Neumann-Nachfolgerin

Staatsziel Kultur fehlt im Koalitionsvertrag

Christian Höppner im Gespräch mit Katrin Heise · 16.12.2013
Grütters sei eine "sehr gute Wahl" und durchsetzungsstark, so Christian Höppner. Er forderte, dass die Kulturstaatsministerin bei "Mega-Themen“ wie Urheberrecht und Digitalisierung zukünftig die Federführung habe.
Katrin Heise: So. Demnächst werden wir also wieder richtig regiert, mit allen Ministern und Staatsministern, die so dazugehören. Monika Grütters war schon vor Jahren für das Amt der Kulturstaatsministerin, nun wird sie es also. Jürgen König stellt uns Monika Grütters vor.
Heise: Und ich begrüße jetzt Christian Höppner, er ist Präsident des Deutschen Kulturrats. Schönen guten Morgen, schön, dass Sie da sind!
Christian Höppner: Guten Morgen, Frau Heise!
Heise: Monika Grütters, die bisher also Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundes war, dort zuständig auch für Medien. Sie kennen sie also gut. Gute Wahl, Ihrer Meinung nach? Was zeichnet Frau Grütters aus?
Höppner: Absolut. Bundeskanzlerin Merkel hat eine sehr gute Wahl getroffen mit Monika Grütters. Sie hat ja nicht nur eine sehr langjährige parlamentarische Erfahrung, ist nicht nur ausgezeichnet vernetzt, sondern sie hat vor allen Dingen auch eine Affinität für Kultur. Das merkt man immer wieder in Gesprächen. Ich kenne sie nun wirklich schon seit über 20 Jahren hier auch aus dem Berliner Geschäft und musste auch mal wieder mit Bewunderung feststellen, wie sie sich auch hier in Berlin behauptet hat mit ihren Positionen.
Heise: Auch gerade innerhalb der CDU, das war ja auch nicht immer ganz leicht. Die ja doch zum Teil damals als doch recht vermufft angesehen wurde. Sie haben gesagt, oder haben das Berlin eben gerade betont. Da gibt es ja große Befürchtungen, dass sie als Berliner Pflanze - sie ist ja nicht gebürtig Berlinerin -, aber als jetzt hier groß gewordene Politikerin da vielleicht ein bisschen zu sehr verhaftet bleibt?
Höppner: Das glaube ich nicht. Ich glaube, das ist ein Teil Bodenhaftung, der aber sie gerade dazu auch befähigt, den Blick über den Berliner Tellerrand zu werfen. Das merkt man immer wieder in Gesprächen und Diskussionen mit ihr, dass ihr die nationale, aber auch die europäische Einbindung des Kulturlebens und der Entwicklung unseres Kulturlandes eine Herzensaufgabe ist. Insofern freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit ihr.
Heise: Die Aufgaben, die sich ihr jetzt stellen, sind eben schon von Jürgen König so ein bisschen angerissen worden. Sie haben gesagt, Sie glauben, dass sie durchaus kämpferisch ist, weil sie das quasi innerhalb ihrer Partei auch schon gelernt hat. Ihr Kulturrat hat gestern Abend in einer Reaktion auf die Benennung gleich gesagt, es gibt eigentlich mindestens vier Kulturminister außer der Kulturstaatsministerin, weil natürlich im Außenministerium, in der Justiz, bei Arbeit und bei Bildung jeweils Kulturthemen verankert sind. Da muss sich Frau Grütters natürlich doch in ganz besonderer Weise durchsetzen, oder?
Anbindung des Themas Digitalisierung an das Verkehrsministerium "ein Scherz"
Höppner: Absolut. Bernd Neumann hat ja gezeigt, dass die Kleider eines Kulturstaatsministers, jedenfalls für das, was er erreicht hat, im Grunde genommen zu klein sind. Deshalb haben wir auch ein Bundeskulturministerium gefordert. Aber das ist nun Schnee von gestern. Jetzt geht es darum, dass Frau Grütters es schafft, in den wesentlichen Themen klar zu machen, dass das wirklich gesamtgesellschaftliche Themen sind, wie zum Beispiel Schutz des Urhebers, die Frage der Digitalisierung – das sind alles wirklich Megathemen, die eine kulturelle Behandlung brauchen. Das heißt, hier muss sichergestellt werden, dass die Kulturstaatsministerin tatsächlich die Federführung hat.
