Medizinische Forschung

Aus Fleisch und Blut

Ein Teilnehmer einer Sonderführung für Blinde und Sehbehinderte ertastet am 20.05.2014 in München in der Ausstellung "Körperwelten" ein plastiniertes Herz.
Da die bedruckbare Fläche bislang nur zwei mal zwei Zentimeter beträgt, lassen sich Organe wie ein menschliches Herz gegenwärtig noch nicht herstellen - aber das soll sich ändern. © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Von Michael Engel · 26.05.2014
"Wie gedruckt!“ – Dieser Ausdruck könnte zukünftig auch für nachgezüchtete Organe aus dem 3D-Drucker gelten. Ob Haut oder Herz, die Forschungen daran kommen voran. Dafür werden auch Tierversuche unternommen.
Es klingt wie ein ferngesteuertes Elektroauto. Doch in Wahrheit läuft hier etwas ganz anderes. Ein 3D-Drucker, der mit Laserlicht arbeitet, druckt menschliche Zellen. Und die Zellen leben auch noch, denn am Ende soll ein Organ aus Fleisch und Blut entstehen …
"… und es hat, obwohl wir hier mit dem Laser arbeiten, vor allem mit dem Laserdrucker, den man im Büro hat, überhaupt nichts zu tun. Das ist eine ganz andere Technik, die hier verwendet wird",
… sagt Dr. Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover. Der Physiker bezieht die menschlichen Zellen von der Medizinischen Hochschule vor Ort. Er mischt die Zellkultur mit einem Gel und streicht die Suspension hauchdünn auf einen Glasträger mit der Gelschicht nach unten. Unter diese Glasplatte kommt noch eine zweite Platte, die bedruckt werden soll. Mit Hilfe eines Lasers, der auf die Gelschicht fokussiert wird.
"Und dadurch entsteht dort eine Dampfblase, die sich sehr schnell ausdehnt und dann eine mechanische Kraft auf dieses Gel überträgt und das Gel sozusagen herausschießt oder beschleunigt aus dieser Schicht – auf die untere Glasplatte. Wobei dann am Schluss ein kleiner Tropfen über bleibt. Wenn ich dann den Laser und die Glasplatten zueinander verfahre, kann ich viele Tropfen in einem beliebigen Muster drucken und – Schicht für Schicht – dann auch dreidimensional."
"Rohbau" eines Herzens
In den winzigen Tropfen, die auf die gegenüberliegende Glasplatte katapultiert werden, sind auch menschliche Zellen enthalten, die dem Gel beigemischt wurden. Lothar Koch verwendet verschiedene Stammzellen, aus denen sich Muskeln und Bindegewebe entwickeln, wenn das dreidimensionale Druckerzeugnis in eine Nährlösung kommt. Mit dem 3D-Druck entsteht eine Art "Rohbau“ – zum Beispiel der eines Herzens, erklärt Herzchirurg, Prof. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover.
"Wenn man Herzmuskelzellen in einen Verband gibt, fangen die – wenn man sie gut behandelt – nach fünf bis sieben Tagen an zu schlagen. Und meist 24 Stunden später schlagen sie im Verband. Also das ist ein sehr disziplinierter Zellhaufen, diese Herzmuskeln, sodass wir uns um die Elektrik und die gleichzeitige Kontraktion dieser Zellen eigentlich am wenigsten Sorgen machen."
Sorgen bereitet noch das Drucken der Gewebe. Bislang beträgt die bedruckbare Fläche nur zwei mal zwei Zentimeter. Und das Ganze ist dann auch nur zwei Millimeter dick. Organe wie ein menschliches Herz lassen sich damit noch nicht herstellen.
Dr. Lothar Koch: "Wenn man jetzt ein dickeres Gewebe drucken will, braucht man zum Beispiel Blutgefäße da drin. Und wenn man sich vorstellt, man wollte irgend wann ein ganzes Herz drucken, dann müssen diese Blutgefäße auch sehr schnell funktional sein, sonst sterben einem die Zellen da drin ab, bevor man das Herz fertig hat. Und da arbeiten wir daran, da jetzt in Zukunft ein Blutgefäßsystem mit einbauen und dann wirklich dickeres Gewebe erzeugen zu können."
Noch braucht es solche Blutgefäße nicht, denn bislang waren die zellulären Druckerzeugnisse hauchdünn. Trotzdem laufen die Tierversuche bereits auf Hochtouren. Zum Beispiel mit gedruckter Haut, wie Dr. Stephanie Michael von der Medizinischen Hochschule Hannover erklärt.
"Die Hautzellen sind, nachdem sie gedruckt wurden, wirklich noch einzelne Zellen, und die müssen dann zusammen wachsen im Laufe der Zeit. Und das tun sie auch. Diese Hautkonstrukte, die gedruckt werden, werden bei uns im Inkubator gezüchtet für mehrere Wochen, dass sie 'von unten' mit Nährstoffen versorgt werden und von oben Luft dran kommt. Das ist ja ganz genau so wie bei einer normalen Haut. Und dadurch können die Zellen dann eben zu Hornhaut werden."
Arbeit an der perfekten Haut
In die offene Wunde einer Maus implantiert, ist die Haut sofort eingewachsen. Sogar Blutgefäße haben sich dabei gebildet, die in das gedruckte Gewebe eingewachsen sind und es so mit Nährstoffen versorgt hat. Noch enthält die gedruckte Haut aber nur Bindegewebe und Hornhaut. Haare, Nerven und Schweißdrüsen fehlen.
"Unser erklärtes Ziel ist eine Haut zu generieren, die die verloren gegangene Haut komplett ersetzen kann - also das Fühlen, dem Temperaturausgleich, den Wasserhaushalt – die alle diese Funktionen übernehmen kann. Und genau das wollen wir alles erreichen, dass die Haut genauso ist, wie sie vorher war."
Zum Beispiel, um Brandopfer mit künstlicher Haut aus dem 3D-Drucker zu versorgen. Mit einer Haut, die zum Beispiel auch braun wird, wenn die Sonne darauf scheint. Konventionell nachgezüchtetes Hautgewebe kann das alles nicht. Hautersatz ist heute unbehaart, dünnhäutig und sieht rosa aus, kein schöner Anblick. Deshalb die große Hoffnung auf das 3D-Druckverfahren – nicht nur für die Herstellung einer perfekten Haut.
Prof. Axel Haverich: "Wir brauchen die Dreidimensionalität für alle – wie wir sagen – parenchymatösen Organe, also Organe, die aus Geweben mit mehreren Zellfraktionen bestehen. Wie das Herz, wie die Niere, wie die Leber. Da kommen wir mit den einfachen, zweidimensionalen Konstrukten nicht zurecht."
"Wie gedruckt!“ – Eines Tages wird der Ausdruck vielleicht für ein perfekt funktionierendes Herz gebraucht. Für ein nachgezüchtetes Organ aus dem 3D-Drucker.
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