Olympische Spiele

Im Ganzkörperanzug gegen den männlichen Blick

05:59 Minuten
Eine Frau turnt bei den Olympischen Spielen auf einem Schwebebalken, Frauen, sie trägt einen bordeauxrot-weißen Ganzkörperanzug. Es handelt sich um die deutsche Turnerin Pauline Schäfer.
Pauline Schäfer und die anderen deutschen Turnerinnen haben mit ihren langen Gymnastikanzügen in Tokio ein Statement gesetzt. © picture alliance/dpa | Marijan Murat
Andrea Schültke im Gespräch mit Massimo Maio · 28.07.2021
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Männer machen einfach nur Sport – Frauen sollen auch noch Haut zeigen: Die deutschen Turnerinnen und die norwegischen Beachhandballerinnen haben mit ihren Outfits eine Debatte über sexualisierte Kleidervorschriften für Sportlerinnen angestoßen.
Es ist ein Zeichen gegen die Sexualisierung der Körper von Sportlerinnen: Die deutschen Turnerinnen sind bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht in den typischen beinfreien Outfits, sondern in langen Gymnastikanzügen angetreten. Kurz vor Olympia hatten auch die norwegischen Beachhandballerinnen für die Europameisterschaft statt knapper Bikinihöschen etwas längere Shorts angezogen – und dafür eine Geldstrafe kassiert, weil sie so gegen die Kleiderordnung verstoßen hatten.

Alte Männer, tradiertes Frauenbild

Nun ist eine Debatte darüber entbrannt, warum von Sportlerinnen bestimmter Disziplinen erwartet wird, bei Wettkämpfen viel Haut zu zeigen. Die Sportjournalistin Andrea Schültke erklärt sich geschlechtsspezifische Kleidervorschriften mit alten Strukturen im Sport:
"Die meisten Sportverbände sind von Männern dominiert – und von alten Männern. Wenn die die Regeln machen, dann hängen die wahrscheinlich auch noch einem alten, tradierten Frauenbild nach, demzufolge die Frauen schön und nett anzusehen sein sollen – und sexy noch dazu."
Widerstand von Sportlerinnen gegen sexualisierte Kleidervorschriften gibt es schon länger: Bereits Ende der 80er-Jahre habe die Basketballnationalspielerin Birgit Palzkill gegen die unterschiedlichen Bekleidungsregeln für Männer und Frauen protestiert, erinnert Schültke. "Dann hat sich das in den letzten Jahren stetig entwickelt." So dürften Beachvolleyballerinnen, anders als Beachhandballerinnen, schon seit 2012 auch längere Hosen tragen.
"Es geht mehr und mehr dahin, dass die Athletinnen sagen: Wir wollen einfach anziehen, was wir wollen, und im Wettkampf eine Bekleidung tragen, in der wir uns wohlfühlen", sagt die Sportjournalistin.

Mediale Aufmerksamkeit nutzen

Ist das der Anfang vom Ende des männlichen Blicks im Sport? Es sei noch sehr viel zu tun, glaubt Schültke. Die Sportlerinnen würden aber immer mehr verstehen, dass sie die mediale Aufmerksamkeit nutzen können:
"Dadurch, dass die Handballerinnen jetzt einfach etwas gewagt haben, ist das in aller Munde. Dadurch haben sie natürlich noch viel mehr den Blick auf dieses Thema gelenkt und damit auch ihren Verband furchtbar alt und antiquiert aussehen lassen."
Nike Lorenz, Kapitänin des deutschen Hockeyteams, trug im Spiegel gegen Großbritannien am Knöchel einen Kapitänsbinde in Regenbogenfarben.
Nike Lorenz, Kapitänin des deutschen Hockeyteams, trug im Spiegel gegen Großbritannien am Knöchel eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben. © imago images / Sven Simon
Der Verband müsse sich jetzt bewegen, sagt Schültke. Sie blickt auf die Bewegung noch etwas umfassender. Athletinnen und Athleten würden mehr und mehr ihre Macht erkennen und ihre Rechte einfordern: So würden sie sich auch immer mehr politisch positionieren wollen - und würden beispielsweise durchsetzen, eine Regenbogenbinde zu tragen. Wie die deutsche Hockeyspielerin Nike Lorenz, die dank einer Sondergenehmigung bei ihrer Auftaktpartie im olympischen Turnier mit einer Kapitänsbinde in Regenbogenfarben spielte.
(jfr)
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