Nußbaum: Wir haben Billionen von Schulden
Die Kommunen, die Länder und der Bund werden in den kommenden Jahren über 1,6 Billionen Schulden haben, sagt der parteilose Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum und widerspricht dem Ruf nach Steuersenkungen aus Union und FDP.
Nana Brink: Das war doch mal eine erfreuliche Nachricht dieser Tage: Die Neuverschuldung soll nicht wie erwartet 80 Milliarden betragen, sondern nur noch 60 Milliarden. Hurra, dachten sich da einige FDP-Politiker und forderten umgehend Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode. Und ebenso umgehend hat sich schon ein Herr aus Bayern gemeldet, CSU-Chef Seehofer, und nach Berlin gebrüllt: "Alles Unsinn, wir sparen weiter!" Genau darüber möchte ich jetzt sprechen mit dem parteilosen Finanzsenator von Berlin, Ulrich Nußbaum. Einen schönen guten Morgen, Herr Nußbaum!
Ulrich Nußbaum: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Heißt weniger Schulden auch gleich, wir können mehr ausgeben?
Nußbaum: Das ist ja wirklich Quatsch, denn weniger Schulden heißt ja nicht, gar keine Schulden, oder mal Überschüsse zu haben. Das ist ja schön gesagt. Wenn wir jetzt immer noch 60 Milliarden Neuverschuldung machen müssen, dann sind das 60 Milliarden zu viel.
Brink: Nun sagt die FDP, es ist eine Gerechtigkeitsfrage, die Bürger von Steuern zu entlasten. Warum dann keine Entlastung für mittlere Einkommen in Höhe jener 15 Milliarden, die wir weniger Schulden machen?
Nußbaum: Die FDP hat ja zunächst einmal eine Steuerentlastung für Hoteliers gemacht, indem sie die Umsatzsteuer im Dezember letzten Jahres gesenkt hat. Also ich glaube, die Menschen wissen, wir kämpfen um die Stabilität des Euros, die Kommunen, die Länder und der Bund werden in den kommenden Jahren über 1,6 Billionen – das ist so eine gigantische Zahl – an Schulden haben, und das sind ja nicht Schulden von irgendwelchen Politikern von der FDP oder von mir, sondern das sind Schulden der Menschen hier in dem Land, und wir müssen von den Schulden herunterkommen, weil wir zahlen gigantisch viele Zinsen für diese Schulden, und die Finanzmärkte fragen sich ja zunehmend, ob sie uns noch Kredit geben können. Ich möchte jetzt nicht wieder Griechenland zitieren, aber dass man da jetzt denkt, man kann Steuern senken, um Schulden nicht abzubauen, sondern noch mehr Geld aufzunehmen, das kann ich nicht verstehen.
Brink: Also dann heißt es im Umkehrschluss, wir müssen weiter sparen, sparen, sparen. Was wäre denn für Sie dann gerechtes Sparen, um im Bild zu bleiben?
Nußbaum: Wir haben ja gesagt und ich sage das auch als Parteiloser, es gibt ja so viele Ausnahmetatbestände, so viele Subventionstatbestände, auch für die Wirtschaft, der ja die FDP so nahe steht, und auch für uns hier. Ich finde, damit muss man mal anfangen. Es wird ja auch immer als Beispiel genannt der reduzierte Umsatzsteuersatz. Auch hier muss man anfangen. Aber da fehlt natürlich oft die Kraft, weil man sich da im Detail verzettelt, und deswegen muss das aber auf der Agenda bleiben. Aber zunächst ist jetzt wirklich mal wichtig, dass man zuerst mal weniger ausgibt, denn das weiß jeder zu Hause: Ich kann eigentlich nur das ausgeben, was ich einnehme, auf Dauer jedenfalls. Wir machen als Staat, als Deutschland schon seit Jahren, dass wir zu viel ausgeben, jedenfalls mehr als wir einnehmen, und deswegen haben wir so viele Schulden, deswegen zahlen wir auch so viele Zinsen auf diese Schulden, die uns dann für Schulen, Universitäten, für anderes fehlen, und da müssen wir runterkommen ganz einfach.
Brink: Dann gucken wir doch mal in Ihren Bereich. Berlin hat einen Schuldenberg von 60 Milliarden Euro.
Nußbaum: Ja, genau!
Brink: Sie müssen doch sparen, bis es weh tut. Wo?
