Nida-Rümelin über die jüngste Gewalt

"Wir dürfen die Hysterisierung nicht vorantreiben"

Zahlreiche Medienvertreter warten am 23. Juli 2016 im Polizeipräsidium in München auf den Beginn einer Pressekonferenz zu den Ermittlungen nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten vom Vortag.
Zahlreiche Medienvertreter warten am 23. Juli 2016 im Polizeipräsidium in München auf den Beginn einer Pressekonferenz zu den Ereignissen am Vortag. © dpa / picture alliance / Daniel Karmann
Julian Nida-Rümelin im Gespräch mit Katja Schlesinger und Frank Meyer · 25.07.2016
Nach drei schweren Gewalttaten innerhalb kurzer Zeit herrscht Angst. Das sei normal, sagt der Philosoph Julian Nida-Rümelin. Was wir dennoch bräuchten, sei eine Kultur der Gelassenheit und Relativierung.
Nach dem Amoklauf am Freitag war München im Ausnahmezustand. Und auch nach dem gestrigen Bombenanschlag in Ansbach brach Panik in der Innenstadt aus. Für den Philosoph Julian Nida-Rümelin sind solche Reaktionen verständlich: Die Angst sei normal, sagte er im Deutschlandradio Kultur.
Für hilfreich hält er sie aber nicht. "Wir müssen abrüsten, wir dürfen die Hysterisierung der Gesellschaft nicht vorantreiben", betonte er.
Philosophieprofessor und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin: Ruf nach Humanismus
Philosophieprofessor und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin: Ruf nach Humanismus© Picture Alliance / dpa / Horst Galuschka
Amokläufern und Terroristen ginge es nicht primär um die Tötung von Menschen, sondern um den Effekt auf die Gesellschaft. Sie zielten auf Resonanz. Die zumeist verzweifelten jungen Männer überhöhten ihr Selbstwertgefühl mit der "einen großen Tat zum Abschluss".

Die humanitäre Alltagspraxis bewahren

Die Täter wollten Panik. Die Resonanz werde aber erst hergestellt, "in dem wir entsprechend reagieren", sagte Nida-Rümelin. Er plädierte hingegen für eine "Kultur der Gelassenheit, der Ich-Stärke, der Relativierung". Es gebe zehn Verkehrstote pro Tag in Deutschland: "Das regt niemanden auf."
Die zivile Ordnung lebe davon, dass die Bürger Vertrauen zueinander und in das Gewaltmonopol des Staates hätten, betonte der Philosoph. Die "humane Alltagspraxis zu bewahren" sei die eigentliche Herausforderung.
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