Olympia Spezial: Tschernenko und die KPDSU, Bach, Vesper, der DOSB und Co.

09.08.2008
März 1985. Ein langer russischer Winter geht zu Ende. Das sowjetische Staatsfernsehen zeigt im fernen Moskau einen greisen Mann.
März 1985. Ein langer russischer Winter geht zu Ende. Das sowjetische Staatsfernsehen zeigt im fernen Moskau einen greisen Mann. Konstantin Ustinowitsch Tschernenko. Weißhaarig, zittrig, offensichtlich invalid. Eine Stimme aus dem Off verkündet zu den Bildern in feinstem Parteirussisch die frohen Botschaften aus dem Kreml. Dem Staats- und Parteichef gehe es hervorragend. Er erfreue sich allerbester Gesundheit. Stark wie ein Stier. Geistig hellwach etc. Die Welt sieht währenddessen einen hinfälligen Greis, der über die Mattscheibe irrlichtert. Kurze Zeit später wird Michail Gorbatschow die Perestroika verkünden. Auch wenn es ihm anfangs lange niemand glauben will.
Ein Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Peking, dem IOC und dem DOSB scheint auf den ersten Blick vielleicht gewagt? Aber es geht nicht um eine Gleichsetzung von IOC und DOSB mit der KPDSU. Es geht um den Vergleich gescheiterter Medien- und Informationsstrategien. Die KPDSU war Mitte der 1980er Jahre schwach, leb- und kopflos. Michail Gorbatschow konnte nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Die Staatspropaganda hatte jeden Kredit bei Volk und Beobachtern verspielt.

Hinsichtlich ihrer Kommunikation ist Glaubwürdigkeit das höchste Gut gesellschaftlicher Institutionen. Seien es Verbände oder Parteien. Und was sich IOC und DOSB zur Zeit rund um die Olympischen Spiele in Peking erlauben, grenzt je nach Perspektive an eine Komödie, eine Groteske und für viele Menschen vor Ort an eine Tragödie. Eine Kommunikations-Perestroika ist nicht in Sicht.
Grund genug für uns in dieser Woche ein Olympia-Online-Spezial aufzulegen und die wichtigsten Beiträge in der deutschsprachigen Medienlandschaft zusammenzutragen. Wie verhält sich die chinesische kommunistische Partei mit Blick auf tausende ausländische Journalisten und die vielen Internetdissidenten und kritischen Journalisten im eigenen Land? Ist das Netz in China dauerhaft verfügbar, wann und für wen und was wird gesperrt? Dürfen sich Athleten äußern oder wird ihnen das Denken so wie das Bloggen verboten? Wie unabhängig sind die einreisenden Sportjournalisten aus aller Welt? Und welche geheimnisvollen Strategien verfolgt eigentlich das IOC?
Unsere erste Empfehlumg betrifft den leere Phrase vom mündigen Athleten. Wie wir bereits am zurückliegenden Samstag berichteten, untersagt der DOSB den deutschen Athleten die freie Meinungsäußerung via Blog. Eine Zumutung, wie auch Stefan Niggemeier im Gespräch mit unserem Kollegen Dieter Kassel gestern konstatierte. Interview unten im Player.

Dazu möchten wir noch auf ein Interview mit Hajo Seppelt in der heutigen Tagesschau verweisen. Der Anlaß: Die IOC Vollversammlung sperrt die Journalisten aus. Das Interview gibt's hier.
Abschließend, als letzte Empfehlung für heute, ein Bericht des Magazins Report-Mainz über Gehirndoping für Olympia-Funktionäre. Nach dem unmündigen Athleten, gibt's hier noch den unmündigen Funktionär. Herzlichen Glückwunsch.
Markus Heidmeier / Breitband
Foto: Reporter ohne Grenzen