Ohne Wasser in den Anden

Bolivien sitzt auf dem Trockenen

Auf einer riesigen trockenen Fläche liegen Boote
Der Lago Poopó ist Ende 2015 komplett ausgetrocknet © Dirk Hoffmann, Bolivian Mountain Institute
Dirk Hoffmann, Peter Stegemann und Sophia Boddenberg  · 30.08.2018
Die bolivianische Verfassung sagt: Wasser ist ein Menschenrecht. Der Staat kontrolliert die Wasservorräte, trotzdem gibt es viel zu wenig davon. Seen trocknen komplett aus, die Millionenstadt La Paz war teilweise wochenlang ohne Wasser.
Es war Ende 2016 als in La Paz - Boliviens Regierungssitz - kein Wasser mehr aus dem Hahn floß. Nicht die arme Bevölkerung war betroffen, die sowieso oft gar kein fließendes Wasser hat, sondern rund 300.000 Menschen im Süden der Stadt. Eher wohlhabende Familien, die eigentlich gewohnt waren, morgens warm zu duschen.

Als der Wasserhahn trocken blieb

"Das Duschen war nicht das größte Problem," erinnert sich Peter Stegemann. Er wurde von einer Kollegin, die einen großen Wassertank hatte, zweimal die Woche solidarisch zum "Reinemachen" eingeladen. "Am schlimmsten war es, die Toilette nicht mehr spülen zu können."
Brauner Berg mit Schneespitze
Illimani, der Gletscher nahe la Paz, schmilzt unaufhörlich.© Dirk Hoffmann, Bolivian Mountain Institute
Grund für den plötzlichen Wassermangel war das Ausbleiben des Regens nach der Trockenzeit. Der Stausee, der für die Versorgung des Stadtteil zuständig ist, war leer. "Die Trockenzeit dauert heute länger als früher, es fällt weniger Regen und die Bevölkerung in den Städten nimmt zu, braucht also auch mehr Wasser", fasst Dirk Hoffmann vom Bolivianischen Gebirgsforschungsinstitut die Misere zusammen.

Auf 6000 Meter Höhe ist der Klimawandel unübersehbar

Der passionierte Bergsteiger beobachtet seit vielen Jahren den Klimawandel in den Anden. Dazu gehören regelmäßige Ausflüge in die Gletscher, wo sich die Auswirkungen der Erderwärmung am deutlichsten zeigen. "Man sieht ein rasantes Abschmelzen der Gletscher, und da brauchen wir keine Postkarten aus dem letzten Jahrhundert. Da reichen meine eigenen Fotos, die ich vor sieben oder acht Jahren gemacht habe, da ist schon zwei, drei Jahre später deutlich zu erkennen, dass sich die Gletscherzungen zurückziehen. Also der Klimawandel ist im Hochgebirge von Boliven derart ersichtlich, es ist einfach erschreckend."
zwei Jeeps stehen in ausgetrockneter Weite
Exkursion zum ausgetrockneten See Logo Poopó, unweit von la Paz.© Dirk Hoffmann, Bolivian Mountain Institute
Während die Gletscher schmelzen, gelangt anfangs zwar mehr Wasser in die Stauseen, aber nur so lange es die Gletscher noch gibt. Gleichzeitig gibt es weniger Regen, statt sechs dauert die Trockenzeit inzwischen sieben Monate und damit steigt die Verdunstung. Ganze Seen sind komplett ausgetrocknet, wie der Lago Poopó im Dezember 2015, dessen Schicksal Dirk Hoffmann und seine Kollegen vom Bolivian Mountain Institute analysiert haben.

Von Menschen gemachte Misere

"Wir haben zum einen den Klimawandel, es ist wärmer, die Verdunstung ist stärker. Hinzu kam in diesem Fall das Wetterphänomen El Niño, dadurch verschob sich die Regenzeit weiter nach hinten bis Ende Januar 2016. Der Hintergrund ist allerdings ein Mensch gemachter. Man hat beim Hauptzufluss des Lago Poopó zu viel Wasser abgezweigt zur Bewässerung, jede Menge Kanäle, teilweise illegale. Da betreibt die Regierung Klientelpolitik für die Kleinbauern, wenn man so will, denn die brauchen das Wasser für ihre Felder. Nur sitzen am anderen Ende auch Menschen, am See zum Beispiel die Fischer. Die müssen ihre Heimat verlassen, sie ziehen in die Städte, weil sie am See nicht mehr überleben können und beziehen dort ihr Wasser aus den Stauseen, die viel zu klein sind für so viele Menschen."
Hütten in staubiger Berglandschaft
In El Alto in La Paz lebt die arme Bevölkerung auf knapp 4000m Höhe. Fließendes Wasser haben die meisten nicht.© Deutschlandradio / Dirk Hoffmann

"Man muss gucken, wo das Wasser herkommt"

In den letzten 25 Jahren hat sich die Bevölkerung in den Städten fast verdoppelt. Es wurden aber keine neuen Staubecken gebaut, das heißt die Investitionen der Regierung in die Wasserversorgung sind zu gering. Zwar ist der Zugang zu Wasser in der bolivianischen Verfassung als Menschenrecht festgeschrieben und die sozialistische Regierung Evo Morales hat vielen Bolivianern den kostenlosen Zugang zu Wasser ermöglicht. Soweit ist das gut, meint Dirk Hoffmann, aber: "Der grundsätzliche Fehler ist, dass man nicht guckt, wieviel Wasser haben wir denn, wie viel werden wir zukünftig haben, und das unter sozialen Gesichtspunkten dann gerecht verteilt. Einfach nur zu verteilen, ohne sich Gedanken zu machen, wo kommt es denn her, das ist problematisch."
Umweltwissenschaflter und Bergsteiger Dirk Hoffmann,
Umweltwissenschaflter und Bergsteiger Dirk Hoffmann, Bolivian Mountain Institute.© Deutschlandradio / Dirk Hoffmann
Mehr zum Thema