Neues Album von Martha High & The Italian Royal Family

Der Sixties-Soul lebt

06:18 Minuten
Martha High während eines Konzertes in Regensburg.
35 Jahre lang war Martha High Backgroundsängerin für James Brown. Nun ist sie selbst eine Grand Dame des Souls. © Imago / Manfred Segerer
Von Claudia Gerth · 29.01.2020
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Mit 18 Jahren wurde Martha High Backgroundsängerin für James Brown. Heute, mit 74, ist die Soulmusikerin selbst Frontfrau. Auf ihrem neuen Album "Nothing's Going Wrong" bringt sie den Spirit der 60er in die Gegenwart.
James Brown nannte sie "Sister". Und für Martha High war der Godfather of Soul Freund, Mentor, aber auch Vaterersatz. Denn als er sie 1966 aufforderte, Teil seiner Show zu werden, war Martha High erst 18 Jahre alt. Die erste Begegnung der beiden fand in Washington D.C. statt, in der Künstlergarderobe des legendären Howard Theatre, wo sie noch als Martha Harvin mit ihrer Band The Jewels aufgetreten war.
"Jemand klopfte an die Tür", erinnert sich die Musikerin an ihre erste Begegnung mit James Brown. "Wir fragten, wer da sei und es war tatsächlich James Brown. Unglaublich, unsere Herzen schlugen uns bis zum Hals. Er kam herein, lief geradewegs zum Spiegel, richtete sich seine Frisur und dann sagte er fast beiläufig, wie toll er unsere Show fand. Das gleiche Spiel vollzog sich kurz darauf im New Yorker Apollo Theatre. Und hier fragte er dann, ob wir uns seiner Revue anschließen. Und natürlich sagten wir zu. Das war einfach das Highlight meines Lebens."

Von der Backgroundsängerin zur Frontfrau

Danach begann der erstaunliche Ritt durch die Musikgeschichte, wie es Martha High nennt. Sie war bei allen legendären Auftritten Browns dabei. Auch bei dem 1974er-Konzert vor 60.000 Menschen in Kinshasa, Zaire, anlässlich des "Rumble In The Jungle" zwischen Muhammad Ali und George Foreman. Ihre Stimme war inzwischen bei anderen Soulgrößen gefragt, und 1979 probierte sie es mit einem Soloalbum, doch das floppte. Aber: "Things comes to those who wait", sagt Martha High heute. Wenn man hartnäckig und geduldig bleibt, dann erreicht man sein Ziel.
Es dauerte noch bis Anfang der Nullerjahre, bis Martha High selbst zur Frontfrau wurde und sie eigene Alben aufnahm. Unterstützt wurde sie zunächst von verschiedenen Formationen, aber erst der italienische Soulmusiker und Produzent Luca Sapio und das Ensemble der Italian Royal Family trafen den richtigen Nerv. Eine Verbindung mit grandiosem Ergebnis: Amerikanischer Soul stößt auf den Spirit italienischer 60er-Jahre-Musik mit einer winzigen Prise Ennio Morricone.
"Jetzt bin ich an der Reihe und ich bin dankbar dafür. Vor allem für meine Band The Italian Royal Family", sagte Martha High. "Sie haben mir eine Perspektive gegeben. In dem Sinn, dass sie mir ermöglichen, zu singen, was ich fühle. Das tut mir wahnsinnig gut."

Mächtige Stimme, analoger Sound

"Nothing‘s Going Wrong" heißt das neue Album von Martha High & The Italian Royal Family, und dass es ein gutes Album geworden ist, liegt nicht nur an seinem warmen, analogen Sound. Es fasziniert durch Marthas mächtige Stimme, die trotz ihrer mittlerweile 74 Jahre nicht ein bisschen an Kraft eingebüßt hat.
Und wahrscheinlich sind es gerade die Erfahrungen dieser 74 Lebensjahre, die es ihr ermöglichen, derart zu berühren. Entgegen einiger anderer Soulproduktionen jüngeren Datums, setzt Martha High auf Inhalt. Auf tiefgründige Texte und die Soulbotschaft schlechthin:
"Ich hoffe, wenn Leute unser Album hören, dass sie dann wissen, es geht um Achtsamkeit. Darum, dass man nicht die Augen verschließen darf vor den Dingen, die gerade in unserer Welt vor sich gehen. Lasst uns gemeinsam schauen, wo wir helfen können. Und wo wir einander netter begegnen und zusammenarbeiten können."
Es geht um Menschlichkeit – und so hat es Martha High geschafft, den Spirit des Sixties-Soul ins Jahr 2020 zu bringen. Ihre Songs erzählen von Hoffnung. Stattdessen wir uns an die Dunkelheit gewöhnen, erhellen wir die Welt doch lieber mit einer guten Tat, singt sie gleich im Opener des Albums "A Little Spark". Und hört man Martha Highs kraftvolle wie einfühlsame Stimme, so hat man den Eindruck, sie sollte ganz leicht fallen – diese gute Tat.
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