Neues Album von Animal Collective

Das Gegenteil von Easy Listening

Der Musiker Brian Weitz, aka Geologist von der US-Band Animal Collective bei einem Konzert in Madrid, 2011
Der Musiker Brian Weitz, aka Geologist von der US-Band Animal Collective bei einem Konzert in Madrid, 2011 © picture alliance / dpa / Kote Rodrigo
Von Christoph Reimann · 23.02.2016
Die US-Band Animal Collective ist bekannt für ihren ideenreichen und manchmal auch anstrengenden Pop-Entwurf. Auf "Painting With" übersetzen die Soundtüftler - inspiriert von Dinosaurier-Filmen aus den 50ern bis 70ern - imaginäre Bilder in Musik.
"Uns ist der Kern der Songs wichtig. Den sollen die Leute begreifen. Ich glaube, manchmal schätzen wir falsch ein, wie schwer es ist, die Songs gleich beim ersten Hören zu verstehen. Denn wir haben Sie ja Hunderte Male gehört."
Da mag Brian Weitz alias Geologist Recht haben – und noch gewaltig untertreiben. Die Songs vom Animal Collective erschließen sie so gut wie nie beim ersten Hören, selten beim zweiten Versuch – und manchmal kommt man ohne Erklärungen gar nicht dahinter, was das überhaupt soll.
Die Songs der US-amerikanischen Band sind überdreht, ungestüm und vielschichtig. Das gilt auch für die zehnte Platte "Painting With". Dabei sollten die Songs dieses Mal zumindest rhythmisch ein bisschen einfacher sein als auf dem Vorgänger-Album. Zur Komplexitätsverringerung gruben die Bandmitglieder in der Geschichte der Menschheit – und landeten beim Höhlenmenschen.
"Wir sprachen über prä-historische Dschungel-Szenarien, über Höhlenmenschen und trance-artige Trommelrhythmen."

"Painting With" übersetzt Bilder in Musik

Um es vorweg zu nehmen: Natürlich ist "Painting With" auch rhythmisch durchaus komplex. Aber das Thema vom Höhlenmenschen haben die drei Musiker trotzdem ernst genommen – auf ihre gewohnt verspielte Art. Mit ihrer Musik wollen Animal Collective musikalische Welten erschaffen, an deren Anfang aber visuelle Vorstellungen stehen. "Painting With" ist deshalb auch der Versuch, imaginäre Bilder in Musik zu übersetzen.
"Als wir ins Studio gingen, nahmen wir einen Projektor mit, über den wir die ganze Zeit alte Dinosaurier-Filme aus den 50ern, 60ern und 70ern an die Wand warfen. Und wir haben ein Planschbecken aufgestellt, das wir mit Wasser gefüllt und mit Seerosen dekoriert haben. Überall haben wir Kerzen angezündet, um die Umgebung natürlicher wirken zu lassen."
Der perkussive Klang vom Schlag auf den Beckenrand ist auch auf der Platte zu hören, allerdings nur schwer zu identifizieren. Denn abgesehen von den Beach-Boys-Gesängen lieben es die Bandmitglieder, ihre Sounds zu verfremden. Das gilt auch für die Bratsche von John Cale. Der Altmeister des Avantgarde-Pop ist Fan der Band und hat auf dem Album einen Gastauftritt.
"Wir hatten dieses eine Sample, das wir mit einem Live-Instrument ersetzen wollten. Aber niemand von uns kann ein Streichinstrument spielen. John war gerade wie wir in LA. Wir haben ihn gefragt und er hat zugesagt. Aber er konnte den entsprechenden Part nicht ersetzen, weil sich seine Viola nicht in die richtige Tonlage stimmen ließ. Dafür konnten wir viele der anderen Dinge, die er probiert hat, an anderen Stellen einbauen."

Avantgarde-Pop-Altmeister John Cale an der Bratsche

Cales Bratsche, das Saxofon von Colin Stetson, ein Schnipsel aus der Fernsehserie "Golden Girls" und irre Melodieführungen. In der Musik von Animal Collective scheint für alles ein Platz zu sein. Das führt beim Hören immer wieder zu Überraschungen, aber viele der zwölf Songs wirken hemmungslos überfrachtet, die Zitate beliebig. Da kommt ein vertrauter Instrumentenklang wie das Klavier im Song "On Delay" gerade recht – als Verschnaufpause zur Mitte der Platte.
Als sich das Animal Collective vor 17 Jahren gründete, gehörten die Musiker zur Pop-Avantgarde. In einer Zeit, in der die Popmusik das Internet als unendliches Archiv entdeckte, blickte die Gruppe in die Zukunft – niemals retro und immer am Rand des Vertrauten. Auch heute noch sind ihre Songs aufregend – im guten wie im schlechten Sinn. Aber den Platz der Poperneuerer haben inzwischen andere eingenommen. Der Erkenntnisgewinn nach dem Hören von "Painting With" ist gering. Ihre Unbeugsamkeit muss man der Band aber letztlich zugutehalten.
"Wir haben nie geglaubt, kommerziell erfolgreich sein zu können, nie! Und lange Zeit konnte wirklich nicht die Rede davon sein. Jetzt sind wir ziemlich gut darin, uns nicht davon beeinflussen zu lassen."
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