Besitzen ist out - teilen ist in

Zu Gast: Nadine Pratt und Michael Aechtler · 09.03.2013
Tauschen, teilen, mieten: Ob das Auto beim Carsharing, die Wohnung beim Couchsurfing, Kleidung, Werkzeuge - besonders im Internet wächst die Zahl der Angebote rasant. "Collaborative Consumption", gemeinschaftlicher Konsum, und "Shareconomy" sind die neuen Zauberworte - sie sind auch Hauptthemen der diesjährigen CeBIT in Hannover.
Einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom zufolge ist Teilen vor allem unter Jüngeren beliebt. So sehen 97 Prozent der 14 bis 29 Jahre alten Deutschen es als selbstverständlich an, das Netz zu nutzen, um Wissen, Ressourcen oder Erfahrungen zu tauschen.

Wo liegen die Chancen und Grenzen dieser Bewegung?

Sind die Sharing-Angebote tatsächlich ein Schritt hin zum nachhaltigen Konsum und ein Weg aus der Wegwerfgesellschaft?


"Man kann seinen gesamten Haushalt eigentlich auseinandernehmen und fast komplett tauschen oder verleihen. Es gibt auch für fast alles eine Plattform, wo man es anderen zur Verfügung stellen kann", sagt Michael Aechtler, Betreiber der Internet-Leihbörse "Leihdirwas". "Das fängt an beim Auto an, Fahrrad, sein Haus, seinen Garten, sein Bett. Oder man hat ein Hobby, hier hat man die Möglichkeit, das Hobby zu teilen. Wenn Menschen aus einer anderen Stadt in unsere Stadt kommen, können sie gucken, was gibt es da? Und mit denen könne sie sich dann verbinden, sich treffen und gemeinsam etwas unternehmen."

Leihdirwas.de, 2010 gegründet, ist derzeit noch das größte Angebot dieser Art in Deutschland, mit rund 10.000 Mitgliedern bundesweit, die auf etwa 8000 Artikel zurückgreifen können, von der Bohrmaschine, über Spielkonsolen, Sportgeräten bis zum originalgetreuen Darth-Vader-Kostüm.

Die Sharing-Idee werde auch immer mehr von etablierten Firmen aufgegriffen, weiß der Mitbegründer der Plattform "KoKonsum". "Die Industrie hat gesehen: Wenn ein Trend kommt, muss man hinhören, mitmachen. Die Bewegung wird wachsen, sie wird erwachsen werden. Die Menschen wollen das, und die Firmen müssen sich vorbereiten."

"Wie können wir nachhaltige Lebensstile fördern unter der Prämisse, dass wir nur einen Planeten haben?", mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Nadine Pratt, Konsumforscherin am Wuppertaler Wissenschaftszentrum CSCP, dem Centre on Sustainable Consumption and Production, gegründet vom Wuppertal-Institut und der UN-Umweltorganisation UNEP. "Tauschen, teilen, leihen sind dabei ein Aspekt, aber ein sehr prominenter, weil er im Trend liegt."

Shareconomy - ein neuer Wirtschaftszweig?

Die neue "Shareconomy" könne sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickeln, allerdings sei Teilen nicht per se nur positiv:

"Welche Impulse hat es im sozialen und ökologischen Bereich? Sie können positiv sein, sie können aber auch problematische Aspekte haben. Ich teile Dinge, spare Geld – zum Beispiel über das Carsharing. Aber gleichzeitig buche ich einen Langstreckenflug. Das ist dann der `Rebound-Effekt´. Oder Tauschgeschäfte, die über Online laufen: Wenn jemand aus Hamburg mit jemanden aus München einen Hut tauscht, dann kreiert das einen logistischen Kreislauf."

Der Hut müsse transportiert werden, das koste Sprit, Ressourcen.
Es schaffe aber auch unter Umständen wieder neue Jobs. "Auch damit entstehen wieder neue Business-Ideen". Das müsse man abwägen.

"KoKonsum: Besitzen ist out – teilen ist in!"
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 bis 11 Uhr mit Michael Aechtler und Nadine Pratt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800-2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
Über das CSCP
Über Michael Aechtler und die Plattform KoKonsum