Neues Album von Parquet Courts: "Sympathy for Life"

Kritisch, subversiv und tanzbar

05:44 Minuten
Der Sänger und Gitarrist Austin Brown von der Band Parquet Courts spielt und singt während eines Konzerts.
Musik-Revoluzzer mit Nickelbrille: Austin Brown von Parquet Courts. © Imago / Zuma Press
Von Marcel Anders · 21.10.2021
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Parquet Courts zählen zu den aktivsten Indie-Rockbands der amerikanischen Ostküste. Ihre Musik: experimentell. Die Texte: politisch. Nicht nur die Pandemie und ihre Folgen, auch die wachsende Enttäuschung über US-Präsident Biden prägt das neue Album.
"Unser letztes Album war extrem wütend. Doch diesmal geben wir uns etwas zugänglicher und versuchen, das Leben in vollen Zügen zu genießen", sagt Austin Brown, Sänger und Gitarrist von Parquet Courts.
Und er fügt - auch bezogen auf das neue Album "Sympathy for Life" - hinzu: "Wobei Liebe und Spaß kraftvolle Emotionen sind. Sie können Institutionen zum Einsturz bringen, spielen in der heutigen Protestbewegung aber keine Rolle. Wir dagegen finden sie inspirierend und versuchen uns jetzt an tanzbarer Musik mit starken Rhythmen und viel Groove. Ein Sound, der selbst große Menschenmengen in Bewegung versetzen kann."

Revoluzzer mit Nickelbrille

Brown ist ein studierter Enddreißiger und selbsterklärter Musikjunkie, der auch als DJ arbeitet und seine Band als Plattform zur gesellschaftlichen Erneuerung sieht. Ein Musik-Revoluzzer mit Nickelbrille, der eigentlich aus dem Punkrock kommt, aber auch um die anarchisch-subversive Kraft von tanzbaren Tönen weiß. Und sie ähnlich einsetzt wie einst die Talking Heads, The Clash, Lee Scratch Perry oder Primal Scream: Hypnotische Monotonie trifft geballten Groove.
"Das Album, an dem wir uns am meisten orientiert haben, war 'Screamadelica' – weil es von einer Rockband stammt, die durch Rave Culture und Dance Music komplett verändert wurde. Die Art, wie Primal Scream diese Einflüsse integriert haben, war profund und unglaublich inspirierend", analysiert Brown. "Es entspricht genau dem, was auch uns vorschwebte. Wir hörten unsere Stücke und dachten: Wie könnte das in diese Welt passen? Wie gestalten wir das groovy?"
Musikalisch machen Parquet Courts einen Riesenschritt nach vorne: Sie sind experimentell, vielseitig, melodisch und absolut packend.

Geballte Konsumkritik

Inhaltlich hingegen bleiben sie ihrer Linie der letzten Jahre treu: "Sympathy For Life" ist vor Ironie triefende Kritik am Zeitgeist. Und an einer Gesellschaft, die sich von den Errungenschaften der Unterhaltungstechnik blenden lässt, und dabei das Zwischenmenschliche und wirklich Wichtige im Leben vergisst.
Dem begegnet Austin Brown mit geballter Konsumkritik:
"All die Dinge, die so strahlendschön, neu und teuer sind, helfen uns kein bisschen weiter. Und es fällt schwer, sich das immer wieder vor Augen zu führen, weil wir so mit Werbung bombardiert werden. Sei es von den Computern, vor denen wir den ganzen Tag sitzen, oder die wir mit uns herumtragen. Da vergisst man leicht, wie wichtig echte Kommunikation, Liebe und Freundschaft sind. Die Technik täuscht uns vor, wir könnten alles haben – und zwar genauso, wie wir es wollen. Dabei ist diese Welt der unbegrenzten Möglichkeiten völlig unbefriedigend."
Hat sich Austin Brown erst einmal warm geredet, berichtet er über geheime Rave-Partys in den Catskill Mountains, in Upstate New York. Das sei das neue Ding an der Ostküste, weil die Menschen immer noch Angst vor Corona-Infektionen in geschlossenen Räumen hätten.

Kritk an "widerwärtigen" Milliardären

Der neue In-Club in der Stadt sei das "Nowadays" in Queens. Und im Fall von Präsident Biden sei die anfängliche Euphorie längst großer Ernüchterung gewichen. Er sei halt Teil des alten Systems – und das werde er nicht ändern.
Ähnlich bissig wie in seinen Songs wird Brown aber, wenn es um den Weltraumtourismus von Milliardären geht:
"Die Jeff Bezose und Elon Musks dieser Welt sind so selbstsüchtig, dass sie gar nicht merken, wie unser Planet auseinanderfällt. Sie wollen auf Teufel komm' raus ins All, was einfach widerwärtig und unsensibel ist. Von unserer Regierung erwarte ich eh nichts, aber dass diese Leute mit Milliarden von Dollars, die so einen großen Unterschied machen könnten, kein Interesse am Wohl der Menschheit haben, ist ein regelrechtes Verbrechen."
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