Neu im Kino: "Titane"

Wüster bildgewaltiger Trip

08:21 Minuten
Der Kopf der Hauptfigur als Kind in "Titane", eingespannt in eine Art Schraubstock.
Verstörendes Bild: Nach einem Autounfall wird der Hauptfigur eine Titanplatte eingepflanzt. © Koch Films
Von Anke Leweke · 06.10.2021
Audio herunterladen
Alexia trägt seit ihrer Kindheit eine Platte aus Titan im Schädel. Sie hat Sex mit einem Auto, ermordet Männer und Frauen und taucht, zum Jungen verwandelt, bei einem Feuerwehrmann unter. "Titane" hinterlässt eine zwiespältige Seherfahrung.

Um was geht es?

Seit einem Unfall in ihrer Kindheit trägt Alexia eine Platte aus Titan im Schädel. Sie arbeitet als Tänzerin in einer Autoshow, hat überhaupt ein aufgeladenes Verhältnis zu Autos. Menschliche Berührungen kann die junge Frau nicht ertragen, sobald sich ihr jemand nähert, flippt sie aus.
Die junge Frau wird wegen mehrfachen Mordes gesucht. Zur Tarnung bricht sie sich die Nase, verwandelt ihren Körper in den eines jungen Mannes, gibt sich als verlorener Sohn eines Feuerwehrmannes (Vincent Lindon) aus, lebt fortan mit ihm und dessen jungen Kollegen unter einem Dach.

Was ist das Besondere?

Es ist viel los in diesem Film, der mit seiner grellen Optik und seinem eindringlichen Sound in einer eigenen geschlossenen Atmosphäre spielt. Gleich zu Beginn hat Alexia Sex mit einem Auto. Sie fesselt sich auf den Rücksitz eines Cadillacs. Ihre Hüften und die Polster und Stoßdämpfer des Wagens finden zu einem gemeinsamen Rhythmus.
Damit nicht genug: Alexia wird schwanger von dem Auto, verliert Motoröl aus ihren Brüsten. Sie funktioniert Haarnadeln in Mordwaffen um, rammt ihr Gesicht gegen das Waschbecken einer öffentlichen Toilette, damit man sie nicht wiedererkennt.
Mit dem väterlichen Feuerwehrmann kommt eine andere Körperlichkeit ins Spiel. Die eines Mannes, der sich Anabolika spritzt und sich über seine Kraft definiert. Zwei deformierte Körper treffen aufeinander, zwei Menschen entdecken ihre Seelenverwandtschaft und finden zu einer extremen Patchworkfamilie zusammen.

Fazit

Über die Gewalttätigkeit von "Titane" wurde in Cannes lebhaft diskutiert. Vielleicht braucht dieser Film den brutalen Exzess, um die Zerbrechlichkeit und Kreatürlichkeit von Körpern zu demonstrieren. Vielleicht braucht es Julia Ducournaus surreale Fantasien, um im Gewand des Bodyhorror-Genres von einer jungen Frau zu erzählen, die sich und ihre sexuelle Identität in einem fluiden Prozess entdecken kann.
Immer wieder gibt es in "Titane" überraschende Tanzeinlagen, bei denen sich die Hauptfigur quasi schlangenhaft häutet, sich neu findet und erfindet.

"Titane"
Regie: Julia Ducournau
Frankreich 2021
Mit Agathe Rouselle, Vincent Lindon u.a.
Länge: 108 Minuten

Mehr zum Thema