Nußbaum: Ja, und das haben wir auch gesagt, dass wir hier runterkommen müssen. Wir werden jetzt die Investitionen erstmal zurückfahren müssen. Wir haben gesagt in Berlin, wir wollen 6.200 Stellen, sogenannte Vollzeit-Äquivalente, wie man in dieser Sprache hier sagt, abbauen. Also wir werden beim Personal sparen. Wir werden auch überlegen müssen, kann man sich noch so viele Polizeifahrzeuge anschaffen, können die alle Jahre wieder ausgetauscht werden, muss man sie vielleicht ein Jahr länger fahren. Was ist mit den Computern, kann man die auch vielleicht etwas länger nutzen. So müssen wir durch alle Positionen durch und dann gilt einfach die Parole, auch Kleinvieh macht Mist, und am Ende des Tages müssen wir auch hier richtig einsparen.
Brink: Also auch Kleinvieh - heißt das auch, Schwimmbäder dicht machen, Springbrunnen abdrehen, öffentliche Bibliotheken schließen?
Nußbaum: Das sind immer so diese Killerfragen, sage ich mal. Aber natürlich muss man sich anschauen: Wie viele Schwimmbäder hat man und sind diese Schwimmbäder energetisch auf dem neuesten Stand, oder verbrenne ich nicht Unmengen an Diesel und an Heizöl, um Schwimmbäder aufzuheizen, die vielleicht kaum besucht sind. Wenn es attraktive Schwimmbäder sind, die genutzt werden, würde ich sie nicht zumachen. Sind es Schwimmbäder, die sage ich mal nur von ganz wenigen genutzt werden, muss man sich das anschauen. – Man kann sich auch Bibliotheken anschauen: sind sie gut organisiert. Wichtig ist, dass die Menschen in Berlin auch Zugang haben zu den Bibliotheken, aber die Frage ist, wie kann man das auch effizienter organisieren. Ich sage Ihnen ganz offen aus meiner Einschätzung: Man kann auch Verwaltung besser und effizienter machen, ohne Leistung abbauen zu müssen.
Brink: Ist es denn dann gerecht, dass der Bund für das Stadtschloss in Berlin 550 Millionen Euro ausgeben möchte?
Nußbaum: Das ist, finde ich, ganz schwierig, weil der Bund hat mal gesagt und sich mit uns verständigt, wir machen dieses Stadtschloss für Berlin, für die Hauptstadt, und jetzt fällt ihm beim Sparen nichts anderes ein als zu sagen, na ja, da sparen wir mal in Berlin bei der Hauptstadt, wir sparen also nicht beim Bund, sondern wir sparen bei anderen, und das ist für mich die eigentliche Debatte. Da geht man so mit Berlin wie nach Gutsherrenart um, man gibt einem mal das Stadtschloss, dann gibt man am nächsten Tag das Stadtschloss nicht. Das kann nicht sein, und das, finde ich, muss man - Berlin braucht da eine klare Regelung, auch eine bessere Ausstattung. Wir sind hier Hauptstadt, wir machen viele Aufgaben für den Bund, ob das Polizei ist, die wir vorhalten, wenn Staatsgäste kommen, vieles, vieles anderes, und da, denke ich, muss der Bund klar Position zeigen. Es wäre übrigens auch mal schön, wenn der Bund sagen würde, okay, wir haben jetzt Hauptstadt Berlin und das heißt auch, wir räumen mal die letzten Ministerien in Bonn aus und wir ziehen mal nach Berlin um. Das wäre auch ein Sparvorschlag für den Bund.
Brink: Aber Sie machen auch klar, es sind nicht die Zeiten für Prestigebauten, auch nicht für Berlin? Also keine neue Kunsthalle, keine Zentralbibliothek?
Nußbaum: Nein. Also wir werden uns auch die Investitionen angucken. Ich sage Ihnen jetzt nicht genau, welches einzelne Projekt wir mit wegnehmen werden, weil wir da erst mit dem Senat diskutieren müssen. Jeder hat da ja seine Interessen, jeder kämpft für sein Projekt. Wir werden dann am Ende des Senates im Senat sagen müssen, was noch geht und was nicht geht, und das werden wir im Herbst tun.
Brink: Wenn Sie jetzt in der glücklichen Lage wären, als Finanzsenator von Berlin, der plötzlich ein paar Milliarden weniger Schulden macht von den 60, die Sie ja schon haben, was würden Sie mit dem Geld machen?
Nußbaum: Ich würde weiter da hingehen und versuchen, das Geld ganz klar in die frühkindliche Erziehung, also Kindergärten, Krippen, in die Bildung reinzustecken, Wissenschaft. Gerade hier in Berlin, wo wir eine sehr schwere und herausfordernde soziale Mischung haben, sehen wir einfach, da müssen wir mehr machen. Das ist die Herausforderung auch für uns, für Deutschland. Wir haben keine andere Ressource als unsere Bildung, als unsere Wissenschaft. Das ist auch schon tausendmal gesagt worden, das ist nichts Neues, Frau Brink. Aber wenn ich mehr Geld hätte, würde ich es ganz klar in diese Bereiche reinstecken und die versuchen, stärker auszufinanzieren.
