"Nun erst recht!"

Von Tomas Fitzel · 10.05.2013
Mit "Heeresbericht" verfasste Edlef Köppen einen der modernsten Antikriegsromane des frühen 20. Jahrhunderts. Dennoch geriet er in Vergessenheit. Nachdem die Nazis ihn schon unmittelbar nach der Machtergreifung tyrannisiert hatten, starb er 1939 an den Folgen seiner Kriegsverletzungen aus dem Ersten Weltkrieg.
"Einen Tag lang in Stille untergehen! Einen Tag lang den Kopf in Blumen kühlen Und die Hände fallen lassen Und träumen: diesen schwarzsamtnen, singenden Traum: Einen Tag lang nicht töten."
Edlef Köppen, "Die Aktion", 25.9.1915

Der Autor Edlef Köppen nach einem Jahr an der Front:

"Ich bin am 01. März 1893 geboren. Infolgedessen war ich imstande, mich im August 1914 kriegsfreiwillig zu den Waffen zu begeben, die ich in Allerhöchstem Auftrag als Kanonier, Gefreiter, Unteroffizier, Vizewachtmeister, Offizierstellvertreter, Leutnant der Reserve in West und Ost weidlich führte."
Edlef Köppen, Waschzettel für den Roman, 1930

Er wird verschüttet, erleidet schwere Lungenquetschungen, danach noch die Gasangriffe. Bis zum September 1918 leistete er seinen Dienst in der Uniform.

"Ich tat das mit Begeisterung, mit Pflichtgefühl, mit zusammengebissenen Zähnen, mit Verzweiflung, bis man mir das EK I verlieh und mich ins Irrenhaus steckte."
Edlef Köppen, Waschzettel für den Roman, 1930
Er hatte den Gehorsam verweigert. Dies ließ nur eine Diagnose zu: irre.

"Ich liege in der Irrenanstalt, das ist ein Grab, düster, kalt, mit einer bläulichen Lampe erhellt, verschlossen die Tür, vergittert das Fenster mit dem Zentimeter dicken Glas. Meine Herren ich schwöre ihnen, ich bin nicht verrückt, ich spiele auch nicht verrückt."

Edlef Köppen liest 1930 im Rundfunk aus seinem Roman Heeresbericht.

"Herr General hab ich nur gesagt, erschießen Sie mich bitte, aber ich geh nicht einen Schritt mehr nach vorn. Das größte aller Verbrechen mache ich nicht mehr mit!"

Heeresbericht war damals der modernste Antikriegsroman, der im Montagestil fiktive Romanelemente mit Originalzeugnissen vermengt.

"Der Wahnsinn einer Schlacht zeigt seine Spiegelfratze im verlogenen, amtlichen Heeresbericht. Ich kenne kein anderes Kriegsbuch, in dem Worte wie Trommelfeuer, Schützengraben und Gasangriff so aufgelöst und vom Sinnlich-Gegenständlichen her bildhaft neu gestaltet werden."
Ernst Toller

Einerseits begeisterte Kritik, obwohl das Publikum der Kriegsbücher schon müde geworden ist, aber auch die Presse von Rechts mobilisiert, wie Edlef Köppen an seine ehemalige Verlagskollegin Oda Weitbrecht schreibt:

"Liebe Mausi, ich hatte in den letzten Wochen übelste Angriffe und eine wilde Hetze von Seiten der Reichspresse. Das war ja zu erwarten. Und es wird ja noch schlimmer werden. Ich habe doch mehrmals gedacht, dass es nicht nur Freunde gibt. Und hatte so ungefähr die Koffer schon gepackt. Nur: Bangemachen lasse ich mir jetzt nicht mehr. Nun erst recht!"
an Oda Weitbrecht-Buchenau, 24.11.1930

Noch mehr tobte die rechte Presse gegen seinen "Pazifistenspuk" als Köppen 1931 sein Hörspiel "Wir standen vor Verdun" sendete.

"Kaum kann man die Hand vor den Augen erkennen, als auch schon wieder der ganzen Front die Infanterieschlacht brodelt, knistert und knackt."
"Es geht um jedes Grabenstück, um jedes winziges Widerstandsnest."
"Wir standen vor Verdun", 1931

Seit 1925 arbeitete Edlef Köppen im Rundfunk. Zuständig für Buchkritik, Jugendfunk und Hörspiel. Vor allem viele Autorenlesungen produzierte er. Damit wurde das Radio zum neuen wichtigen Medium für die Literatur, Köppen war aber auch Radiopionier.
"Weg von der Schreibe, die fürs Auge ist, und hin zur Rede, die das Ohr treffen soll."

Dies hatte auch besonders Josef Goebbels verstanden. Er wollte den Rundfunk in seine Hand bekommen. 1932 erlebte die Hetze der Nazis ihren Höhepunkt. Der Rundfunk-Intendant Hans Flesch wurde entlassen, Köppen diffamiert, sein Büro durchsucht, seine Unterlagen gestohlen, sein Auto demoliert, im Juni ’33 wurde er schließlich fristlos entlassen. Köppen versuchte sich, wie andere, im Film "unterzustellen", weigerte sich aber beharrlich den Nazis auch nur irgendwie dienlich zu sein. All die Jahre litt er nach wie vor unter seinen schweren Kriegsverletzungen. Denen erlag er 1939 in einem Gießener Sanatorium, noch bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach. Danach wurde er gründlich vergessen. Zwar wurde sein Roman "Heeresbericht" 1976 wieder neu aufgelegt, aber im Rundfunk selbst, seiner einstigen Arbeitsstelle im Haus des Rundfunks in der Berliner Masurenallee, erinnert nichts und niemand an ihn.

Bücher von Edlef Köppen:
"Heeresbericht", Roman, DVA, auch Ullstein Taschenbuch.
"Heeresbericht", Hörbuch, Edition Apollon.
"Edlef Köppen – Aufzeichnungen. Ein Lesebuch", Märkischer Verlag Wilhelmshorst.

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