Neu im Kino: "Matangi/Maya/M.I.A."

Intimer Dokumentarfilm über die Musikerin M.I.A.

Sängerin M.I.A. bei einem Auftritt auf dem Melt-Festival 2016 in Sachsen-Anhalt
Der Film über M.I.A. ist eine Art visuelles Mixtape - nicht nur für Fans. © imago/STAR-MEDIA
Von Florian Fricke · 21.11.2018
Für seinen Film "Matangi/Maya/M.I.A." konnte Regisseur Steve Loveridge auf das private Filmarchiv von M.I.A. zurückgreifen. Herausgekommen ist eine intime Dokumentation, die nachvollziehbar darstellt, wie radikal die 43-jährige Künstlerin tickt.
Gleich zu Beginn seines Films stellt Regisseur Steve Loveridge M.I.A. die entscheidende Frage: Warum kannst du nicht einfach ein normaler Popstar sein? M.I.A. antwortet: "Wenn ich einfach nur die Klappe halten und einen Hit machen würde, wäre ich irgendwann drogensüchtig und würde eine Überdosis nehmen. Denn genau das passiert, wenn du den Mist, der raus muss, nicht rauslässt."

In M.I.A. brodelt ein Vulkan

Für die britische Künstlerin mit sri-lankischen Wurzeln ist die Musik immer nur ein Medium, um sich politisch zu artikulieren, denn in ihr brodelt ein stets aktiver Vulkan. M.I.A. wird als Mathangi Maya Arulpragasam geboren, und zwar als Tochter eines tamilischen Guerilla-Führers, den sie als Kind so gut wie nie zu Gesicht zu bekommt. Mit zehn Jahren flüchtet ihre Mutter mit ihr und ihren Geschwistern nach London, Sri Lanka wird eine ferne und unbestimmte Erinnerung. Erst viel später besucht der Vater seine Familie in England.
Noch vor Beginn ihrer Karriere als Musikerin macht sich Maya als junge Dokumentarfilmerin auf Spurensuche in Sri Lanka, um den Grund für ihre zerrissene Kindheit zu ergründen. Dort wird sie mit der brutalen Realität des tamilischen Befreiungskampfes konfrontiert. Ihr wird bewusst, dass sie höchst wahrscheinlich selbst eine Guerilla-Kämpferin geworden wäre, wäre sie dort geblieben.

Künstlerischer Kampf

Es ist die Initialzündung für ihr politisches Gewissen und ihre künstlerische Laufbahn, die immer von dieser Zerrissenheit lebt, als Privilegierte ihren eigenen Krieg zu führen – einen Krieg mit ihren Waffen. Sie nimmt ihren Künstlernamen M.I.A. an, er steht für "Missing in Action", im Kampf vermisst, oder für "Missing in Acton", ein Stadtteil von London, ein Wortspiel. Sie fotografiert Szenen aus dem Bürgerkrieg vom Bildschirm ab und hängt sie in ihrem Zimmer auf, sie hat ihr Thema gefunden.

Als Menschenrechtlerin nicht ernst genommen

M.I.A.s Debütalbum "Arular" von 2005 ist ihrem Vater gewidmet und machte sie mit einen Schlag weltweit bekannt. Auch abseits ihrer Musik versucht sie immer wieder, die Öffentlichkeit auf die Menschenrechtslage in Sri Lanka hinzuweisen. Doch schon früh wird sie mit Skepsis konfrontiert. Man nimmt sie, das wilde und modebewusste Glamour Girl, verlobt mit einem Whiskey-Dynastie-Erben in den USA, nicht wirklich für voll. Die Leute wollen lieber Klatsch-Geschichten aus Beverly Hills hören.

Wut und künsterlische Energie

Regisseur Steve Loveridge, seit gemeinsamen Studientagen mit M.I.A. befreundet, konnte für seinen Film "Matangi/Maya/M.I.A." auf das gesamte private Filmarchiv von M.I.A. zurückgreifen und mischt es mit eigenen aktuellen Interviews und Off-Kommentaren der 43-jährigen Künstlerin. Herausgekommen ist eine intime Dokumentation, die nachvollziehbar darstellt, wie radikal M.I.A. tickt, wie sie immer wieder die direkte Konfrontation sucht mit den Selbstverständlichkeiten der westlichen Komfortwelt, der Welt, die sie groß gemacht hat.
Aus diesem extremen Spannungsverhältnis schöpft sie ihre Wut und künstlerische Energie. So erklären sich auch ihre medialen Terrorakte, wenn man so will, wie der Stinkefinger während des Superbowl-Auftritts mit Madonna 2012 – was die US-amerikanische Nation noch Tage lang schwer beschäftigte. Steve Loveridge schafft kein kritisches Portrait von M.I.A., dafür ist er als langjähiger Weggefährte zu nahe dran. Der Trumpf des Films sind die vielen intimen Momente aus ihren privaten Tapes, die helfen, sie besser zu verstehen. Ein Art visuelles Mixtape nicht nur für Fans.
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