Heise: Die Federführung hat - das wird aber sicherlich sehr schwierig, denn das ist einerseits, bleiben wir mal beim Urheberrecht, ein Thema des Justizministeriums, und andererseits jetzt des neu geschaffenen Verkehrs- und - wie heißt das eigentlich noch mal - Digitale-Aufgaben-Ministeriums, also quasi Infrastrukturministerium.
Höppner: Ja. Das zeigt aber, wie notwendig das ist, dass wir die Themen mehr unter der kulturellen Brille betrachten. Denn diese Anbindung an das Verkehrsministerium, das Thema Digitalisierung, finde ich schon fast ein - ja, das ist eigentlich ein Scherz, im Grunde genommen, oder sagen wir mal, ernsthafter betrachtet, das ist die Reduzierung auf die technologischen Fragen, und das kann es ja wohl nicht sein. Auch beim Urheberrecht war ja die vergangene Bundesregierung nicht erfolgreich. Wir sind da nicht zu dem notwendigen Korb drei gekommen. Ich will nicht verhehlen, dass das ein ganz schwieriges Thema ist, aber gerade deshalb ist es notwendig, dass die Federführung auch bei dem Thema nicht beim Justizministerium liegt, sondern natürlich bei der Kulturstaatsministerin.
Heise: Wie sehen Sie da die Chancen? Also, wenn Sie den politischen Betrieb sich so anschauen? Denn sie ist "nur" Kulturstaatsministerin.
Höppner: Ja, aber sie sitzt im Bundeskanzleramt, hat ausgezeichnete Beziehungen zur Bundeskanzlerin. Das ist jetzt nicht das allein Entscheidende, sondern natürlich auch die Frage, wie sie öffentlich auftritt, wie sie öffentlich Bewusstsein schafft für die Wertstellung von Kultur in unserer Gesellschaft. Das wird, glaube ich, letztendlich darüber entscheiden, wie sehr sie sich, genau wie ihr Vorgänger, wie sehr sie diesen Kurs fortsetzen kann und wie sehr sie sich tatsächlich einbringen kann und eben nicht am "Katzentisch" des Kabinettstisches sitzt.
Heise: Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, über die Benennung von Monika Grütters zur Kulturstaatsministerin. Bleiben wir noch mal bei diesem … ja, in verschiedenen Ministerien mit sprechen müssen. Da wäre als ganz, ganz wichtiges Thema eben die Regelung der Künstlersozialkasse. Die pressiert ja auch ein bisschen. Da muss ja jetzt demnächst etwas passieren. Dieses große Amt, das Frau Nahles jetzt übernommen hat, des Arbeits- und Sozialministeriums, hat natürlich sehr viele Aufgaben zu erledigen. Da wird Frau Grütters ziemlich bohren müssen, dass da jetzt die Künstlersozialversicherung, die Künstlersozialkasse sehr weit vorne angesiedelt ist.
Höppner: Absolut. Und wir werden als deutscher Kulturrat natürlich darauf achten, dass das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, dann auch tatsächlich umgesetzt wird. Das ist ja noch kein Selbstläufer. Ich habe mich sehr gefreut über die Ausführlichkeit, über die Umfänglichkeit, aber auch über den Inhaltsreichtum dieser Koalitionsvereinbarung - lässt viele, viele Möglichkeiten zu und hat sich zur Künstlersozialkasse ganz eindeutig positioniert. Nämlich, dass der Beitragssatz nicht weiter erhöht wird und dass sie überhaupt im Grundsatz als ein ganz wichtiges Instrument der sozialen Sicherung erhalten bleibt.
Heise: Wenn Sie jetzt noch mal so den Koalitionsvertrag, was die Kultur angeht, Revue passieren lassen - welche Dinge haben Sie jetzt aber vermisst? Wo wird sich Frau Grütters sozusagen neu in die Bresche schlagen müssen?
