Omas Schal auf Facebook

Von Christina Küfner |
Die Gesellschaft stellt sich auf den demografischen Wandel nur langsam ein: Zu oft bleiben die Arbeitskraft und die Erfahrung der Alten noch ungenutzt. Dabei fühlen sich viele Senioren gar nicht alt und würden viel für eine Beschäftigung geben. Ein Beispiel aus dem fränkischen Fürth zeigt, wie sich unternehmerisches Handeln mit der Fürsorge für alte Menschen verbinden lässt.
Ein helle Küche mit Blick auf die Fürther Innenstadt, es duftet nach frischem Kaffee. Um einen Tisch sitzen mehrere alte Damen, in der Mitte ein Sandkuchen, es wird eifrig gestrickt.

Ein ganz normales Kaffeekränzchen, könnte man meinen - doch die Seniorinnen treffen sich höchst beruflich. Die Küche gehört zu den Räumen von MyOma - einer Firma, die im Internet Mützen, Socken und andere warme Sachen verkauft. Alles handgestrickt von fränkischen Großmüttern.

Eine von ihnen ist Oma Siggi, eine mollige Frau Mitte 60, die sich ein Leben ohne Wolle und Nadeln nicht vorstellen kann.

"Nee, das ist für mich keine Arbeit, ich mach das gern, ich muss es ja nicht machen. Mich beruhigt das. Ich finde das einfach wahnsinnig schön, was man mit seinen Händen alles - was da alles herauskommt!"

Bunte Wollknäuel kullern zwischen den Kaffeetassen umher, während die Großmütter ihre Maschen anschlagen. Eine strickt einen hellblauen Pullover, eine andere ist mit dem Bündchen einer grauen Socke beschäftigt. Die Stimmung bei den alten Damen ist gelöst: Sie diskutieren über Strickmuster, tauschen Tipps oder plaudern einfach nur.

Oma Siggi: " Es wird nicht über Krankheiten geredet, nicht übers Altwerden geredet. Man vergisst ja auch darüber, dass dies weh tut oder das weh tut oder sonstiges."

Oma Carola:"Es ist halt schön am Abend nicht bloß vor dem Fernseher zu sitzen oder einzunicken oder wieder ans Essen zu denken, sondern auch ein bisschen zu stricken, wenn man es eigentlich gern macht und dabei noch ein bisschen was zu verdienen."

Im Zimmer nebenan steht eine junge Frau vor einem Regal. Sie trägt ein blaues Jackett, das schulterlange Haar offen. Aus einer Tüte zieht sie zwei dicke Wollknäuel hervor und reicht sie einer alten Dame. Verena Röthlingshöfer hat MyOma vor einem Jahr gegründet - nicht nur um Geld zu verdienen, erzählt die 32-Jährige.

"Der Grundgedanke einfach daran ist, dass man eben - obwohl man ein wirtschaftliches Unternehmen ist - auch soziale Komponenten mit einbezieht, in diesem Fall eben die Omas, denen man ja auch eine Aufgabe gibt, denen man eine Gemeinschaft bietet. Und das ist ein sozialer Aspekt, der bei uns eine ganz, ganz große Rolle spielt und von daher sind wir ein Social Startup."

Durch einen langen Flur läuft die junge Fürtherin in das Büro der Firma: zwei große Schreibtische, darauf mehrere Vorlagen mit modernen Strickmustern. Gemeinsam mit einer Praktikantin koordiniert sie hier das Geschäft.

"Wollrausch" oder "Maschentraum" heißen die Kollektionen, die sie auf der Webseite anbietet. Alle Omas dürfen selbst bestimmen, wie viel Aufträge sie annehmen - entsprechend werden sie bezahlt. Die meisten alten Damen stricken allerdings nicht wegen des Geldes.

"Sie wollen ja gebraucht werden und auch ein Selbstbewusstsein aufbauen und das Gefühl haben, sie schaffen etwas, das von anderen geschätzt wird. Man darf das nicht unterschätzen und denken, die sind überbelastet, sondern eher das Gegenteil ist der Fall. Die strengen sich da so an und das gibt denen so viel, dass man ihnen eigentlich gar nicht genug zu stricken geben kann."

Neben der Bürotür steht ein kleiner Tisch, darauf eine dicke Rolle mit rotem Seidenpapier. Daneben stapeln sich mehrere flauschige Mützen - bereit für den Versand.

Verena Röthlingshöfer reißt einen Bogen Seidenpapier ab und verpackt eine schwarze Mütze in einen kleinen Karton. Bevor sie das Paket schließt, legt sie in noch eine Karte hinein - ein Foto der Großmutter, die hier mit ihren Stricknadeln am Werk war. Persönlich unterschrieben.

"Der Kunde weiß dann, welche Oma das gemacht hat. Da kommen öfter mal Mails oder Karten, wo die sich bei ihrer Oma bedanken möchten und ihr eben sagen wollen, dass sie die Produkte ganz schön finden und dass die toll gestrickt sind."

Alte Menschen einbinden, ihre Erfahrungen und ihr Können nutzen - Verena Röthlingshöfer hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht und gleichzeitig mehr als 30 Seniorinnen eine sinnvolle Aufgabe gegeben. Gern dazugehören würden inzwischen allerdings gut zehn mal soviel Großmütter.

"Am Anfang war mir noch nicht so ganz klar, wie hoch der Bedarf ist. Mittlerweile nach einem Jahr habe ich eine Warteliste von 300 Omas, die da mitmachen möchten."

Im Strickzimmer ist es warm geworden. In der Runde der Großmütter hat inzwischen auch ein alter Herr mit weißem Haar Platz genommen: der 74-jährige Opa Klaus. Seit seiner Kindheit strickt er leidenschaftlich gern. MyOma war für ihn die Gelegenheit.

"Irgendwo sitzen und nichts tun, das kann ich mir gar nicht vorstellen, dass das möglich ist. Das wäre eigentlich nix für mich. Ich muss irgendwo immer etwas gestalten vor allen Dingen, das ist mir wichtig."

Schräg gegenüber sitzt Oma Siggi und bespricht mit ihren Kolleginnen, was bis Weihnachten noch alles fertig werden muss. Die Wangen sind leicht gerötet, ihre Augen glänzen - die alte Dame sieht glücklich aus.

"Also ich muss sagen, ich geh durch MyOma ganz anders durch die Welt, das ist einfach so, man kann das nicht beschreiben. Es ist das Gebrauchtwerden und es ist das Akzeptiertwerden und das Wichtige ist, dass man selber sich wieder etwas zutraut. Und dass man merkt, was man selber noch leisten kann. Und das ist das Wichtigste an der ganzen Sache."
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