Brink: Der parteilose Finanzsenator von Berlin, Ulrich Nußbaum. Vielen Dank für das Gespräch!
Nußbaum: Vielen Dank, Frau Brink!
Brink: Und wir sprachen über die Steuereinnahmen, die erfreulicherweise mehr sind, und den Streit um die Steuersenkungen.
Ulrich Nußbaum: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Heißt weniger Schulden auch gleich, wir können mehr ausgeben?
Nußbaum: Das ist ja wirklich Quatsch, denn weniger Schulden heißt ja nicht, gar keine Schulden, oder mal Überschüsse zu haben. Das ist ja schön gesagt. Wenn wir jetzt immer noch 60 Milliarden Neuverschuldung machen müssen, dann sind das 60 Milliarden zu viel.
Brink: Nun sagt die FDP, es ist eine Gerechtigkeitsfrage, die Bürger von Steuern zu entlasten. Warum dann keine Entlastung für mittlere Einkommen in Höhe jener 15 Milliarden, die wir weniger Schulden machen?
Nußbaum: Die FDP hat ja zunächst einmal eine Steuerentlastung für Hoteliers gemacht, indem sie die Umsatzsteuer im Dezember letzten Jahres gesenkt hat. Also ich glaube, die Menschen wissen, wir kämpfen um die Stabilität des Euros, die Kommunen, die Länder und der Bund werden in den kommenden Jahren über 1,6 Billionen – das ist so eine gigantische Zahl – an Schulden haben, und das sind ja nicht Schulden von irgendwelchen Politikern von der FDP oder von mir, sondern das sind Schulden der Menschen hier in dem Land, und wir müssen von den Schulden herunterkommen, weil wir zahlen gigantisch viele Zinsen für diese Schulden, und die Finanzmärkte fragen sich ja zunehmend, ob sie uns noch Kredit geben können. Ich möchte jetzt nicht wieder Griechenland zitieren, aber dass man da jetzt denkt, man kann Steuern senken, um Schulden nicht abzubauen, sondern noch mehr Geld aufzunehmen, das kann ich nicht verstehen.
Brink: Also dann heißt es im Umkehrschluss, wir müssen weiter sparen, sparen, sparen. Was wäre denn für Sie dann gerechtes Sparen, um im Bild zu bleiben?
Nußbaum: Wir haben ja gesagt und ich sage das auch als Parteiloser, es gibt ja so viele Ausnahmetatbestände, so viele Subventionstatbestände, auch für die Wirtschaft, der ja die FDP so nahe steht, und auch für uns hier. Ich finde, damit muss man mal anfangen. Es wird ja auch immer als Beispiel genannt der reduzierte Umsatzsteuersatz. Auch hier muss man anfangen. Aber da fehlt natürlich oft die Kraft, weil man sich da im Detail verzettelt, und deswegen muss das aber auf der Agenda bleiben. Aber zunächst ist jetzt wirklich mal wichtig, dass man zuerst mal weniger ausgibt, denn das weiß jeder zu Hause: Ich kann eigentlich nur das ausgeben, was ich einnehme, auf Dauer jedenfalls. Wir machen als Staat, als Deutschland schon seit Jahren, dass wir zu viel ausgeben, jedenfalls mehr als wir einnehmen, und deswegen haben wir so viele Schulden, deswegen zahlen wir auch so viele Zinsen auf diese Schulden, die uns dann für Schulen, Universitäten, für anderes fehlen, und da müssen wir runterkommen ganz einfach.
Brink: Dann gucken wir doch mal in Ihren Bereich. Berlin hat einen Schuldenberg von 60 Milliarden Euro.
Nußbaum: Ja, genau!
Brink: Sie müssen doch sparen, bis es weh tut. Wo?
Nußbaum: Ja, und das haben wir auch gesagt, dass wir hier runterkommen müssen. Wir werden jetzt die Investitionen erstmal zurückfahren müssen. Wir haben gesagt in Berlin, wir wollen 6.200 Stellen, sogenannte Vollzeit-Äquivalente, wie man in dieser Sprache hier sagt, abbauen. Also wir werden beim Personal sparen. Wir werden auch überlegen müssen, kann man sich noch so viele Polizeifahrzeuge anschaffen, können die alle Jahre wieder ausgetauscht werden, muss man sie vielleicht ein Jahr länger fahren. Was ist mit den Computern, kann man die auch vielleicht etwas länger nutzen. So müssen wir durch alle Positionen durch und dann gilt einfach die Parole, auch Kleinvieh macht Mist, und am Ende des Tages müssen wir auch hier richtig einsparen.
