Nutzen statt besitzen

Von Dirk Asendorpf · 29.07.2013
Vor allem in Großstädten stehen viele Autos oft wochenlang am Straßenrand, weil ihre Besitzer sie schlichtweg nicht brauchen. Im Internet sind jetzt einige Portale entstanden, auf denen Privatpersonen ihre Autos vermieten können, privates Carsharing sozusagen.
Internet und Smartphones machen es möglich: Autos, die normalerweise die meiste Zeit am Straßenrand herumstehen, können ihren Besitzern jetzt nebenbei Geld einbringen – und anderen zu einem bezahlbaren Vehikel auf Zeit verhelfen. Junge Firmen, sie heißen Tamyca, Nachbarschaftsauto oder Rent-n-Roll bieten dafür Rundum-Sorglos-Pakete mit Versicherungsschutz an, die erstaunlich gut funktionieren – im Extremfall sogar ganz ohne persönlichen Kontakt.

"Man geht jetzt eben halt mal rum ob irgendwelche Schäden sind und dann geb ich ne kleine Einweisung natürlich, wird noch drauf hingewiesen, wo der Tankstutzen ist und dergleichen und der Kilometerstand wird verglichen und dann gehen wir rein und unterschreiben und dann kann er losfahren."

Dieter Pauler ist Autovermieter geworden, das Internet macht es möglich. Der dunkelblaue Mitsubishi Pajero des Bremer Rentners ist schon über 200.000 Kilometer gefahren, und eigentlich braucht er ihn nur noch, um im Frühjahr sein Sportboot ins Wasser und im Herbst wieder ins Trockene zu bringen. Ansonsten stand der Geländewagen wochenlang ungenutzt in der Garage. Bis Dieter Pauler auf Autonetzer.de stieß. Über die Website der kleinen Stuttgarter Firma können Privatleute ihre Autos vermieten. Michelle Urban ist eine der acht Mitarbeitenden.

"Wir haben 15.000 Mieter in unserer Datenbank verzeichnet und 3000 Autos deutschlandweit eingestellt."

Knackpunkt Versicherung
Die Buchungsseite im Internet sieht aus und funktioniert wie andere Web-Shops auch, bezahlt wird mit Kreditkarte, Paypal oder Vorab-Überweisung, am Ende können sich Mieter und Vermieter gegenseitig bewerten. Nur dass hier keine Handys oder Bücher, sondern private Mietwagen angeboten werden – vom kleinen VW-Lupo für 26 Euro am Tag bis zum dicken Daimler für 61 Euro. Entscheidende Voraussetzung dafür war eine zuverlässige Versicherungslösung.

"Also das war der Hauptknackpunkt bei uns am Anfang, diese Geschäftsidee umzusetzen. Man kann natürlich auch privat unter Freunden sich das Auto mal gegenseitig ausleihen, ist allerdings natürlich ne Versicherungsgeschichte. Bei uns ist es so, dass während des Mietzeitraums eine Zusatzversicherung on top gesetzt wird, d.h. es ist Haftpflicht, Teilkasko, Vollkasko versichert, also eine Rundumversicherung. Und wenn irgendwas passieren sollte, wird dann die normale private Versicherung da nicht angefasst."

Den Kilometerpreis für Fahrten, die über die täglichen 200 Inklusiv-Kilometer hinausgehen, und die Tankregelung klären Vermieter und Mieter direkt miteinander. Für die Schlüsselübergabe müssen sie sich sowieso persönlich treffen.

"Dann wird der Führerschein nochmal zwischen Mieter und Vermieter überprüft, dass auch hier die Daten korrekt sind."

Schlüssellose Übergabe
Noch einfacher geht es bei Carzapp. Das Berliner Jungunternehmen hat eine kleine Box entwickelt, die ins Auto eingebaut wird und die schlüssellose Übergabe des Fahrzeugs ermöglicht. Der Mieter registriert sich online und bucht über eine App auf seinem Smartphone. Das meldet dem zentralen Firmen-Server, wo er sich gerade befindet. Und sobald der Mieter dann neben dem angemieteten Auto steht, öffnet es sich wie von Geisterhand.

