Nach Sylt mit Neun-Euro-Ticket

Memes mobilisieren für Chaostage auf der Insel

05:36 Minuten
Bahnhofsschild "Weslterland (Sylt)"
Während der Corona-Zeit kamen nur wenige Reisende nach Westerland auf Sylt. Nun könnte das Neun-Euro-Ticket einen Besucheransturm auslösen. © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Caren Miesenberger im Gespräch mit Gesa Ufer · 20.05.2022
Audio herunterladen
Im Internet zieht ein Sturm auf, der die Nordseeinsel Sylt bedroht. Auf dem Eiland der Schönen und Reichen hat man Angst vor einem riesigen Besucherandrang und Chaostagen, die auf Social Media angekündigt werden. Der ursprüngliche Grund: das Neun-Euro-Ticket.
Alles begann mit dem Neun-Euro-Ticket der Deutschen Bahn. Mit dem können alle zwischen Juni und August günstig reisen – auch nach Sylt. Das sorgte den Geschäftsführer der Sylt Marketing. Moritz Luft sprach von einem „zu erwartenden Ansturm“ auf die Insel. Auf Twitter begannen User, sich darüber lustig zu machen, kommentierten, dass sich Sylt abschotten möchte, und riefen zu Chaostagen Sylt auf. Solche hatte es übrigens 1995 schon einmal gegeben.

Sylt überall im Netz

Das Thema schwappte zu Facebook und Instagram über, wo Meme-Pages entstanden, wie beispielsweise 9eurotourssylt oder syltfornofuture – als Anspielung auf „Fridays for Future“, aber auch auf den Punk-Slogan „No Future“. Das Logo von syltfornofuture ist ein Remix des RAF-Symbols. Nur sind anstelle einer Waffe die Umrisse Sylts zu sehen, die sonst als Sticker an zahlreichen Autohecks prangen.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Chaos und Kurtaxe

Auch sonst werden auf Twitter und Instagram täglich Memes zu Sylt geteilt. Beispielsweise eine Packliste, auf der neben Dosenbier, Müllsäcken, Schlafsack und Bluetooth-Musikbox auch ein Stapel Münzen zu sehen ist. Daneben steht in Klammern "Kurtaxe".

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Nach Instagram kamen dann die Telegram-Gruppen zum Thema Sylt. In drei Gruppen tummeln sich insgesamt rund 3.000 Mitglieder. In „Mit der Bahn nach Sylt“ und „Sylt2022“ werden neben konkreten Organisationsfragen zur Anreise auch Memes geteilt: beispielsweise ein Videoausschnitt aus dem Film „Ballermann 6“, in dem Tommie (gespielt von Tom Gerhardt) und Mario (Hilmi Sözer) auf ein Champagner trinkendes Paar zulaufen und ihnen den Weinkühler vom Tisch reißen. Darunter steht: „Mein Genossi und ich, wenn es im Sommer für 9 Euro nach Sylt geht“. Und die Punkband Menschabstinenz hat extra den Song „Sylt wir kommen“ aufgenommen.

Frust über gesellschaftliche Ungleichheit

Doch in den Telegram-Gruppen werden nicht nur Memes geteilt, sondern es wird über alles Mögliche gesprochen: Soll ein CSD auf Sylt stattfinden? Wann gibt es Raves? Und was wäre ein guter neuer Name für den Hindenburgdamm, der Sylt per Zug mit dem Festland verbindet und immer noch nach dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg heißt, der Wegbereiter Adolf Hitlers war?
Die Meme-Pages lassen sich als gelebte Punkkultur interpretieren, mit Referenzen zu den Chaostagen auf Sylt und in Hannover. Ob wirklich jemand fährt, ist noch unklar. Noch gilt das Neun-Euro-Ticket ja nicht.
Punks sitzten an einem Brunnen auf dem Boden.
Punks in der Westerländer Innenstadt während der Chaostage 1995.© picture-alliance / dpa / Volker Frenzel
Aber auch im Digitalen können die Chaostage auf Sylt als politische Intervention verstanden werden, die am Sehnsuchtsort und Zweitwohnsitz reicher Menschen den Frieden stört und performativ an der klassistischen Gesellschaft kratzt. In den digitalen Fantasien lädt sich jedenfalls ganz viel Frust auf die Verhältnisse ab.

(lkn)

Abonnieren Sie unseren Denkfabrik-Newsletter!

Hör- und Leseempfehlungen zu unserem Jahresthema „Es könnte so schön sein… Wie gestalten wir Zukunft?“. Monatlich direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema