Offizier, Schriftsteller, Käfersammler

Warum uns Ernst Jünger noch lange beschäftigen wird

Schriftsteller Ernst Jünger
Der Schriftsteller Ernst Jünger an seinem Schreibtisch in Wilfingen Ende der 1970er-Jahre. © imago/Sven Simon
Niels Penke im Gespräch mit Ute Welty · 23.03.2018
Für die einen ist Ernst Jünger der rechte Vordenker der 1920er, für die anderen ist er der Autor ästhetisch brillanter Schriften. Auch heute noch scheiden sich an Jünger die Geister, meint Literaturwissenschaftler Niels Penke - und das werde auch noch lange so bleiben.
Schriftsteller, Offizier, Vordenker der Neuen Rechten und Insektenkundler - der 1998 im Alter von 102 Jahren verstorbene Ernst Jünger hatte viele Facetten. Zeit seines Lebens schieden sich an ihm die Geister.
Ernst Jünger sei voller Widersprüchlichkeiten und Widerhaken gewesen und habe sich immer wieder neu erfunden, sagt der Literaturwissenschaftler Niels Penke, der 2011 mit einer Arbeit über Jünger promoviert wurde und gerade das Buch "Jünger und die Folgen" veröffentlicht hat.

Nach 1945: gewandelt, geläutert, christlich

Als rechtsrevolutionärer Publizist der zwanziger Jahre habe sich Jünger eigentlich für die spätere Rezeption "für viele unmöglich gemacht", so Penke im Deutschlandfunk Kultur. In den dreißiger Jahren sei Jünger dann auf Distanz zur NSDAP gegangen, "um dann nach 1945 als ein gewandelter, geläuterter, christlicher Autor wieder auf der Bildfläche zu erscheinen".
Doch auch dieses Bild habe Jünger später mehrfach gebrochen: "Also sei es jetzt durch seine Drogenbekenntnisse und sein Drogenbuch 'Annäherungen: Drogen und Rausch' oder eben auch dieser Zug ins Postmoderne, Science-fictionhafte".
Die ständigen Neuerfindungen haben es überhaupt erst möglich gemacht, dass viele sich immer wieder auf Jünger bezogen, wenngleich nicht alle diese für glaubhaft hielten. "Gerade dieser Neuentwurf nach 1945 hat ja auch viele nicht überzeugt", sagt der Literaturwissenschaftler. "Sowohl ältere Weggefährten, die das als eine Camouflage, als einen billigen Trick verstanden haben, sich wieder irgendwie salonfähig zu machen, gegenüber einer eher linken Kritik, die auch darin nur eine Camouflage eines gewandelten rechtspolitischen Strategen gesehen hat."

Weiterhin ein wichtiger Zeuge des 20. Jahrhunderts

Dass Jünger nach wie vor umstritten ist, liegt Penke zufolge daran, dass sich mit Jünger zentrale Fragen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert und der deutschen Identität verbinden: "Also, ob der Erste Weltkrieg, das Dritte Reich, ob der Zweite Weltkrieg und der ganze Vorrat dort an großen Fragen: Wie steht es um die Schuld? Wie lässt sich mit dem Schweigen der Mehrheitsgesellschaft umgehen?"
Bei all diesen Fragen spiele Jünger als Akteur und Autor "zentral mit rein", betont der Literaturwissenschaftler. "Und ich glaube, solange über die Ereignisse deutscher Geschichte keine Einigkeit erzielt wurde, wird Jünger auch in dem Kontext immer wieder als eine wichtige Figur, als ein wichtiger Zeuge in Erscheinung treten."
(uko)

Niels Penke: "Jünger und die Folgen"
Verlag J.B. Metzler 2018
176 Seiten, 19,99 Euro
(als E-Book 14,99 Euro)

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