Obdachlos auf Hawaii

Albtraum statt Traumstrand im Paradies

Westside camp farm.
Obdachlosen-Camp am westlichen Rand von Honululu © Emre Caylak
Von Nicole Graaf und Emre Caylak · 13.11.2017
Elend statt Wellenreiten: Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es auf Hawaii mehr Obdachlose als in jedem anderen Bundesstaat der USA. Hier leben 8.000 Menschen ohne ein zu Hause. Denn das Touristenparadies ist nicht nur wunderschön, sondern für viele auch zu teuer.
Der Beachpark von Kaka'ako am westlichen Rand von Hawaiis Hauptstadt Honolulu. Die Gegend gilt als einer der Hotspots für Obdachlose. Auf den Bänken der Strandpromenade trocknen Kleidungsstücke. Hinter einem Grashügel stehen etwa ein Dutzend Zelte in eine Senke. Ein paar junge Männer sitzen davor, hören Musik, unterhalten sich und schrauben an Fahrrädern. Ein kleiner drahtiger 54-Jähriger mit sonnengegerbtem Gesicht und verwuschelten Haaren, hat sich ein Stück weiter nahe dem Parkplatz eingerichtet. Er möchte nur seinen Spitznamen nennen: Junior. So rufen ihn alle hier. Seine Zeltplane hat er gegen einen Zaun gespannt. Ein großer Baum spendet Schatten. Daran lehnt Juniors Fahrrad mit einem kleinen Anhänger. Täglich macht er sich damit zum nahegelegenen Hafen auf.
"Da fahren die Touristenboote nach Waikiki ab. Wenn sie zurückkommen, warte ich auf sie und hole ihre Müllsäcke ab. Ich sammle Aluminium und sowas. Das bringe ich zum Recyclinghof und mache ein bisschen Geld damit. Nicht viel,... nur zum Überleben. Das Recyling ist für mich eine gute Beschäftigung, es hält mich von Ärger fern."
Junior vor seinem Zelt in Kaka´ako
Junior vor seinem Zelt in Kaka´ako© Emre Caylak
Junior hat als junger Mann an Bodyboarding-Wettbewerben teilgenommen. Er war schon damals mehr am Strand als zu Hause.
"Wie ich obdachlos geworden bin? Naja, ich denke mal, dadurch dass ich meinen Vater verloren habe. Und dann habe ich öfter meine Jobs verloren. Ich hab gern Party gemacht. Und dann hab ich's nie zur Arbeit geschafft, ich war immer auf Drogen: Speed, ICE, Mariuhana naja."
Die vielen Obdachlosen hinterlassen bei den Besuchern einen schlechten Eindruck und stören den Geschäftsverkehr. Deshalb hat der Staat an touristisch wichtigen Orten ein Sitz-und-Liege-Verbot verhängt – wie in Waikiki, dem weltbekannten Stadteil von Honululu, mit seinen Hotels und Einkaufsstraßen. Aber auch andernorts werden sie regelmäßig aus den Parks und von den Strandpromenaden vertrieben. Junior hat viele solcher Räumaktionen selbst miterlebt.
"Um 22 Uhr musst du aus dem Park raus sein. Polizisten kommen und bringen uns mit Gewalt hier raus, sie sagen zu viele Obdachlose in einer Gegend. Aber wir wissen nicht, wo wir hinsollen. Wir versuchen ja nur zu überleben."

Leichter Zugang zu Heroin als zu einem Medikament vom Arzt

Die Regierung hat lange Zeit eine neoliberale Politik gefahren und die sozialen Bereiche mehr und mehr zurückgeschnitten, erklärt Kimo Carvalho. Der 32-jährige stammt gebürtig aus Hawaii und arbeitet für das Institute for Human Services, kurz IHS. Die soziale Organisation kümmert sich in Zusammenarbeit mit den Behörden um Obdachlose.
"Über die letzten drei Jahrzehnte hat sich ein Investitionsstau gebildet und wir haben heute 40.000 Sozialwohnungen weniger als wir haben könnten. Und unter der republikanischen Gouverneurin zwischen 2002 und 2010 gab es eine Rezession und wir versuchten auf verschiedene Art und Weise zu sparen. Deshalb wurde in vielen Bereichen die Finanzierung gestrichen und jetzt sehen wir die Auswirkungen davon."
Zusätzlich zu der Obdachlosenkrise hat Hawaii auch eine der größten Zahlen an Drogenabhängigen in den USA. Carvalho spricht von einer handfesten Epidemie.
"In unserem Bundesstaat ist es einfacher an Heroin oder Methamphetamin zu gelangen als vom Arzt ein Medikament verschrieben zu bekommen. Es kommen hier also mehrere Faktoren zusammen zu einem größeren Problem: Wir haben zu wenige bezahlbare Wohnungen, eine Drogenepedemie, einen großen Niedriglohnsektor und zu wenige qualifizierte Jobs, ein System das ehemalige Strafgefangene einfach ohne Hilfe auf die Straße entlässt; wir haben nicht die Ressourcen uns um Menschen zu kümmern, die psychologische Hilfe brauchen und zusätzlich zu unserem Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben wir Ferienunterkünfte, die den nötigen Raum wegnehmen."

