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24 Stunden am Tag zocken - in der Anonymität der Internets, ohne soziale Kontrolle: „Mit Online-Glücksspielen gehen besondere Suchtgefahren einher“, warnt Tobias Hayer. Die Schutzmaßnahmen des Glücksspielstaatsvertrags beurteilt er kritisch.
Online zocken ohne Ende: Was bisher offizell nur in Schleswig-Holstein möglich war, wird mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags zum 1. Juli in ganz Deutschland Realität. Dann werden alle möglichen Formen des Online-Glücksspiels legal verfügbar sein.
Der Psychologe und Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen betrachtet die Entwicklung mit Sorge: "Die Öffnung des Online-Glücksspielmarktes ist eine Art Dammbruch", sagt er.
Denn dadurch würden nicht nur die Spielanreize und damit die Suchtgefahr erhöht, es werde auch eine Wettbewerbssituation geschaffen: "Es wird zahlreiche Privatanbieter geben, die sich um Kundinnen und Kunden quasi prügeln werden, und dieser Aufschaukelungsprozess nach dem Prinzip 'schneller, höher, weiter' lässt aus meiner Sicht kaum Raum für Spielerschutz und Suchtprävention."
Gerade bei Online-Glücksspielen sei die Suchtgefahr besonders hoch, warnt Hayer. "24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche können Sie zocken. Keine soziale Kontrolle, Sie zocken im anonymen Raum, von zu Hause aus, am Arbeitsplatz, in der U-Bahn, wo auch immer Sie ein mobilfähiges Endgerät haben."
Zwar sehe der Glücksspielstaatsvertrag Schutzmaßnahmen vor. Der Psychologe ist allerdings skeptisch, ob diese in der Praxis auch funktionierten. Etwa die sogenannte "Limitdatei", die sicherstellen soll, dass jemand maximal 1000 Euro im Monat in Online-Glücksspiele einzahlen kann: "Diesen Betrag halte ich für viel zu hoch", sagt Hayer. "Überlegen Sie mal: Geben Sie 1000 Euro im Monat für Alkohol oder Nikotin aus? Wahrscheinlich nicht."
Außerdem solle ein Früherkennungssystem implementiert werden. "Das gesamte Spielverhalten wird dokumentiert". Aber da jeder Anbieter ein eigenes Früherkennungssystem einsetzen könne, werde da eben nur ein Ausschnitt des gesamten Spielverhaltens dokumentiert. Hinzu kommt, dass Anbieter dieses Dokumentationssystem auch dazu nutzen können, um beispielsweise gezielt Werbung zu schalten.
Oder: "Wenn Anbieter A sieht, Sie haben drei Monate kein Geld bei ihm eingesetzt, dann wird er Sie höflich per E-Mail oder SMS daran erinnern, das mal wieder zu tun."
Menschen, die feststellten, dass ihr Glückspielkonsum problematische Züge annimmt, rät Hayer: "Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch." Suchtberatungsstellen etwa oder Suchtfachkliniken. "Aber wir haben auch internetgestützte Hilfen, Onlineberatung, Telefon-Helplines, selbst Angebote für Migrantinnen und Migranten in anderen Sprachen."
(uko)
Online statt Spielautomat - Verbotenes Glücksspiel in Zeiten von Corona
(Deutschlandfunk, Hintergrund, 28.05.2020)
Neuer Glücksspielstaatsvertrag - Online zocken wird überall legal
(Deutschlandfunk Kultur, Länderreport, 05.03.2020)
Sportwetten und Online-Casinos - Im Paradies für Glücksspielanbieter
(Deutschlandfunk, Hintergrund, 18.06.2019)