Neues Konzept für den Checkpoint Charlie

Ort der Begegnung statt Touristenrummel

07:52 Minuten
Ein knallroter Bus mit Touristen fährt über die Friedrichstraße am ehemaligen Checkpoint Charlie in Berlin-Mitte.
Touristen strömen zum Checkpoint Charlie. Doch sei der ehemalige Grenzübergang kein wirklicher Ort der Begegnung, meint Regisseur Jochen Sandig. Mit anderen Kulturschaffenden hat er einen "Plan C" entwickelt. © picture alliance / dpa / Sebastian Tanke
Jochen Sandig im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 12.08.2019
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Am Berliner Checkpoint Charlie drängen sich nach wie vor die Touristen. Mit den bisherigen Umgestaltungsvorschlägen ist eine Gruppe Kulturschaffender unzufrieden - und fordert, aus dem ehemaligen Grenzübergang eine Begegnungsstätte zu machen.
30 Jahre lang hat sich am Berliner Checkpoint Charlie wenig verändert. Ein Touristenmagnet ist der ehemalige Grenzübergang im Bezirk Mitte nach wie vor. Inzwischen gibt es mehrere Ideen für die Flächen rings um den Checkpoint - im Rahmen eines sogenannten Nutzungsplans B: Ein Investor hätte dort gerne eine Hardrock Hotel errichtet, der Berliner Senat hingegen würde auf der Brachfläche am liebsten ein Museum des Kalten Krieges und Büroflächen entstehen lassen.
Ein Dutzend Kulturschaffender, die sich als "Rat der Zwölf" gerade zum Gedankenaustausch getroffen haben, hält von solchen Plänen nicht viel, weil so kein wirklicher Ort der Begegnung entstehe. Die Gruppe bastelt nun an einem "Plan C" – C wie "Conflict", "Consens" oder "Community".

Daniel Libeskind und der Vergleich mit Ground Zero

Die bisherigen Ideen würden dem Potenzial des Ortes nicht gerecht, bekräftigte der Kulturunternehmer und Regisseur Jochen Sandig im Deutschlandfunk Kultur. Sandig hat in Berlin unter anderem das alternative Kunst- und Kulturhaus Tacheles und die Sophiensäle, eine Spielstätte für freie Theater- und Tanzprojekte, gegründet. Auch der US-Architekt Daniel Libeskind habe sich am Brainstorming beteiligt und die internationale Bedeutung des Checkpoint Charlie stark betont, so Sandig: "Von ihm stammt Satz: Der Checkpoint Charlie in Berlin ist sozusagen das Pendant zum Ground Zero in New York, was die Bedeutung für die Welt auch außerhalb Berlins anbelangt."
Sandig fügte hinzu: "Diese Relevanz verkörpert er allerdings überhaupt nicht. Wenn die Menschen dahin kommen, auf Spurensuche nach den Resten der Vergangenheit, von Mauer, von Trennung oder Überwindung der Trennung… doch auf was sie treffen, sind Buden, Touristennepp und vor allem einen GI – das ist ein verkleideter Schauspieler -, der sich ablichten lässt." Doch das eigentliche Interesse der jährlich 4,5 Millionen Besucher des Checkpoint Charlie laufe ins Leere. Und die Berlinerinnen und Berliner machten erst recht einen großen Bogen um den Ort.

Panzer als Installation der Erinnerung

Der "Rat der Zwölf" will Widerspruch gegen den Nutzungsplan einlegen. Ihr eigener Plan sieht vor, das Areal zum Begegnungsort zu machen – zu einem "offenen lebendigen Stadtplatz", auf den der Begriff "Room for Living Democracy" zutreffe, erklärte Sandig. Die gesamte Straßenkreuzung könne zu einem offenen Raum werden. Der Senat sei glücklicherweise nicht abgeneigt, "doch es fehlt noch die große Idee – und die fordern wir jetzt ein".
Blick auf den ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie in Berlin.
Der Grenzübergang Checkpoint Charlie an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, der Berliner Mauer, in Berlin-Mitte© imago stock&people
Vorstellbar sei zum Beispiel, temporär Künstlerinnen und Künstler einzuladen, um den Checkpoint Charlie mit ihren Ideen zu bespielen. Oder auch – durchaus auch provokativ gedacht – einen russischen und einen amerikanischen Panzer dort anrollen zu lassen – "als eine Art Installation der Erinnerung an einem Moment, wo die Welt ja wirklich am Abgrund stand". Berlin habe die Chance, an einem historischen Ort "das Neue zu wagen". Deshalb müssten jetzt die politischen Weichen für eine Neugestaltung des Checkpoint Charlie gestellt werden.
(mkn/abr)
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