Olympia 2016 in Rio

Keine Spiele für die Armen

Sicherheitskräfte vor einem Haus, das von einem Bagger abgerissen wird
Ordnungskräfte sichern den Abriss der Villa von Maria da Penha © Deutschlandradio / Carsten Upadek
Von Anne Herrberg · 07.08.2016
Maria da Penha lebte in einer Favela in Rio, dort, wo jetzt das Olympische Dorf steht. Sie ist eine der zehntausenden Brasilianer, die wegen Olympia umgesiedelt wurden - obwohl der Staat eine Bleibegarantie gegeben hatte.
56 Quadratmeter plus Vorgarten hat sie gewonnen, exklusive Wohnlage. Doch die großen Mangobäume sind nicht mehr da, es bläst kein frischer Wind mehr herüber von der Lagune. Stattdessen hat Maria da Penha nun eine weiße Betonmauer vor der Nase. Dahinter beginnt der Olympiapark: gläserne Türme, riesige Parkflächen, nagelneue Arenen.
"Ich frage: Für wen sind die Olympischen Spiele? Für mich? Bestimmt nicht. Es ist für die, die Geld haben. Und dann frage ich: Was bedeutet denn Olympia? Vereinigung der Völker, oder nicht? Aber es ist eine falsche Einigkeit. Denn dort, wo diese Mega-Events hinkommen, vertreiben sie uns Arme."
Dagegen lehnte sich die kleine, zierliche Frau aus der Favela auf. Sie ist zum Gesicht des Widerstandes geworden. Ihre Geschichte ging durch die Weltpresse – doch ihr einstiges Zuhause, die Favela Vila Autodromo, liegt trotzdem in Trümmern.
Rückblick ins Jahr 2015: Bulldozer fahren vor. Sie reißen die kleinen Backsteinhäuschen ein, knüppeln auf Nachbarn ein, brechen Maria die Nase. Dabei hatten alle Bewohner der Favela ein staatlich garantiertes Nutzungsrecht auf 99 Jahre.

Zehntausende Menschen wurden umgesiedelt

"Zwei Jahre mussten wir kämpfen, damit ein Recht respektiert wird, das uns zusteht. Sie wollten einfach nicht verstehen, dass ich es nicht verkaufe."
In der Vision, die Rios Bürgermeister Eduardo Paes und die Bauherren der Sportstätten für das Olympiagelände entwickelt haben, gibt es keinen Platz für Menschen wie Maria da Penha – ein exklusives Luxus-Stadtquartier wird dort entstehen. Milliardenschwere Immobiliendeals. Kritiker sprechen von Milliardenmauscheleien. Bürgermeister Paes entrüstete sich – doch den Widerständler der Vila Autodromo versprach er schließlich zähneknirschend neue Häuschen.
"Als Gewinnerin fühle ich mich nur zum Teil. Denn nur 20 Familien unserer Gemeinde bleiben, dabei hätten alle 580 Familien hier sein können, das hätte den Olympiapark und die Spiele gar nicht beeinträchtigt."
Rund 77.000 Menschen wurden im Vorfeld von Weltmeisterschaft und Olympia umgesiedelt, die Fälle hat ein Team der Landesuniversität von Rio erhoben. Maria da Penha blickt nachdenklich auf den Olympiapark.
"Ich bin nicht gegen die Olympischen Spiele, aber dagegen, wie sie organisiert werden – den Verantwortlichen geht es nicht um Sport, es geht ums Geschäft, um Kapitalismus."
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