"Wir machen hier verdammt gute Arbeit"

IHS und andere Organisationen versuchen, die Menschen mit verschiedenen Hilfsangeboten wieder zurück in die Spur zu bringen. Sie betreiben auch zahlreiche Unterkünfte für Obdachlose. Sie sollen ihnen den Schritt zu einem Leben in einer richtigen Wohnung erleichtern. Aber das reicht bei weitem nicht aus, sagt Carvalho.
"Wir machen verdammt gute Arbeit und helfen jedes Jahr tausenden Menschen wieder eine Wohnung zu finden, aber am Ende haben wir mehr Menschen, die obdachlos werden, als die Zahl derer, die wir aus der Obdachlosigkeit herausführen können."
Spielende Kinder im Pu'uhonua - Camp
Spielende Kinder im Pu'uhonua - Camp© Emre Caylak
Neben den Gründen, die auch in anderen Teilen der Welt dazu führen, dass Menschen auf der Straße landen, kommen auf Hawaii aber noch ganz eigene Faktoren dazu; Was dem Problem dort ebenfalls zugrunde liegt, ist ein Verdrängungswettbewerb, der weit in die Geschichte der Inseln zurückreicht: Nachdem Captain James Cook 1778 auf seinen Entdeckungsreisen durch den Pazifik auf Hawaii gelandet war, kamen mehr und mehr Weiße dorthin; zuerst Missionare, dann reiche Geschäftsleute, die Plantagen gründeten. Sie sicherten sich immer mehr Land und Einfluss und erreichten am Ende den Sturz des Königshauses und die Annexion Hawaiis als Hoheitsgebiet der USA. 1959 wurden die Inseln dann zum Bundesstaat. Den indigenen Hawaiianern ging es ähnlich wie den Amerikanischen Natives: Ihre Kultur wurde unterdrückt; die Menschen verloren ihr Wertesystem und ihren Halt. Das zieht sich bis in die heutige Generation fort. In der offiziellen Obdachlosenstatistik wird nur sehr grob nach ethnischen Gruppen unterschieden. Aber es ist augenscheinlich, dass mehr Indigene und gemischtrassige Menschen betroffen sind als Weiße.

Ein Hafen als sozialer Brennpunkt

Kaina Nakane'aloha wäre auch fast auf der Straße gelandet. Der 32-jährige ist ein Hawaiianer, wie er im Buche steht: groß und füllig mit einer freundlichen, gutmütigen Art, die aber auch schnell in Stolz und Härte umschlagen kann. Er arbeitet für einen kleinen Verein, der sich für die Wiederbelebung der indigenen Kultur einsetzt. Nakane'aloha baut traditionelle Boote und unterrichtet Kinder und Jugendliche in diesem überlieferten Handwerk. In seiner Werkstatt am Hafen von Wai'anae arbeitet er gerade an einem Kanu aus Holz. Die Gegend gilt als sozialer Brennpunkt.
"Ich bin mit all den Vorurteilen über Wai'anae aufgewachsen, dass es hier gefährlich ist, voller Drogen, Obdachloser und so weiter. Ich bin dann auch in diesen Lebensstil hineingeraten, habe Drogen genommen, Drogen verkauft und all das. Aber ich hatte Glück, einen guten Lehrer zu treffen. Er hat mich die Geschichte unseres Volkes gelehrt, wer wir waren, was wir erreicht haben. Mit seiner Hilfe habe ich zurück auf den richtigen Weg gefunden."
Nelda, eine Obdachlose, in ihrer Unterkunft
Nelda, eine Obdachlose, in ihrer Unterkunft© Emre Caylak
Nakane'aloha hat miterlebt, wie das Leben selbst im armen Westen von O'ahu immer teurer wurde und die Einheimischen mehr und mehr zu kämpfen hatten. Die großen Militärbasen hatten einen großen Einfluss auf diese Entwicklung, sagt er.
"Es gab Häuser für die Plantagenarbeiter, die erschwinglich waren. Aber jetzt kommen die Immobilienfirmen und sagen sich: "Hey, wir können diese Häuser günstig kaufen, möbeln sie auf und verkaufen sie teurer weiter. Das Militär wird solche Preise bezahlen." Die Angehörigen der Armee bekommen Zuschüsse, wenn sie nicht auf der Basis leben. Sie können leicht 3000 Dollar an Miete zahlen, wir können uns das nicht leisten. Viele Armeenagehörige ziehen jetzt hierher, die Häuser werden teurer verkauft und damit steigen auch die Preise für uns und auch unsere Grundsteuern. Ich zahle 1500 Dollar an Miete und das ohne Nebenkosten, das ist ziemlich krass für so ein ehemaliges Plantagenarbeiterhäuschen mit zwei Schlafzimmern. Ich bin selbst nur einen Monatslohn davon entfernt, irgendwo in einem Zelt zu landen und das geht vielen Familien so. Sie hangeln sich von Monat zu Monat und hoffen und beten, dass die nächste Lohnzahlung kommt, sonst landen sie auf der Straße."