Höppner: Ich hoffe, dass sie es tut. Wir sind uns jedenfalls auch da einig, an dem Punkt, bei dem Thema Staatsziel Kultur. Das ist die große Enttäuschung, denn in der Arbeitsgruppe Kultur war das noch enthalten, dass natürlich die Verfassung um den Satz "Der Staat schützt und fördert die Kultur" ergänzt werden muss. Wie ich finde, ein überrangiges Ziel und auch ein selbstverständliches Ziel für eine Kulturnation in Deutschland. Ich weiß, dass Frau Grütters das auch möchte, und ich hoffe, dass sie sich trotz der Widerstände auch in der Unionsfraktion dafür stark machen wird.
"Wir brauchen eine viel stärkere Prioritätensetzung für Bildung und Kultur"
Heise: Sie hat eben in unserem kurzen Beitrag, mit dem wir sie ja porträtiert haben, selber gesagt, dass sie die Avantgarde, also einfach avantgardistische Kultur, Kunst ein bisschen in den Vordergrund schieben möchte. Bernd Neumann stand so für die Filmwirtschaft. Sehen Sie da einen Umschwung auf kulturellem Gebiet so ein bisschen auf uns zu kommen?
Höppner: Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie leichte Schwerpunktsveränderungssetzungen machen wird. Ich hoffe sehr, dass sie sich dabei auf die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt berufen wird. Denn diese Konvention definiert kulturelle Vielfalt "nicht nur" als die Kulturen anderer Länder und in unserem Land, sondern eben auch die zeitgenössischen Künste einschließlich der populären und das kulturelle Erbe. Wir brauchen diesen Dreiklang, denn das ist genau das, was unsere kulturelle Vielfalt in unserem Land wiederspiegelt. Und alles drei gehört in eine Balance gesetzt und geschützt und gefördert und vor allen Dingen auch weiterentwickelt.
Heise: Was ich ganz interessant finde: Jetzt sprechen wir schon eine ganze Weile von dem, was auf Frau Grütters zu kommt. Wir haben noch gar nicht über Geld gesprochen. Diesen Etat, der Etat des Kulturstaatsministeriums, der ist ja von Bernd Neumann sukzessive erhöht worden in den Jahren, in denen er im Amt war. Ich habe jetzt gelesen, Frau Grütters soll ihn - da wird gar nicht erwartet, erhöhen, aber stabilisieren. Aber Geld allein ist es eben nicht.
Höppner: Nein. Es sind zwei entscheidende Dinge. Zum einen, und das hat ja Bernd Neumann schon sehr schön vorbereitet, das muss ausgebaut werden. Das ist dieser sogenannte kooperative Kulturföderalismus, das heißt, das Sprechen mit den Ländern. Da sind viele Verkrampfungen weg, und auch Sylvia Löhrmann, die im kommenden Jahr KMK-Präsidentin wird, sagt jetzt öffentlich und auch im persönlichen Gespräch, wir müssen in anderer Art und Weise zusammenarbeiten. Denn letztlich geht es ja darum, gerade den Kindern und Jugendlichen auch wirklich chancengleich kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.
Und hier hoffe ich, dass wir zu einer wirklich substanziellen Föderalismusreform drei kommen, die die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu regelt und damit auch tatsächlich die Chancen gibt, dass wir nicht nur in der "Projektitis" enden, wenn wir schöne Projekte anlegen, sondern dass wir wirklich Nachhaltigkeit haben. Und das zweite Thema: Geld ist natürlich ein ganz wichtiges. Hier erhoffe ich mir, dass wir nicht die Schere im Kopf haben und sagen, die Plafondierung reicht, sondern wir brauchen eine viel stärkere Prioritätensetzung für Bildung und Kultur. Das Zeitfenster ist jetzt dafür da, denn 2016 haben wir die Schuldenbremse in den Ländern, 2020 im Bund und 2019 Auslaufen des Solidarpaktes. Das heißt, wenn wir jetzt nicht sagen, Bildung und Kultur sind viel wichtiger, als wir es im Moment finanzieren als viertstärkste Industrienation, dann ist der Laden dicht.
Heise: Also auch Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, freut sich über die Berufung von Monika Grütters und gibt ihr aber auch nicht allzu viel Zeit, sich zu bewähren. Sie muss gleich in die Bütt. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Höppner!
Höppner: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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