann das dann?
Borchers: Ja, die Idee oder das Ziel ist natürlich, dass man tatsächlich funktionslos gewordene Gewebe oder Defekte in Geweben reparieren kann mit biologischem Material, also dass wir keine Metallgelenke als Knorpelersatz mehr haben müssen, sondern dass wir wirklich Knorpelgewebe regenerieren können im Körper, was dem Patienten dann irgendwann eben mehr hilft als ein Implantat aus einem künstlichen Material.
Brink: Aber wenn wir vielleicht weiter denken, noch mal wirklich in Richtung Organ: Ist es dann auch so, dass wir keine Organspenden mehr brauchen vielleicht?
Borchers: Das wäre das Ziel, dass wir davon unabhängig werden, von Spenderorganen, und außerdem auch Probleme, die ja mit solchen Organspenden verbunden sind – die Abstoßungsreaktionen und solcherlei Dinge –, umgehen können, weil wir natürlich dann mit den Zellen des Patienten arbeiten können und keine fremden Gewebe in den Patienten implantieren müssten.
Risiko: Wie verhalten sich die nachgebauten Zellen im Körper?
Brink: Wird es bei Ihnen in der Forschergruppe auch diskutiert, ja nicht nur auf einer fachlichen Machbarkeitsebene, sondern auch einer ethischen, also wie man eine Gesellschaft darauf vorbereitet?
Borchers: Ja, es gibt durchaus natürlich Dinge, die man sich überlegen muss, vor allem die: Wie machbar ist es tatsächlich, also was sind auch Risiken oder wie kann man die testen vorab? Also wenn man sich vorstellt, dass man Zellen in einen Körper einbringt, dann ist es ja immer noch ein lebendiges ...
Brink: Ja, ein Fremdkörper auch, nicht?
Borchers: Fremdkörper, beziehungsweise wenn die Zelle vom Patienten selber kommt, wäre sie ja noch gar nicht so ein Fremdkörper, aber sie ist immer noch eine lebendige Komponente, die ich aus einem fertig entwickelten Gewebe einmal herausgenommen habe und dann eben versuche, nach Vermehren dieser Zellen, ein funktionierendes Gewebe wiederherzustellen, und wie sich diese Zellen dann aber verhalten, können wir zunächst im Moment nicht wirklich vorhersagen. Also das ist noch ganz viel Forschungsbedarf in dieser Hinsicht, was macht eine Zelle, die ich ein mal aus einem Gewebe entnommen habe und dann versuche wieder in ein funktionierendes Gewebe zu verarbeiten. Und da wird viel Forschung auch noch nötig sein und wird auch geforscht, was kann ich mit Zellen machen, wie kann ich die behandeln, dass die, wenn ich sie wieder in den Körper zurückgebe, das gleiche machen, wie sie vorher auch gemacht haben, nämlich eine Leberzelle sein oder eine Knorpelzelle sein.
Brink: Also noch viele Fragen offen. Herzlichen Dank aber erst mal bis dahin. Kirsten Borchers vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, und sie arbeitet dort an so einer sogenannten Biotinte, die Gewebe herstellen kann. Danke, Frau Borchers, für das Gespräch!
Borchers: Bitte schön, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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