Aus dem Schweigen ein Schrei
Der "Ring der Erinnerung" bewahrt die Namen von fast 600.000 gestorbenen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Frankreichs Präsident Hollande sagte zur Eröffnung der Gedenkstätte Notre-Dame-de-Lorette, sie sei ein Monument der Brüderlichkeit.
Jahr für Jahr ein striktes Zeremoniell: Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges. Die Marseillaise. Der Staatspräsident vor dem Arc de Triomphe in Paris. Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten. Vor der Flamme, die der Staatschef dann anheizt, um die Erinnerung symbolisch wach zu halten.
Rituale, die sich dennoch verändert haben. Seit einigen Jahren wird aller Toten kriegerischer Auseinandersetzungen gedacht, eine zunächst umstrittene Entscheidung des konservativen Präsidenten Sarkozy. Die Gegner befürchteten, das Erinnern an den "Großen Krieg" könne in den Hintergrund geraten. Inzwischen aber gehört sie dazu, die Nennung der Namen von Soldaten, die in aktuellen Konflikten, von Mali über Zentralafrika bis Afghanistan, ihr Leben für Frankreich verloren haben.
Auch an diesem 11. November schüttelte Staatspräsident Hollande den Waisenkindern und Witwen am Arc de Triomphe die Hände, um dann am Nachmittag den Gedenktag wieder ganz unter die Überschrift Centenaire, "100 Jahre Erster Weltkrieg", zu stellen.
Auf die traditionelle Zeremonie in der Hauptstadt folgte die Einweihung der Internationalen Gedenkstätte "Notre-Dame-de-Lorette", unweit von Arras, am Rande des größten französischen Soldatenfriedhofes, unweit von britischen, deutschen, kanadischen, polnischen, tschechischen Gräberfeldern und Gedenkstätten.
"Sie haben ein Monument der Brüderlichkeit geschaffen", sagte François Hollande zu Phillipe Prost, dem Architekten des "Rings der Erinnerung".
Mit 122 Buchseiten gleichen Platten, mit Namen aus 28 Staaten. 580.000 Namen, in alphabetischer Reihenfolge, ohne Nationalität, ohne Dienstgrad, ohne Religionszugehörigkeit trägt der "Ring des Erinnerns", der sich auf der einen Seite an den Hang der vormals umkämpften Anhöhe schmiegt, auf der anderen Seite frei in der Luft schwebt. Der Ring als Zeichen von Verbindung und Festigkeit auf der einen Seite, von Zerbrechlichkeit des Friedens auf der anderen Seite, wie François Hollande es ausdrückte.
Junge Leute lasen aus Briefen von Soldaten an ihre Familien. Frankreichs Staatspräsident bedankte sich, an seiner Seite Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. François Hollande erinnerte an die vielen Vermissten, an einzelne Schicksale. Schicksale dieses die ganze Welt umfassenden Krieges.
Erinnern, sagte der französische Staatspräsident, sei nicht nur für die Vergangenheit da, sondern für Gegenwart und Zukunft. Hier in Notre-Dame-de-Lorette, zwischen den Gräbern, der Totenstadt, dem Beinhaus, schloss Frankreichs Staatspräsident, breche stets eines aus dem Schweigen der Toten wie ein Schrei hervor, und das sei die Hoffnung.