Private Investoren lockt das lukrative Geschäft mit Touristen

Es liegt aber nicht nur an der starken Militärpräsenz, dass die Mieten und anderen Lebenshaltungskosten so rasant gestiegen sind, sondern auch an privaten Investoren, die auf das lukrative Geschäft mit Touristen schauen und auf die wohlhabenden Rentner vom Festland, die sich auf Hawaii gern zur Ruhe setzen.
"Es ist sehr traurig zu sehen, welche negativen Effekte der Tourismus auf unsere Gesetzgebung gehabt hat. Große landwirtschaftliche Flächen, sind umdeklariert worden, damit sie entwickelt werden konnten. Jetzt können sie also Hotels da bauen. Wenn wir zum Strand runter fahren, dann sehe ich da all die Touristen, während wir uns abrackern, um uns die Miete leisten zu können; die Miete, die so teuer geworden ist wegen der Touristen. Das tut uns weh. Wir versuchen zu überleben und sie stopfen uns immer weiter Touristen ins Maul; wir wollen das nicht.
Solch scharfe und gar nationalistische Töne hört man von vielen Hawaiianern. Sie sehen die Armee und die reichen Leute vom Festland als Kolonisatoren. Auch unter den Obdachlosen teilen viele diese Sichtweise. Doch manche erobern sich das Land auf ganz eigene Weise zurück.
Das Pu´uhonua-Camp im armen Westen von O´ahu
Das Pu´uhonua-Camp im armen Westen von O´ahu© Emre Caylak
Hinter der Werkstatt, in der Nakane'aloha seine Boote baut und Workshops abhält, liegt ein großes Camp von Obdachlosen: Aus Planen, Paletten und Campingzelten zusammengebaute Behausungen in einem kleinen Wäldchen, das an den Hafen von Wai'anae grenzt. Man sieht gleich, dass dieses Obdachlosencamp sich von anderen unterscheidet: Die meisten Behausungen hier sind mit richtigen Möbeln ausgestattet und geräumig genug, dass sie Platz für eine Küche und einen separaten Schlafraum bieten.

200 Menschen leben hier in einer Gemeinschaft

Kleine Mäuerchen aus aufeinandergestapelten Steinen oder mit zu Zäunen zusammengezimmerte Holzlatten sorgen für Privatsphäre; Blumentöpfe, Traumfänger, bemalte Steine und andere Dekomaterialien für etwas Heimeligkeit. Die unbefestigten Wege zwischen den Hütten sind so gründlich gefegt, dass sich die Kratzspuren der Rechen und Harken abzeichnen. Rund 200 Menschen leben hier, ein Viertel davon Kinder. Sie haben sich eine Gemeinschaft geschaffen, die auf ganz eigene Weise funktioniert, sagt Loke Chun-Lono, eine der Bewohnerinnen.
"Dies ist ein Dorf. Es ist etwas Einmaliges. Jeder hier ist auf seine Art einzigartig. Was wir hier aufgebaut haben, kommt von Herzen."
Loke Chun-Lono führt durch den Gemeinschaftsgarten in dem Taropflanzen und Kräuter wachsen. In einem Stall aus Holz und Maschendraht flattern rund ein dutzend Hühner umher. Chun-Lono ist eine kleine, kräftige Frau mit grau meliertem wuscheligem Haar, das sie zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengebunden hat. Sie lebt seit etwa sieben Jahren hier und hat geholfen, dieses Camp zu dem zu machen, was es heute ist.

