Wiedereröffnung der Oper in Kiew

Ein "Fest der Freude" für das Publikum

06:22 Minuten
Das Opernhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Die Oper ist von den russischen Luftangriffen auf Kiew bisher unbeschadet geblieben. © Imago / Peter Seyfferth
Florian Kellermann im Gespräch mit Gabi Wuttke  · 22.05.2022
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Mitten im Krieg hat das Kiewer Opernhaus wieder vor Publikum gespielt. Aus Sorge vor Luftangriffen können nur 300 der tausend Plätze genutzt werden, aber für das Publikum sind diese ersten Opernaufführungen wieder ein wichtiges Stück Normalität.
Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat das Opernhaus in Kiew wieder für das normale Publikum geöffnet. Aufführungen gibt es zunächst nur an Wochenenden nachmittags. Wegen der unveränderten Kriegslage werden für jede Vorstellung nur 300 Karten verkauft, obwohl das Opernhaus tausend Plätze hat, damit die Menschen sich notfalls in den Keller flüchten können.

Symbolische Aufführungen

Gespielt wurde am Sonntag die ukrainische Oper "Natalka Potawka".
"Das ist ein Symbol, denn die ukrainische Kultur ist ein erklärtes Angriffsziel dieser russischen Invasion", sagt unser Korrespondent Florian Kellermann. Am Tag zuvor wurde der "Barbier von Sevilla" aufgeführt. Das sei ein etwas anderes Signal gewesen, um die Zugehörigkeit zur europäischen Kultur zu demonstrieren.
Am Sonntag habe es kurz vor der Vorstellung noch einen Luftalarm in Kiew gegeben, sagt Kellermann, der selbst gerade in der ukrainischen Hauptstadt ist. "Da wäre diese Aufführung tatsächlich fast abgesagt worden." Aber man habe sich dann doch entschieden, die Vorstellung durchzuziehen, nachdem der Luftalarm nicht angehalten habe.
Es sei dann auch ruhig geblieben. "Das ist natürlich für die Zuschauer sehr wichtig." Sonst hätte sich das Publikum in den Keller begeben müssen, wo sich die Garderobe für das Ensemble befinde. "Dann wäre die Aufführung unterbrochen worden."
Zuschauer im Foyer des Opernhauses von Kiew.
Auch von Innen ist das Opernhaus in Kiew prächtig. © Imago / Peter Seyfferth
"Ich hatte schon den Eindruck, dass das ein Fest des Lebens und der Lebensfreude war", sagt Kellermann über die Wiedereröffnung für das normale Publikum. Es sei nicht unbeschwert gewesen, aber sehr wichtig, sich als Kulturnation zu erleben.
"Für viele Zuschauer war das auch einfach ein Stück Normalität, die für eine kurze Zeit zurückkehrt." In der Inszenierung habe es auch keine Anspielung auf den Krieg gegeben. Die älteren Menschen seien sehr elegant und aufwendig gekleidet gewesen.
"Man hat auch gemerkt, wie wichtig das für die Künstlerinnen und Künstler war", so Kellermann. Die Sängerin, die die weibliche Hauptrolle spielte, habe vor der Vorstellung für enge Freunde der Oper eine kleine Rede gehalten. "Da war sie fast den Tränen nahe." Sie habe in letzter Zeit sehr bewegende Gastspiele in Deutschland erlebt, aber der Auftritt in "ihrer Oper" in Kiew habe sie nach eigenen Worten sehr glücklich gemacht.

Das Kiewer Leben im Krieg

Das 120 Jahre alte Opernhaus im Stadtzentrum von Kiew ist ein eindrucksvoller Prachtbau, der bisher von den russischen Luftangriffen unversehrt geblieben ist. Wenn man durch die Straßen gehe, deute wenig auf den Krieg hin, erzählt Kellermann. "Man sieht Plakate, die den Menschen Mut machen sollen." Da stehe dann beispielsweise drauf: "Wir siegen!"
An bestimmten Häusern stünden Sandsäcke, die sie vor dem Beschuss schützen sollen. Viele Geschäfte und Restaurants seien geschlossen. Ab 23 Uhr sei Sperrstunde bis zum frühen Morgen um fünf Uhr. Doch im Gespräch mit den Menschen rücke einem der Krieg sehr schnell nahe.
(gem)
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