Österreichischer Schriftsteller Robert Seethaler

Ein Stiller im Rennen um den Man Booker Prize

Der österreichische Schriftsteller Robert Seethaler , aufgenommen am 10.10.2014 auf der 66. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main (Hessen).
Der österreichische Schriftsteller Robert Seethaler © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Von Holger Heimann · 13.05.2016
Am Montag wird in London der Man Booker International Prize verliehen - eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen weltweit. In diesem Jahr ist nach langer Pause ein deutschsprachiger Autor nominiert: Der Österreicher Robert Seethaler, der abwechselnd in Berlin und Wien lebt, mit seinem Bestseller "Ein ganzes Leben".
Robert Seethaler ist einer der stillen Stars der Literaturszene. Ein Bestsellerautor, der möglichst wenig in der Öffentlichkeit ist und nur ungern Interviews gibt. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der gebürtige Wiener zunächst als Schauspieler von sich reden machte. Doch längst ist der einstige vermeintliche Traumberuf in den Hintergrund getreten. Nur noch sehr selten ist der imposante Mann – Seethaler ist fast zwei Meter groß – auf der Kinoleinwand oder im Fernsehen zu sehen. Und darüber ist er selbst sehr froh:
"Ich habe unter der Schauspielerei immer sehr gelitten, mich in den Boden hinein geschämt. Das sind schlechte Voraussetzungen, um auf der Bühne zu stehen. Ich habe mich nie für ein Tun oder Nichttun geschämt, sondern für das pure Sein. Und dann angesehen zu werden auf der Bühne im Licht, ist natürlich fürchterlich."

Im Schreiben besser als auf der Bühne

Es hat lange gedauert, bis Robert Seethaler bemerkt hat, dass er sich im Schreiben besser ausdrücken kann. Denn so recht zugetraut hat er es sich eigentlich nicht, pralle Fantasiewelten zu entwerfen. Schriftsteller – das schienen für ihn andere Menschen zu sein – belesen, selbstsicher, eloquent. Robert Seethaler war all das eher nicht. Bücher spielten im elterlichen Haushalt ohnehin kaum eine Rolle:
"Ich komme aus einer ganz einfachen Arbeiterfamilie. Für mich ist auch jetzt der Beruf des Schriftstellers geradezu etwas Absurdes. Ich kann es selbst noch gar nicht glauben, wenn mich jemand fragt, was machen Sie denn beruflich, und ich sage, ich bin Schriftsteller. Die Worte stehen seltsam fremd leuchtend vor meinem eigenen Geist. Ich betrachte sie als etwas völlig Außergewöhnliches, nicht zu mir Gehörendes."
Vor zehn Jahren erschien Robert Seethalers erster Roman – mit dem eigentümlichen Titel "Die Biene und der Kurt", der von der Freundschaft zwischen einem unscheinbaren Mädchen und einem Möchtegern-Rock -'n'-Roller erzählt. Seine vorerst letzten beiden Bücher, "Der Trafikant" und "Ein ganzes Leben", wurden zu Bestsellern. Die Prosa des heute 49-jährigen Schriftstellers hat sich verändert – seine Sätze sind noch knapper jetzt. Leichter geworden ist das Schreiben jedoch nicht.
"Das ist schwere Arbeit, da am Schreibtisch zu sitzen und sich all dem zu stellen, all diesen Träumen und Fantasien, die ja nicht nur das Schöne bedienen. Abgesehen davon, dass es für mich schon schwere Arbeit ist, einen geraden Satz zusammen zu bekommen."

Ruhiger, zurückgenommener Erzählstil

Die Anstrengung des Schreibens aber merkt man seinem jüngsten Buch nicht an. Seethaler führt in ein abgelegenes Alpendorf im vorigen Jahrhundert und erzählt die schmerzliche Lebensgeschichte eines einfachen, leidgeprüften Mannes. Doch er tut dies gänzlich unspektakulär, ohne jegliche Aufgeregtheit. Es ist dieser ruhige, zurückgenommene Erzählstil, der dem Roman etwa Zeit- und Ortloses gibt.
"Also ein Leben ist ein Leben. Und jedes Leben reduziert sich auf das pure Dasein. Das ist das, was mich interessiert. Der Kern des Daseins, wenn es den gäbe. Für mich war es wichtig, all diesen Zierrat wegzustreichen und nicht näher darauf einzugehen, wie Moden oder Zeitgeschehnisse, die einen nicht wirklich in der Seele berühren. Davon befreit bleibt nichts als das pure Leben. Da geht es immer nur um dasselbe: um Überleben, um Liebe, um Kraft, um Tod."
Robert Seethaler erzählt mit großer Souveränität von einem Leben, das uns fern und trotzdem nicht fremd ist. Eben dies hat vermutlich nicht nur viele Leser in Bann geschlagen, sondern auch die Juroren in London überzeugt.
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