"Wir halten zusammen und helfen einander"

"Wir fühlen uns hier als eine Familie. Ohana nennen wir das. Wir halten zusammen und helfen einander. Wenn Sie mich auf der Straße treffen, würden Sie nicht auf die Idee kommen, dass ich obdachlos bin, es sei denn ich sage es Ihnen."
Chun-Lono spricht in sanftem Ton aber sie kann auch anders, wenn nötig. Sie ist eine der Captains hier. Als mehr und mehr Menschen dazukamen, haben sie das Camp in Zonen aufgeteilt, um die sich jeweils ein Captain kümmert; fast alle von ihnen sind Frauen. Wenn es Probleme gibt, können die Menschen zu ihnen kommen. Die Bewohner haben diesen Ort nach dem alten Hawaiianischen Konzept eines Pu'uhonua gestaltet, erzählt Chun-Lono.
"Pu'uhonua ist Hawaiianisch und beschreibt einen heiligen Ort, ein Refugium. Dorthin kann man kommen und sich heilen. Und wenn du bereit bist weiterzugehen, dann mach das. Wir unterstützen dich, so gut wir können."

"Wenn du vom Weg abkommst, raff dich wieder auf"

Nach altem Gesetz konnten jene, die die Regeln gebrochen hatten, sich in ein solches Refugium flüchten. Dort waren sie sicher vor Verfolgung und konnten sich läutern, bis sie bereit waren, in die Gesellschaft zurückzukehren.
"Wenn du vom Weg abkommst, macht nichts, raff dich wieder auf. Streif den Staub von den Knien, und finde wieder zurück auf deinen Weg. Darum geht's hier. Wir versuchen dir Selbstbewusstsein zurückzugeben. Viele von uns haben das vor Jahren schon verloren. Manchmal braucht man Helden und Anführer. So wie Twinkle. Sie ist unsere Heldin. Sie hat so vielen Menschen geholfen."
Twinkle Borge besichtigt das Camp mit einer Freundin
Twinkle Borge besichtigt das Camp mit einer Freundin© Emre Caylak
Die Frau, von der Chun-Lono spricht ist Twinkle Borge. Sie lebt gleich am Eingang des Camps zusammen mit ihrer Lebensgefährtin und einer handvoll Nichten und Neffen und anderer Jugendlicher, die sie über die Jahre bei sich aufgenommen und aufgezogen hat. Borge, eine mütterlich wirkende 46-jährige Hawaiianerin mit kurzen braunen Locken, ist die Anführerin dieser Gemeinschaft. Sie sitzt auf einem Campingstuhl vor ihrem Haus und hält einen Welpen auf dem Schoss, der ebenfalls zur Familie gehört.
"Es ist selten, dass man mich zu Hause antrifft. Meistens bin ich auf Meetings und versuche die Dinge zu organisisieren, die wir hier brauchen. Zum Beispiel: wie können wir den Leuten die Möglichkeit geben, mal heiß zu duschen? Oder: Ich rede mit Leuten, die Essen spenden wollen, oder finde einen Paten für ein Kind, damit es zum Abschlussball gehen oder Football spielen kann."
Borge's eigene Geschichte gleicht der vieler hier: Eine Beziehungskrise warf sie aus der Bahn. Sie stürzte in eine Depression und begann Drogen zu nehmen. Bevor sie obdachlos wurde, war sie Sozialarbeiterin. Sie lebt seit über 13 Jahren in diesem Camp.
"Ich bin inzwischen freiwillig hier, obwohl ich ein Haus habe. Hier bin ich von den Drogen weggekommen, das ist mein zu Hause. Ich bleibe hier, um den Leuten zu helfen, vor allem den Kindern. Sie sind unsere Zukunft."

