Stockholm
Mit Jon Fosse wird zum vierten Mal ein Schriftsteller aus Norwegen mit dem Literaturnobelpreis geehrt. © Ill. Niklas Elmehed © Nobel Prize Outreach
Norwegischer Autor Jon Fosse erhält Literaturnobelpreis
Der norwegische Autor Jon Fosse wird mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Seine Romane und Dramen stellen häufig Begegnungen von Menschen in den Mittelpunkt. Er sei überwältigt, aber auch etwas verängstigt, sagte Fosse nach der Bekanntgabe.
Mit dem 1959 geborenen Norweger zeichnet die Schwedische Akademie einen Schriftsteller aus, der in den vergangenen Jahren immer wieder als Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt wurde und dessen Name auf der berühmten Ladbrokes-Wettliste regelmäßig auf den ersten Plätzen zu finden war.
Vielleicht besteht gerade darin die Überraschung, für die die Schwedische Akademie auch in diesem Jahr gut ist.
Schon lange Anwärter für den Literaturnobelpreis
Denn in jüngster Vergangenheit hat sich die nach dem Missbrauchsskandal um das Preiskomitee neu formierte Akademie vor allem durch die Auszeichnung unbekannterer Namen und durch dezidiert politisch grundierte Entscheidungen hervorgetan: durch die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück etwa oder durch den tansanisch-britischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah, der in seinen Romanen die nicht aufgearbeitete Kolonialgeschichte und ihre Verbrechen thematisiert.
Der Nobelpreis ist mit umgerechnet rund 950.000 Euro dotiert. Im vergangenen Jahr hatte die Französin Annie Ernaux die Auszeichnung für Literatur erhalten.
Aufgewachsen mit Blick auf die Fjorde
Jon Fosse nun, der vierte norwegische Preisträger in der Geschichte des Literaturnobelpreises, wird für seine „innovativen Theaterstücke und Prosa ausgezeichnet, die dem Unsagbaren die Stimme geben“, heißt es in der Begründung der Akademie.
Fosse, der in der Abgeschiedenheit der norwegischen Westküste mit Blick auf die Fjorde aufgewachsen ist, ist bekannt für die mystischen, mitunter düsteren Welten, die er erschafft und die ihren besonderen Reiz durch ihre melodiöse Sprache entfalten. Wie etwa in den Romanen um den Maler Asle.
Unter dem Titel „Ich ist ein anderer. Heptalogie III-V“ ist im vergangenen Jahr ein weiterer Teil des von Hinrich Schmidt-Henkel, Fosses langjährigem Übersetzer, aus dem Neunorwegischen übertragene Roman erschienen, der unverkennbar Anleihen bei der literarischen Romantik nimmt.
Seit 30 Jahren übersetzt Hinrich Schmidt-Henkel die Literatur des Nobelpreisträgers – so auch dessen nächsten Roman „Ein neuer Name“. So steuere der norwegische Autor bewusst, wie ein Text sich bewegt, sagt Hinrich Schmidt-Henkel. „Ob er innehält, ob er weitergeht, wie schnell er weitergeht, ob er kleine Seitenarme bildet.“
Dieses Bestimmen eines „Flusses“ sei für sein Schreiben grundlegend wichtig. Darauf komme es an, diesen „Rhythmus“ zu finden. Jon Fosse selbst beschreibt seinen Schreibstil wiederum mit diesen Worten: „Ich setze mich einfach hin, bereite nichts vor, beginne einfach mit dem Schreiben.“
Thomas Ostermeier, Künstlerischer Leiter der Berliner Schaubühne, hat schon vor mehr als 20 Jahren Stücke von Autor Jon Fosse gezeigt, als noch keiner „den Mumm“ gehabt habe, ihn auf die Bühne zu bringen.
Ostermeier beschreibt seinen Freund als einen sehr schüchternen und zurückhaltenden Menschen, der aber auch ein Menschenfreund sei und Empathie für seine Protagonisten habe: „Ich glaube, Jon mag die Menschen. Der hat eine große Liebe für seinen Figuren, für die Sehnsüchte seiner Figuren und für ihren Anspruch an ein geglücktes Leben.“
Im Deutschlandfunk Kultur betonte der Experte für skandinavische Literatur, Peter Urban-Halle, dass es sich bei Jon Fosse aber keineswegs um einen weltabgewandten Schriftsteller handele. Vielmehr sei Fosses Literatur eine Auseinandersetzung mit den ersten und letzten Dingen, mit den wesentlichen und existenziellen Fragen des Lebens. Gerade darin liege neben der literarischen auch die politische Bedeutung Jon Fosses.