Brink: Also auch Kleinvieh - heißt das auch, Schwimmbäder dicht machen, Springbrunnen abdrehen, öffentliche Bibliotheken schließen?
Nußbaum: Das sind immer so diese Killerfragen, sage ich mal. Aber natürlich muss man sich anschauen: Wie viele Schwimmbäder hat man und sind diese Schwimmbäder energetisch auf dem neuesten Stand, oder verbrenne ich nicht Unmengen an Diesel und an Heizöl, um Schwimmbäder aufzuheizen, die vielleicht kaum besucht sind. Wenn es attraktive Schwimmbäder sind, die genutzt werden, würde ich sie nicht zumachen. Sind es Schwimmbäder, die sage ich mal nur von ganz wenigen genutzt werden, muss man sich das anschauen. – Man kann sich auch Bibliotheken anschauen: sind sie gut organisiert. Wichtig ist, dass die Menschen in Berlin auch Zugang haben zu den Bibliotheken, aber die Frage ist, wie kann man das auch effizienter organisieren. Ich sage Ihnen ganz offen aus meiner Einschätzung: Man kann auch Verwaltung besser und effizienter machen, ohne Leistung abbauen zu müssen.
Brink: Ist es denn dann gerecht, dass der Bund für das Stadtschloss in Berlin 550 Millionen Euro ausgeben möchte?
Nußbaum: Das ist, finde ich, ganz schwierig, weil der Bund hat mal gesagt und sich mit uns verständigt, wir machen dieses Stadtschloss für Berlin, für die Hauptstadt, und jetzt fällt ihm beim Sparen nichts anderes ein als zu sagen, na ja, da sparen wir mal in Berlin bei der Hauptstadt, wir sparen also nicht beim Bund, sondern wir sparen bei anderen, und das ist für mich die eigentliche Debatte. Da geht man so mit Berlin wie nach Gutsherrenart um, man gibt einem mal das Stadtschloss, dann gibt man am nächsten Tag das Stadtschloss nicht. Das kann nicht sein, und das, finde ich, muss man - Berlin braucht da eine klare Regelung, auch eine bessere Ausstattung. Wir sind hier Hauptstadt, wir machen viele Aufgaben für den Bund, ob das Polizei ist, die wir vorhalten, wenn Staatsgäste kommen, vieles, vieles anderes, und da, denke ich, muss der Bund klar Position zeigen. Es wäre übrigens auch mal schön, wenn der Bund sagen würde, okay, wir haben jetzt Hauptstadt Berlin und das heißt auch, wir räumen mal die letzten Ministerien in Bonn aus und wir ziehen mal nach Berlin um. Das wäre auch ein Sparvorschlag für den Bund.
Brink: Aber Sie machen auch klar, es sind nicht die Zeiten für Prestigebauten, auch nicht für Berlin? Also keine neue Kunsthalle, keine Zentralbibliothek?
Nußbaum: Nein. Also wir werden uns auch die Investitionen angucken. Ich sage Ihnen jetzt nicht genau, welches einzelne Projekt wir mit wegnehmen werden, weil wir da erst mit dem Senat diskutieren müssen. Jeder hat da ja seine Interessen, jeder kämpft für sein Projekt. Wir werden dann am Ende des Senates im Senat sagen müssen, was noch geht und was nicht geht, und das werden wir im Herbst tun.
Brink: Wenn Sie jetzt in der glücklichen Lage wären, als Finanzsenator von Berlin, der plötzlich ein paar Milliarden weniger Schulden macht von den 60, die Sie ja schon haben, was würden Sie mit dem Geld machen?
Nußbaum: Ich würde weiter da hingehen und versuchen, das Geld ganz klar in die frühkindliche Erziehung, also Kindergärten, Krippen, in die Bildung reinzustecken, Wissenschaft. Gerade hier in Berlin, wo wir eine sehr schwere und herausfordernde soziale Mischung haben, sehen wir einfach, da müssen wir mehr machen. Das ist die Herausforderung auch für uns, für Deutschland. Wir haben keine andere Ressource als unsere Bildung, als unsere Wissenschaft. Das ist auch schon tausendmal gesagt worden, das ist nichts Neues, Frau Brink. Aber wenn ich mehr Geld hätte, würde ich es ganz klar in diese Bereiche reinstecken und die versuchen, stärker auszufinanzieren.
Brink: Der parteilose Finanzsenator von Berlin, Ulrich Nußbaum. Vielen Dank für das Gespräch!
Nußbaum: Vielen Dank, Frau Brink!
Brink: Und wir sprachen über die Steuereinnahmen, die erfreulicherweise mehr sind, und den Streit um die Steuersenkungen.