Die Polizei wollte das Camp räumen

Mit ihrer natürlichen Autorität und ihrem Händchen dafür, Menschen zusammenzubringen, hat sie erreicht, dass das Camp bleiben durfte und die Bewohner nicht von den Behörden verjagt wurden, wie andernorts. Das war nicht einfach, erzählt sie.
"Vor drei, vier Jahren sah das hier noch ganz anders aus. Und als ich anfangs hierherkam, waren manche in der Gegend dagegen, dass hier so viele Obdachlose leben. Sie versuchten uns zu räumen. Sie behaupteten, wir würden von der Schule nebenan stehlen. Die Polizei kam her und hielt uns ihre Waffen vor die Nase und machte unsere Zelte kaputt. Ich konfrontierte die Nachbarschaftsversammlung damit. Wir beriefen eine Versammlung ein, mit über 300 Leuten in dem Park da hinten. Wir versuchen hier Brücken zu bauen, nicht sie zu zerstören."
Inzwischen haben sich die Nachbarn an das Camp gewöhnt.
"Wir haben viele, die uns helfen: Kirchengemeinden, Soziale Organisationen, meine eigenen Freunde. Sie bringen Essen, Kleidung, Schulsachen. Und wir helfen damit nicht nur unseren Leuten sondern auch denen, die in normalen Häusern leben. Sie haben es genauso schwer wie wir."

Bei Konflikten mit den Nachbarn vermitteln die Captains

Damit das Zusammenleben funktioniert haben die Bewohner Regeln eingeführt.
"Bestehle niemanden, nimm Rücksicht auf deine Nachbarn, halte deinen Bereich sauber und leiste deine acht Stunden Gemeinschaftsarbeit im Monat."
Bei Konflikten vermitteln die Captains. Wenn es gar nicht mehr anders geht, verweisen sie Störenfriede aus dem Camp. Im Großen und Ganzen funktioniert das ganz gut. Schwierigkeiten bereiten eher die alltäglichen Dinge.
"Hier draußen bei Wind und Wetter zu leben, das hält nicht jeder aus. Manche denken vielleicht, "Yeah, wir gehen Zelten am Strand !", aber mach das mal 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das ist unser Leben. Das Schwierigste ist, das wir kein fließendes Wasser haben. Wir müssen zum Hafen gehen und dort Wasser holen. Die Leute hier schleppen zwischen 90 und 180 Liter pro Tag zu ihrem Zelt."
Für den Verkauf auf dem Markt: Fischfang im Pu'uhonua-Camp
Für den Verkauf auf dem Markt: Fischfang im Pu'uhonua-Camp© Emre Caylak
Auf dem Platz vor dem Hafen gibt es mehrere öffentliche Wasserhähne, an denen Bootsbesitzer ihre Yachten waschen. Die Bewohner des Camps duschen sich dort und spülen ihr Geschirr. Das Wäldchen mit dem Camp steht auf einem ausgetrockneten Korallenriff. Vor Kurzem wurde in dem löchrigen Gestein eine seltene Art von Shrimps entdeckt. Nun drohen Probleme für das Camp.
"Die Behörden sagen, all die Leute, die hier umherlaufen, schaden der Umwelt. Sie haben aber den Wasserlauf aus den Bergen blockiert, so dass kein Brackwasser in diesen Shrimphöhlen mehr steht. Und jetzt sagen sie uns, wir schaden den Shrimps. Nicht wir, sie schaden ihnen."
Um die seltenen Shrimps zu schützen, wollen die Behörden nun das Camp auflösen oder umsiedeln. Eine typische Argumentation, meint Laurel Mei-Singh. Die Amerikanistin von der Universität Princeton stammt aus Hawaii. Sie forscht zu Aneignung von Land dort. Dabei hat sie sich auch mit den gegensätzlichen Vorstellungen von Naturschutz zwischen dem modernen Staat und der traditionellen hawaiianischen Kultur beschäftigt.

Alle im Camp hoffen, dass sie bleiben können

"Es ist interessant, dass der Staat Hawaii ausgerechnet dieses Argument des Umweltschutzes nutzt, um Menschen zu vertreiben. Seine Einstellung ist, wir müssen das Land vor den Menschen schützen, Menschen können nicht auf harmonische Weise mit der Natur koexistieren. Aber viele der Leute in diesem Camp verstehen sich selbst als Schützer dieses Landes. Es ist eine alte hawaiianische Denkweise: Das Land hat uns hervorgebracht, wir kümmern und darum und es kümmert sich um uns."
Auch wenn diese Sichtweise vielleicht ein wenig zu romantisch anmutet: Immerhin haben die Menschen vom Hafencamp für die von der Gesellschaft Abgehängten einen neuen Weg geschaffen, der funktioniert. Twinkle Borge und ihre Captains stehen im Gespräch mit den Behörden, um eine Lösung zu finden. Alle im Camp hoffen, dass sie bleiben können. Der Kampf um Land auf Hawaii ist noch lange nicht zu Ende.
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