Online-Werbung

Dicke Kassen – auch ohne Cookies?

10:11 Minuten
Ein Hand greift sich einen Keks von einem Teller
Cookie - oder kein Cookie? Das ist hier die Frage. © Unsplash/Andrew "Donovan" Valdivia
Berthold Hass im Gespräch mit Katja Bigalke und Martin Böttcher · 15.08.2020
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Für Aufsehen in der Branche sorgte ein niederländisches Medienunternehmen damit, seine Nutzer online nicht mehr zu tracken. Die Werbe-Einnahmen stiegen dennoch. Eine Zeitenwende sieht der Medienforscher Berthold Hass darin jedoch nicht.
Mit sogenannten "Cookies" – kleinen, auf dem Rechner des Nutzers gespeicherten Textdateien – protokollieren Websites, wie Nutzer sich verhalten, etwa, wie häufig sie diese Website aufrufen, wie viele und welche Artikel sie dort lesen und ähnliche Informationen. Üblicherweise werden die in diesem "Tracking"-Verfahren gewonnenen Daten genutzt, um Reklame besser platzieren und verkaufen zu können – so lautet zumindest das Versprechen der "personalisierten Werbung".
Groß war allerdings das Erstaunen darüber, als das niederländische Nachrichtenportal "Nederlandse Publieke Omroep" (NPO) solche Cookies abschaffte – und dass dieser Wechsel von personalisierter auf kontextuelle Werbung ebenso gut funktionierte, dass die Einnahmen sogar gestiegen sind. Was lässt sich aus diesem Ereignis schlussfolgern? Wird personalisierte Werbung vielleicht sogar überschätzt?

IT-Konzerne sind Platzhirsche

Berthold H. Hass forscht und lehrt an der Universität Flensburg und leitet die Abteilung Medienmanagement und Marketing. Er beobachtet, wie sich der Online-Werbemarkt in den letzten Jahren verändert hat: "Es gibt zwei ganz große Spieler – Facebook und Google –, und die wissen sowieso schon sehr viel über uns."
Normale Verlagsunternehmen im Mittelfeld, die nicht so viel über ihre Nutzer wissen, hätten demgegenüber "schlechte Karten". Für ihn ist es daher nicht überraschend, dass diese sich von dem Tracking-Modell lösen und sagen: "Wir haben qualitativ hochwertige Inhalte – und wir finden sowieso die richtigen Nutzer für unsere Inhalte und damit auch ein sehr schönes Umfeld für Werbekunden."

"Personalisierung klappt weiterhin"

Vom Konzept der personalisierten Werbung würde er sich allerdings noch nicht allgemein verabschieden, unterstreicht Hass: "Das wäre voreilig. Wir haben mit Facebook ein Unternehmen, dessen ganze Strategie darauf basiert, hochpersonalisiert Werbung auszuspielen. Die Werbung ist noch viel personalisierter als das, was über klassische Werbenetzwerke funktionieren kann." So sei Facebooks Marktanteil im Targeting-Bereich in den letzten zehn Jahren von drei auf 20 Prozent gestiegen. Da der IT-Konzern mittlerweile sehr viel über uns weiß, könne er "dementsprechend wirklich punktgenau Werbebotschaften zuspielen".
Personalisierung sei also weiterhin effektiv, "nur das Modell ist anders. Das Modell läuft nicht mehr über einzelne Verlagsseiten, sondern sehr stark im Facebook-Kontext. Facebook nimmt beliebige Inhalte, auch von Medienunternehmen, persönliche Mitteilungen und Werbeinhalte und schneidert dort im Newsfeed für jeden einzelnen Nutzer genau den passenden Mix aus Information und Werbung zurecht."

Die Rolle der Mittelsmänner

Die Einnahmen der NPO stiegen nicht zuletzt auch deshalb, da das Medienunternehmen auf Mittelsmänner verzichten konnte. Bedeutet dies, dass die Dienste solcher Mittelsmänner vielleicht zu teuer sind oder womöglich gar nicht gebraucht werden? So eindeutig lasse sich dies nicht sagen, erklärt Hass. Es komme immer auch auf Größe und Renommee des jeweiligen Verlages und seiner Publikationen an – denn damit steige auch die Chance, "mit einer starken Marke ein sehr positives Umfeld zu bieten", wodurch Mittelsmänner weniger nötig seien. Ein Problem personalisierter Werbung sei zudem, dass der Werbetreibende gar nicht mehr kontrollieren könne, in welchem Kontext seine Anzeigen ausgespielt werden: "Das kann zum Teil auch reputationsschädlich sein."
Hass nennt das Beispiel seiner eigenen Hochschule: Jobangebote würde diese eben etwa im Umfeld einer großen Zeitung lancieren, in der Berichterstattung zu Bildung und Hochschule stattfindet. Eine Rückkehr zum klassischen Anzeigengeschäft alter Zeitungstage also? Nicht ganz, meint Hass. Schließlich hätten sich die großen Medienunternehmen im Netz von der Eigenvermarktung ihrer attraktivsten Werbeplätze – etwa großflächige Wallpaper-Anzeigen, die sich um Artikel legen – nie ganz verabschiedet. Lediglich kleinere, schwerer kontextbezogen verkaufbare Werbeplätze seien an die Werbenetzwerke ausgelagert worden. (thg)
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