Niederlande

Ein Monat für die Literatur in Amsterdam

Mitarbeiter des Hamburger Mairisch-Verlags in Amsterdam: Hannah Zirkler, Peter Reichenbach, Daniel Beskos
Mitarbeiter des Hamburger Mairisch-Verlags in Amsterdam: Hannah Zirkler, Peter Reichenbach, Daniel Beskos © Deutschlandradio - Katharina Borchardt
Von Katharina Borchardt |
Was nach Abenteuer klingt, ist für den Hamburger Mairisch-Verlag nicht nur ein wunderbarer Urlaub, sondern auch Teil der Arbeit. Für einen Monat ist der Verlag nach Amsterdam umgezogen, hat sich zwei Wohnungen gemietet und erkundet die niederländische Literaturszene.
Unsere Autorin Katharina Borchardt ist mit Daniel Beskos, Peter Reichenbach und Hannah Zirkler vom Mairisch-Verlag mit der Tram durch die Amsterdamer Innenstadt gefahren – vom Hauptbahnhof zur Herengracht, wo sich das Goethe-Institut befindet. Dort hatten sie eine Verabredung mit der niederländischen Verlegerin Eva Cossée.
Besonders gewundert haben sich die Mairischs bislang darüber, dass es in den Niederlanden keine reinen Hörbuchverlage gibt, dass Amazon keine Rolle spielt und dass auch Literaturagenten viel weniger Einfluss auf das literarische Geschehen haben als in Deutschland.
Aber natürlich haben sie es sich auch gut gehen lassen, haben die Stadt auf dem Rad erkundet, Cafés getestet, niederländische und belgische Biere durchprobiert.

Niederländer wollen keine langen Lesungen

Im Goethe-Institut im Amsterdamer Grachtengürtel treffen die Mitarbeiter des Hamburger Mairisch-Verlags die niederländische Verlegerin Eva Cossée. Der Cossee-Verlag ist in der Nachbarschaft, denn die Amsterdamer Innenstadt ist das Zentrum der niederländischen Literaturszene. Hier sind viele Verlage angesiedelt, und hier wohnen zum Beispiel auch A. F. Th. van der Heijden, Cees Nooteboom und Conny Palmen.
Die niederländische Buchbranche ist sehr lebendig, leidet allerdings seit 2008 stark unter der wirtschaftlichen Krise. Der Buchmarkt ist um 30 Prozent geschrumpft. Jetzt aber geht es langsam wieder ein wenig bergauf, meint Eva Cossée.
Dass Niederländer bei Lesungen nur fünf bis zehn Minuten lang zuhören können, hat die Mitarbeiter des Mairisch-Verlags überrascht und auch amüsiert. Lange Lesungen, wie sie in Deutschland üblich sind, gibt es in Holland selten. Stattdessen sind Autorengespräche und Leseclubs sehr beliebt.
Dass die Niederlande und Deutschland in ihrer jüngeren Literaturgeschichte eng verquickt sind, hebt Eva Cossée hervor. In den 1930er-Jahren gab es sogar deutschsprachige Exilverlage in Amsterdam, etwa Querido und Allert de Lange, die zum Beispiel Kurt Tucholsky, Irmgard Keun und Joseph Roth verlegten.
V.l.n.r: Eva Cossée, Daniel Beskos, Peter Reichenbach und Hannah Zirkler vor dem Goethe-Institut in Amsterdam.
V.l.n.r: Eva Cossée, Daniel Beskos, Peter Reichenbach und Hannah Zirkler vor dem Goethe-Institut in Amsterdam.© Deutschlandradio - Katharina Borchardt

Berlin ist wieder salonfähig

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung war das Interesse an Deutschland merklich abgekühlt. Es wurden vor allem große Autoren wie Heinrich Böll und Günter Grass übersetzt. Ansonsten orientierten sich die Niederländer viel mehr an der angelsächsischen Literatur.
Heute aber spielt der Krieg kaum noch eine Rolle. In der niederländischen Literatur wird er zwar immer noch aufgegriffen, doch werden diese Bücher größtenteils aus rein historischem Interesse gelesen, sagt Eva Cossée. Die Mairischs wurden während ihres Aufenthalts auch nicht mehr mit altem Groll konfrontiert, sondern erlebten eine große Freundlichkeit.
Berlin ist längst wieder salonfähig, sagt Eva Cossée. Junge Niederländer sind sehr Berlin-begeistert. Auch am Goethe-Institut werden die Deutschkurse wieder stark nachgefragt, was früher anders war.
Dies zeigt sich auch in der Literatur: Nicht nur lesen Deutsche sehr gerne holländische Romane, sondern auch Niederländer greifen zunehmend zu deutschen Büchern. Lange hatten deutsche Autoren den Ruf, trockene und schwere Kost zu produzieren. Inzwischen aber haben holländische Leser erkannt, dass auch deutsche Literatur sehr unterhaltsam sein kann.
Über ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse bloggen die Mairischs unter Mairisch-Blog
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