Olaf Nicolai zum Tod von A.R. Penck

"Da haben mindestens zwei Seelen in dieser Brust gelebt"

Archivfoto / Dresden (Sachsen): Der Maler A. R. Penck posiert vor seinem Gemälde "Go Go Gorbatschow" (1998), das am 29.04.1994 im Treppenhaus des Dresdner Albertinums feierlich enthüllt wurde.
Der Maler A. R. Penck / Gemälde (Archivfoto und Text 1994) © picture alliance / Zentralbild / (DRE02-290494)
Olaf Nicolai im Gespräch mit Marietta Schwarz · 03.05.2017
Der jüngst verstorbene Künstler A.R. Penck war Zeitgenosse von Baselitz, Lüpertz, Polke und Immendorff und galt als Vater der "Neuen Wilden". Künstlerkollege Olaf Nicolai bewundert Pencks genauso expressive wie nachdenkliche Künstlerpersönlichkeit.
Berühmt wurde A.R. Penck mit seinen Strichzeichnungen, die an Höhlenmalereien erinnerten und sich teilweise zum Ornament auswuchsen. 77 Jahre wurde A.R. Penck, der eigentlich Ralf Winkler hieß, alt. 1939 in Dresden geboren, als Künstler in der DDR abgelehnt, von der Stasi verfolgt und schließlich 1980 ausgewiesen. Da war Penck schon ein internationaler Star.
Der Künstler Olaf Nicolai sagte im Deutschlandfunk Kultur, A.R. Penck habe zwei Dinge auf eine extrem seltene und souveräne Art und Weise miteinander verbunden:
"Viele Leute haben seine Malerei vielleicht kennengelernt, die Standardfiguren, und haben das so wie eine übertriebene, fast schon in die Massenproduktion getriebene Ornamentalisierung gesehen, haben aber nicht gesehen, wie stark dahinter auch konzeptionelle Ansprüche eine Rolle spielen. Und umgekehrt, Leute, die sich sehr viel mit dem Konzeptionellen beschäftigt haben, haben ein bisschen unterschätzt wie wichtig doch diese sehr individuelle, persönliche Haltung, die sich in der Expression artikuliert hat, wichtig für ihn gewesen ist."

Auf der Höhe der Zeit

Als "Mann der Strichmännchen" werde man A.R. Penck nicht gerecht.
"Schon zu Lebzeiten sind da sehr flachbrüstige Interpretationen unterwegs gewesen."
A.R. Penck sei ein vielseitiger Künstler gewesen, so Nicolai:
"Es gibt sehr schöne und interessante Bücher von ihm, nicht nur Künstlerbücher, sondern auch Texte, wo man ihn auch als einen sehr nachdenklichen und durchaus extrem auf der Höhe der Zeit sich befindlichen Leser kennenlernt, und das sind so Dinge, die natürlich auch diese extrem starke Präsenz, die er hatte, wenn er Musik gemacht hat, oder wenn er gemalt hat, dieses körperliche Expressive für viele Leute einfach verdeckt hat, weil sie sich nicht vorstellen können, dass da mindestens zwei Seelen in dieser Brust gelebt haben."

"Untalentierte Ärsche"

Auch der Künstler Jürgen Böttcher, besser bekannt unter dem Namen Strawalde, der Penck schon als 14-Jährigen kennen gelernt hat, sagte im Deutschlandfunk Kultur: "Er war eigenwillig, intensiv und dynamisch." Penck hatte bei ihm Zeichenkurse belegt.
Über die Rolle des DDR-Überwachungsstaates in ihrer beider Leben: "Natürlich war das lästig. Man ahnte. Aber in diesen Anfangsjahren war das auch noch nicht so spürbar. Wir haben einfach unser Zeug gemacht." Penck habe die DDR eigentlich nicht verlassen wollen. Der Westen sei für ihn gleichbedeutend mit dem Alten gewesen, der Sozialismus sei für ihn war auch nicht ideal, aber doch Ausdruck des Neuen gewesen. Zum Hintergrund der späteren Schikane gegen Penck sagte Strawalde:
"Es geht ja immer um den gleichen Witz. Diese Leute, die sich da politische gebärdet haben, waren untalentierte Ärsche und haben große Talente, wenn sie auftauchten, niedergemacht."

Hören Sie das komplette Interview mit dem Künstler Jürgen Böttcher, Strawalde genannt.
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