"Damit das Ganze auch sicher ist, checken unsere Server, ob Sie eine bestätigte Reservierung haben und ob Sie in der Nähe des Autos sind. Und dann öffnen unsere Server das Auto."

Yannick Feige gehört zu dem jungen Team, das die Technik für das sogenannte Zapp-Kit entwickelt hat. Dazu gehört auch eine elektronische Wegfahrsperre, die per Funkfernsteuerung erst dann entriegelt wird, wenn der Mieter tatsächlich im Auto sitzt. Und das Zapp-Kit ermöglicht die unkomplizierte Abwicklung des gesamten Mietvorgangs.

"Das hat ein GPS und GSM-Modul wobei das einerseits die gefahrenen Kilometer abrechnen kann und andererseits bestimmen kann, wo das Auto ist, damit der Mieter dann genau findet, wo das Auto steht, und der Vermieter, wenn das Auto am Ende der Miete etwa 100, 200 Meter vielleicht woanders steht, das auch wiederfinden kann."

Verliebt sollte man in sein Auto nicht sein
Normalerweise stehen Privatautos weit über 90 Prozent ihrer Lebenszeit ungenutzt am Straßenrand herum, kosten dabei aber viel Geld. Schon zwei bis drei Vermietungen pro Monat können die Unterhaltskosten wieder einspielen, hat Dieter Pauler festgestellt. Verliebt sollte man in sein Auto aber nicht sein.

"Man muss sich klarmachen: Das ist ein Gebrauchsgegenstand und es ist für uns ein Luxusgegenstand eigentlich und da muss man sich von frei machen. Ein Auto, was nur in der Garage steht, dazu kann ich keine so starke persönliche Bindung mehr aufbauen."

Bisher hat der Bremer Rentner nur gute Erfahrungen mit der privaten Autovermietung gemacht. Die Betreiber der Web-Plattform Autonetzer können das bestätigen. Von einer schlüssellosen Übergabe halten sie aber wenig.

"Wir haben festgestellt, dass man doch einfach noch pfleglicher mit dem Auto umgeht, weil man doch den direkten Kontakt mit der Person hat und man einfach weiß: Ok, am Ende der Mietzeit treffe ich mich wieder mit dem Eigentümer, ich übergeb das Auto, vielleicht treff ich mich auch nochmal auf einen Kaffee, man unterhält sich. Und ich glaube aufgrund dessen geht man doch anders damit um."

Jakob Weber ist Kunststudent, für die Alltagswege reichen ihm Straßenbahn und Fahrrad. Aber für die Vorbereitung einer Fotoausstellung hat er ein großes Auto gebraucht – und ist im Internet auf Dieter Paulers Geländewagen gestoßen. Und als er neulich in seine neue WG gezogen ist, hat er auch den Umzug damit erledigt.

Nutzen statt Besitzen
"Von den Baumärkten gibt’s natürlich immer so große Transporter, aber das wäre erstens teurer gewesen und die sind dann natürlich auch nicht so flexibel, da kann man nicht am Sonntag mieten oder sowas. Irgendwie war das auch ganz nett, weil der Dieter so’n Ur-Bremer ist und wir sind dann kurz zusammen durch die Stadt gefahren und er hat mir ein bisschen was über Bremen erzählt."

Ob mit persönlichem Kontakt oder als anonyme Schnell-Ausleihe – das Konzept hat Zukunft. Nutzen statt Besitzen – intelligente Technik macht das immer einfacher.

"Es können mehr Menschen von weniger Autos profitieren. Und ich geb Menschen jetzt die Möglichkeit, ein Auto zu einem fairen Preis zu mieten. Es geht alles per Internet und das ist angenehm."
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